Köln | Ehrenfeld setzt ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus. Und das nicht erst seit der Tat eines Rechtsextremisten in Halle, sondern seit Jahren und erinnert an die Kristallnacht vor 81 Jahren in der Ehrenfelder Körnerstraße sowie die Ermordung von 13 Menschen, darunter 5 Edelweißpiraten vor einer Schaulustigenmenge von 400 Menschen vor 75 Jahren am 10. November 1944 ohne gültiges Urteil. Nicht zu vergessen die 11 Zwangsarbeiter, die am 25. Oktober 1944 hingerichtet wurden. Mit Bezirksbürgermeister Josef Wirges und Rolly Brings sprach Andi Goral. Am 10. November 2019 ab 16 Uhr können sich alle die anschließen, die ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus aktiv setzen wollen. Start ist in der Körnerstraße in Köln-Ehrenfeld.

Wer mitläuft macht sich mitschuldig

Am 9. November vor 81 Jahren brannte die Synagoge in der Ehrenfelder Körnerstraße. Die Feuerwehr der Stadt Köln löschte das Feuer nicht, sondern verhinderte lediglich ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbargebäude. Auch die damaligen Bewohnerinnen und Bewohner der Körnerstraße waren alles andere als widerständig gegen die Schandtaten der Nationalsozialisten, wie es heute schon einmal gerne bei Stadtführungen durch den Alternativen Stadtteil kolportiert wird. Nun sind die Neuen Rechten gegen die Nationalsozialisten der 1930er Jahre abzugrenzen. Dennoch ist festzustellen, dass im Jahr 2019 eine neue Dimension des Rechtsterrors in Deutschland wieder eingezogen ist und das nach den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Der Politiker Walter Lübcke wurde von einem mutmaßlichen Rechtsextremen auf der Terrasse seines Hauses erschossen. In Halle versuchte Stephan B. unter Waffengewalt in die dortige Synagoge einzudringen und wollte dort Menschen erschießen. Als dies misslang wählte er einfach zwei andere Opfer. In Thüringen verdoppelte die AfD ihren Stimmanteil unter Führung von Björn Höcke, der das Mahmal für die ermordeten Juden in Berlin das „Mahnmal der Schande“ nannte. Rolly Brings und Josef Wirges stellen im Interview mit dieser Internetzeitung deutlich dar, dass zum einen die, die mitlaufen, Mitglieder in rechtspopulistischen Parteien wie der AfD sind oder diese wählen, nicht so tun können, als hätten sie mit Rassismus und Antisemitismus nichts zu tun. Sie unterstützen Rassismus und Antisemitismus und machen ihn durch ihr Wahl- oder Mitgliedsverhalten stärker. Umso deutlicher wird, wie wichtig Veranstaltungen wie die in Ehrenfeld sind. Ein Erinnern das jedes Jahr stattfindet und Demokraten ermahnt mutig für Toleranz, Freiheit und eine vielfältige Gesellschaft einzutreten.
Rolly Brings erzählt seit vielen Jahren die Geschichte von David. Dem Mann, dem er viele Jahre später in der Körnerstraße begegnete und der als Kind in dieser Straße in Ehrenfeld lebte. David erlebte den Synagogenbrand, seine Familie und er wurden nach Auschwitz deportiert. Er überlebte und wanderte nach Australien aus und kam doch zurück. Zuerst sprach er mit Brings nur Englisch, später Kölsch. Der Song David erzählt vom Alptraum der Unmenschlichkeit die vor 81 Jahren begann.
Am 10. November 1944 erhängten die Nazis 13 Menschen in Ehrenfeld. Ein Gerichtsverfahren erhielten sie nicht. 5 von ihnen waren Edelweißpiraten, darunter Hans Steinbrück oder Bartholomäus Schink. 400 Ehrenfelderinnen und Ehrenfelder wohnten dem Mord durch die Gestapo bei. Am 25. Oktober 1944 ermordeten die Gestapoleute 11 Zwangsarbeiter an gleicher Stelle.

[infobox]Aus den Flugblattaktionen des Sommers 1942 der Ehrenfelder Gruppe 

„Macht endlich Schluss mit der braunen Horde!
Wir kommen um in diesem Elend. Diese Welt ist nicht mehr unsere Welt. Wir müssen kämpfen für eine andere Welt, wir kommen um in diesem Elend.“
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„So braun wie Scheiße, so braun ist Köln. Wacht endlich auf!“
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„Kinder müssen kommen in den Krieg
Räder müssen rollen für den Sieg
Köpfe müssen rollen nach dem Krieg“
„Ihr könnt mich nicht, wenn ich nicht will!“
Die Namen der Gehängten vom  10. November 1944

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Gehängt wurden am 10. November 1944 ohne Gerichtsurteil:
Hans Steinbrück, * 12. April 1921
Günther Schwarz, * 26. August 1928
Gustav Bermel, * 11. August 1927
Johann Müller, * 29. Januar 1928
Franz Rheinberger, * 22. Februar 1927
Adolf Schütz, * 3. Januar 1926
Bartholomäus (Barthel) Schink, * 27. November 1927
Roland Lorent, * 12. März 1920
Peter Hüppeler, * 9. Januar 1913
Josef Moll, * 17. Juli 1903
Wilhelm Kratz, * 6. Januar 1902
Heinrich Kratina, * 15. Januar 1906
Johann Krausen, * 10. Januar 1887
Die Rehabilitierung der Edelweißpiraten dauerte lange. Bis heute ist unklar wie viele Edelweißpiraten in Deutschland im Dritten Reich ums Leben kamen. Wie Rolly Brings es beschreibt waren nach dem Krieg oft die gleichen Beamten an den Schnittstellen der Macht, die zuvor bei der Gestapo die Mitglieder der Gruppe kriminalisierten und als „Krahde“, also Pöbel und Dreck diffamierten. Es dauerte lange bis die Mitglieder der Gruppe als Widerständler anerkannt waren und immer wieder mussten sie darauf hinweisen.

An all das erinnert das Gedenken am 10. November 2019 und setzt ein Zeichen gegen den heute alltäglichen Rassismus und Antisemitismus in dieser Gesellschaft. Ehrenfeld kann, wenn viele kommen, am 10. November ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung, Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus senden. 

[infobox]Am Sonntag, 10. November 2019 um 16 beginnt die Gedenkveranstaltung in der Körnerstraße, dort wo einmal die Synagoge stand. (Auf Höhe des Hochbunkers, Richtung Subbelrather Straße) Anschließend ziehen alle gemeinsam in einem Schweigemarsch zur Gedenkveranstaltung vor dem Mahnmal Bartholomäus-Schink-Straße/Venloer Straße. Dort ist der Beginn gegen 17 Uhr geplant.

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Eingeladen haben: Josef Wirges, Bezirksbürgermeister Ehrenfeld, Kuratorium Edelweißpiraten Ehrenfeld, Bündnis „Köln stellt sich quer“, Markus Rheinhardt Ensemble und Rolly & Benjamin Brings und Gäste.

Autor: Andi Goral