Köln | Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gegen drei junge Links-Aktivisten aus Köln, die „Pro NRW“ und NPD-Plakate abgehängt und beschädigt haben sollen, hat die Kölner Polizei die Personalien der Angeklagten an die NPD weitergereicht. Nach Aussagen der Beschuldigten soll dies ohne Aufforderung seitens der NPD geschehen sein. Im gestrigen Prozess gegen einen der Angeklagten wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße an eine gemeinnützige Organisation eingestellt.

Der Angeklagte wurde beschuldigt am 09.05.2012 kurz nach Mitternacht auf der Frankfurter Straße in Köln-Kalk insgesamt mindestens 12 Wahlplakate mit einem Schneidegerät aus den Halterungen geschnitten zu haben. Die Plakate fielen herunter und wurden dadurch teilweise weiter beschädigt. Zudem konnten die Wahlplakate durch das Abhängen ihren Zweck der Bürgerinformation nicht mehr erfüllen, so die Anklageschrift. Bei den Plakaten handelte es sich vorrangig um Plakate der „Pro NRW“-Bürgerbewegung sowie der NPD. Darauf waren Slogans wie „Freiheit statt Islam“ oder „Gute Heimreise“ mit Bezug auf kopftuchtragende Frauen zu lesen. Die Polizei hatte die Beschuldigten offenbar beim Versuch, ein solches Plakat abzuhängen, angetroffen. Vertreter der linken Szene haben einen Solidaritätskreis für die Angeklagten gebildet und 300 Unterschriften Kölner Bürger gesammelt, die sich damit gegen das Verfahren und die Kriminalisierung von Protest gegen Rechts aussprechen.

In einem report-k vorliegenden Schreiben an den NPD Landesverband NRW vom 21.05.2012 bittet das Kölner Polizeipräsidium um Abholung der abgeschnittenen Wahlplakate und nennt die vollständigen Namen der Beschuldigten samt Geburtsdatum. Dem Wortlaut des Schreibens ist zu entnehmen, dass die NPD bis dato nicht über den Vorfall informiert war. Somit kann es sich nicht um eine von der NPD erbetene Auskunft handeln. Der Angeklagte bekräftigte dies, in dem er die Weitergabe der Personalien als „unaufgeforderte Auskunft“ bezeichnete. Man werde Beschwerde beim Polizeipräsidium einreichen. Auf Nachfrage von report-k konnte die Pressestelle der Kölner Polizei die Datenweitergabe nicht konkret bestätigen.

Vor dem Hintergrund der NSU-Morde und dem allgemeinen Gewaltpotential innerhalb der rechten Szene sei dieser Vorgang bedenklich, so die Unterstützer der Angeklagten. In Rheinland-Pfalz hatte die mittlerweile verbotene rechte Vereinigung „Aktionsbüro Mittelrhein“ beispielsweise eigens Daten über Antifaschisten gesammelt, um im Falle von Angriffen auf Angehörige des „Aktionsbüro Mittelrhein“ Vergeltung üben zu können. Der NPD wurde mehrfach Nähe zu der kriminellen Vereinigung nachgesagt.

Bei Facebook habe eine Studentenvereinigung rechter Gesinnung bei seiner Seite auf „Gefällt mir“ geklickt, so der Angeklagte. Diesen Vorgang kann man, anders als bei Freundschaftsanfragen, nicht verhindern. Ansonsten seien ihm bisher keine Reaktionen aus der rechten Szene bekannt.

Gegen Zahlung einer Geldbuße von 250 Euro an eine gemeinnützige Organisation, namentlich Amnesty International, wurde das Verfahren gegen den Angeklagten Niko H. eingestellt. Der Links-Aktivist ist damit nicht vorbestraft und das Verfahren wird nicht in seiner Akte vermerkt werden. Der Anwalt des Angeklagten bezeichnete dies als „gewissen Rückzieher der Staatsanwaltschaft“. Das Ergebnis des Verfahrens sei keine Kriminalisierung des Protests. Auf politischer Ebene habe man sich zu 100 Prozent durchgesetzt, so Niko H.. Am Freitag beginnt der Prozess gegen eine weitere Beschuldigte.

Autor: Christian Bauer
Foto: Der „Solikreis Lisa und Niko“ mit dem Angeklagten vor dem Kölner Amtsgericht.