Köln | aktualisiert | Mehr als 500 Menschen kamen heute Abend gegen 18 Uhr an der Keupstraße zusammen, um an die Opfer von Hanau zu gedenken und aus Köln ein Signal an die Angehörigen zu senden und sie Solidarität spüren zu lassen. Die Rednerinnen und Redner wandten sich deutlich gegen Rassismus.

Am gestrigen Mittwochabend kam es im hessischen Hanau zu Schüssen auf Menschen in zwei Shisha-Bars. Neun Menschen kamen ums Leben, mehrere wurden verletzt. Mittlerweile soll von den Verletzten niemand mehr in Lebensgefahr schweben. Die Polizei fand die Leiche des toten Mannes und seiner Mutter. Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen. Es gibt eine Internetseite die der Mann betrieb auf der er Verschwörungstheorien nachhing. Seine Tat soll rassistisch und ausländerfeindlich motiviert sein.

In einem sind sich die Sprecherinnen und Sprecher von Köln einig: In den nächsten Tagen darf nicht wie nach Halle von einem verwirrten Einzeltäter gesprochen werden. Diese Täter radikalisieren sich meist online und über sogenannte „Alternative Medien“ und stilisieren sich dort zu Märtyrern. In einem besonderen für seine fremdenfeindliche Propaganda bekannten Internetblog wird die Tat in einem Liveticker behandelt und die meisten der nicht wenigen Kommentare strotzen nur so vor Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Sofort wird noch vor Bekanntwerden des eigentlichen Täters, gegen die Menschen die in diesem Land leben und eine Shisha-Bar gehen, in den bekannten Stereotypen gehetzt. Die Opfer werden, wie in der Keupstraße lange Jahre nach dem Nagelbombenanschlag, so zum zweiten Mal zum Opfer.

Köln gegen Rechts, die Initiative die zur Kundgebung mitaufrief, schreibt: „Der Rechtsruck in Deutschland, befeuert von rechtsextremen Parteien wie der AfD, legitimiert das Handeln solcher Täter. Initiativen, wie hier in Köln „Widerstand steigt auf“, die den etablierten Medien zugunsten von Fakenews den Krieg erklärt haben, verfestigen deren gefährliches Weltbild. Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen solidarisch mit ihnen auf und kämpfen dafür, dass sie nicht unsichtbar bleiben. Unsere Wut macht uns noch entschlossener. Wir trauern.. Yas tutuyoruz.. Em xemgin…“

Prof. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit erklärt zu Hanau schriftlich: „Wenn nun Politikeröffentliche Stellungnahmen abgeben, die die Tat verurteilen, ist das gut und nötig, aber nicht ausreichend. Neonazistischer Terror fühlt sich ermutigt, wo er glaubt, eine rassistische Mehrheitsbevölkerung hinter sich zu haben. Dem Terror muss dabei mit al-len verfügbaren rechtsstaatlichen Mitteln begegnet werden; gegen den Rassismus hingegen hilft langfristig nur eine aufgeklärte Zivilgesellschaft, in die sich einzubringen wir alle aufgefordert sind.“

Die Grüne Jugend NRW: „Der rechte Terroranschlag in Hanau wurde nicht von einem Einzeltäter verübt. Die Motive für die Anschläge waren rassistisch und stehen im Kontext zur Radikalisierung durch rechte Hetzer und geistige Brandstifter im öffentlichen Diskurs. Von den Ermittlungsbehörden erwarten wir, dass die rassistischen Terroranschläge nicht weiter als „fremdenfeindlich“ bezeichnet werden. Die Opfer waren keine „Fremden“. Sie lebten hier mitten unter uns. Der rechte Terror von Hanau sollte auch einigen Mitgliedern der NRW-Landesregierung zu denken geben, inwieweit sie zum Feindbild Shisha-Bar beigetragen haben.“

Witich Roßmann, Sprecherkreis von Kölnstelltsichquer: „Hanau reiht sich nun ein in die Orte, die für immer mit politisch motivierten Morden verbunden sein werden, mit Hass und Gewalt, die sich gegen Menschen richten, die nicht dem geschlossenen Weltbild der Attentäter entsprechen. In Zeiten, in denen Björn Höcke bei einer Pediga-Demo in Dresden davon faselt, Deutschland sei ein Irrenhaus und es müsse ein Umsturz her, der dieses Land wieder in die richtige Orientierung bringe, muss man sich nicht wundern, wenn diese Worte von anderen in Gewalt umgesetzt werden. Zu viele Menschenleben haben in den letzten Jahren die Attentate mit rechtsnationalen, fremdenfeindlichen, rassistischen und demokratiefeindlichen Motiven schon gekostet. Wir werden dem weiter entschieden entgegentreten: Auf der Straße, in den Stadträten, in den Landes- und Bundesparlamenten. Bürgerinnen und Bürger, demokratische Parteien, Vereine, Initiativen, Kirchen und Gewerkschaften werden sich weiter für die Demokratie einsetzen. Zuletzt haben sie nach dem Desaster in Thüringen gezeigt, wozu die Demokratie fähig ist. Mit dem Eintreten für den Erhalt einer demokratischen, lebendigen und pluralistischen Gesellschaft können wir allen Opfern rechtsradikaler und nationalistischer Mörder ein Andenken bewahren und ihren Angehörigen unsere Solidarität zeigen. ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ Köln stellt sich quer gegen Mord, Verharmlosung und Vergessen.“

Der Integrationsrat der Stadt Köln zum Anschlag in Hanau: „Wir sind zutiefst schockiert und fassungslos über das Attentat in Hanau bei dem aus offen-sichtlich rassistischen Motiven neun Menschen kaltblütig erschossen wurden.  Wir sind entsetzt und sprachlos über diese neue Dimension des sich steigernden Hasses gegenüber Menschen aus unserer Gesellschaft und trauern mit den Angehörigen. Wir warnen davor, den Täter lediglich als wirren Einzeltäter darzustellen, denn der Rassis-mus ist in unserer Gesellschaft längst wieder hoffähig geworden und ermutigt Menschen zu solchen Taten.  Wir fordern dazu auf, sich nicht nur mit den schrecklichen Symptomen des Rassismus befassen, sondern mit dessen Ursachen. Es reicht nicht aus, sich nur mit den Faschisten und immer raffinierter agierenden Brandstiftern in der AfD zu beschäftigen, denn rechtsradikales und ausgrenzendes Gedankengut reicht längst wieder bis in die Mitte der Gesellschaf Pauschalierende Diskussionen und Berichterstattungen über Muslime und Migranten sind der Nährboden für diese Entwicklungen. Die Darstellung von Migrant*innen als „Sozialschmarotzer“, Clankriminelle, Islamisten und Integrationsunwillige zieht sich wie ein roter Faden durch die Berichterstattung. Neue populistische Diskussionen über eine ‚Deutsche Leitkultur‘ jenseits unserer Werte im Grundgesetz befördern diese ausgrenzenden Debatten.“

Zwischenrufe bei Gedenkfeier in Hanau

Bei der Gedenkfeier nach dem Terroranschlag von Hanau sind die Ansprachen von prominenten Politikern mehrfach von Zwischenrufen unterbrochen worden. Zuletzt rief eine Frau gut hörbar „das ist kein Rassismus“, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gerade seine kurze Ansprache auf dem Markt von Hanau beendet hatte. Zuvor hatte er den Zusammenhalt der Gesellschaft beschworen, ebenso wie vor ihm Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der Bürgermeister von Hanau, Claus Kaminsky (SPD).

„In dieser Stunde spüren wir, dass wir nicht alleine sind“, sagte Steinmeier. Auch am Brandenburger Tor in Berlin kamen Spitzenpolitiker verschiedener Parteien zu einer Gedenkveranstaltung zusammen. In Hanau hatte ein Attentäter am Mittwochabend zehn Menschen erschossen, darunter neun mit Migrationshintergrund und seine Mutter.
Für Karnevalsfreitag meldete Köln gegen Rechts um 18 Uhr eine Demo an, die auf dem Roncalliplatz starten soll.

Autor: Andi Goral