Köln | Seit 15 Jahren läuft das inzwischen einzige Frauenmagazin „FrauTV“ im deutschen Fernsehen. Die 500. Ausgabe wird am Donnerstag (27. September, 22.00 Uhr) im WDR ausgestrahlt. „FrauTV“-Moderatorin Lisa Ortgies (46) ist, abgesehen von einem kurzen Gastspiel als „Emma“ Chefredakteurin, seit der ersten Stunde dabei. Mit ihr sprach dapd-Korrespondent Fabian Wahl über Emanzipation, Tabuthemen im Fernsehen und einen Sendeplatz im Ersten.

15 Jahre „FrauTV“: Haben Sie anfangs damit gerechnet?

Ortgies: Ich habe anfangs nicht geglaubt, dass so viele Themen aktuell bleiben würden. Aber die meisten Aspekte sind noch topaktuell. Vor 15 Jahren hatten wir Briefe von Frauen, die ihren Arbeitsvertrag nicht unterzeichnen konnten, weil sie keine Betreuung hatten. Heute ist die Lage nicht viel besser.

Wir befinden uns im Jahr 2012. Ist Emanzipation wirklich noch ein Thema?

Ortgies: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. An erster Stelle steht noch ein Gehaltsunterschied von 23 Prozent zwischen Männern und Frauen. In den Vorständen der Unternehmen gibt es lächerliche 3,7 Prozent Frauen. Männer bekommen im Schnitt 35 Prozent mehr Rente. Es sind zwar 70 Prozent der Frauen erwerbstätig, aber leider ist die Hälfte von ihnen in Teilzeitbeschäftigung oder hat einen Minijob. Ich könnte noch Seiten mit weiteren Beispielen füllen.

Dann rechnen Sie mit weiteren 500 Sendungen?

Ortgies: Davon gehe ich aus. Themen werden uns nicht ausgehen. Die werden eher mehr.

Gab es anfangs Vorbehalte gegen das Format?

Ortgies: Ganz am Anfang gab es immer mal wieder Gerüchte, dass „FrauTV“ eingestellt werden soll. Das ist aber auch schon wieder zwölf Jahre her. Wir haben zwei Intendantenwechsel und mehrere Direktorenwechsel überstanden.

Wie hat sich die Einschaltquote entwickelt?

Ortgies: Die Zuschauerzahlen haben sich verdoppelt. „FrauTV“ schalten wöchentlich bundesweit bis zu eine Million Zuschauer ein. Es geht stetig aufwärts. Noch in diesem Sommer haben wir einmal die Grenze des Marktanteils von zehn Prozent überschritten.

Welche Themen ziehen?

Ortgies: Viele Geschichten basieren auf Leserbriefen von Frauen: Sexualität, Partnerschaft, Körper, Mutterideale. Es geht ganz häufig um die Vereinbarkeit von Job und Familie. Aber auch der Druck in puncto Aussehen nimmt rasant zu. Eigentlich behandeln wir alles, was das Frauenleben betrifft.

Was hat Sie bestürzt?

Ortgies: Das Thema Designervaginas. Dabei sparen junge Mädchen freiwillig auf eine Operation, damit ihr Genitalbereich nach dem Eingriff aussieht wie in Pornofilmen. Manche Mädchen wachsen damit auf. Sie sind dann gerade mal 13, 14 oder 15 Jahre alt. Die Zahlen häufen sich. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung.

Wie hat sich „FrauTV“ geändert?

Ortgies: Ganz am Anfang war es eher in der Nische. Themen wie Sexualität und Partnerschaft kamen nur wenig vor. Die Mischung ist bunter geworden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie viele Geschichten über Zuwanderinnen sind dazu gekommen – nicht nur Berichte über Zwangsheiraten, sondern vor allem auch Erfolgsgeschichten. Inzwischen sind viele mutmachende Berichte dabei.

„Männer versacken im Internet“

Gibt es weiterhin Tabuthemen?

Ortgies: Nein. Nicht mal in der Sexualität gibt es noch Tabus. Ein Riesending war, als wir dargestellt haben, dass immer mehr Männer für ihre sexuellen Triebe im Internet versacken. Früher waren Frauen überfordert von den Ansprüchen an die Sexualität. Heute sind Frauen häufig unterfordert. Sie beklagen sich, dass sie fingertrommelnd im Bett liegen müssen, während der Mann vor dem Computer hängt. Dazu bekommen wir Briefe, die ganze Wäschekörbe füllen.

Wer schaut sich „FrauTV“ denn an?

Ortgies: Wir sind im Vergleich zum WDR-Durchschnittspublikum sehr jung. Der Altersdurchschnitt liegt bei um die 50 Jahre. Meist finden Frauen und Männer zu uns, wenn sie Familien gründen.

Das ist ein Scherz. Männer sehen „FrauTV“?

Ortgies: Die Zahl der Männer nimmt zu. Inzwischen sind ein Drittel der Zuschauer männlich. Sexualität und Partnerschaft geht beide Seiten an. Es gibt immer etwas zu diskutieren, auch wenn sich beide Seiten darüber streiten. Wir haben auch schon über männliche Impotenz berichtet. Was bedeutet das für einen Mann, wenn er keine Kinder zeugen kann?

Die Sendung wird am späten Abend im ARD-Drittprogramm WDR gesendet. Ist das nicht eine Benachteiligung an sich?

Ortgies: Ich freue mich sehr, wenn Sie schreiben, dass das Frauenmagazin unbedingt in die ARD gehört und auf einen früheren Sendeplatz. Leider kann man sich auf so einen Platz nicht bewerben.

Autor: Fabian Wahl/dapd | Foto: Mark Keppler/dapd
Foto: Lisa Ortgies, Moderatorin der WDR-Sendung „frauTV“