Köln | Normalerweise würden auf dem Boulevard am Deutzer Rheinufer gerade rund hundert Schaustellerbetriebe ihre Buden und Fahrgeschäfte aufbauen. Wie in jedem Jahr sollte ab kommendem Samstag am rechten Rheinufer die Deutzer Oster-Kirmes stattfinden. Doch wie alle Großveranstaltungen wurde auch diese Veranstaltung im Zuge der Corona-Krise abgesagt. Anstatt Fahrgeschäfte gab es auf dem Kirmesplatz nun Utensilien für andere „Geschäfte“ – 256 Packungen Klopapier wollten die Corona-bedingt arbeitslosen Schausteller an Anwohner und Passanten verteilen – bis die Polizei der gut gemeinten Aktion ein vorschnelles Ende setzte.

Otto Weber von der Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS), der Osterhase, Tanja Hoffmann und Willi Krameyer vom GKS wollen Gutes tun und gleichzeitig auf die Situation der Schausteller aufmerksam machen. Rund 7000 Schaustellerbetriebe sind bald existentiell von der Krise bedroht. (Foto: Brand)

Einige Anwohner, die vorab mit Flyern in den Briefkästen oder über die nachbarschaftliche Facebook-Seite „Düxer Klüngel“ über die Klopapier-Verteil-Aktion informiert worden waren, waren gekommen, um sich mit dem derzeit so heiß begehrten Material einzudecken. Wie es die aktuellen Regeln erfordern natürlich mit entsprechendem Abstand. Akkurat reihten sich die Bürger mit zwei Meter Abstand in die Schlange vor dem aufgetürmten Wand von Klopapier-Packungen ein.

„Wir sind Schausteller – unser Geschäft ist es den Menschen Freude zu bringen“, so die Begründung der Schausteller für die lustige Aktion. Denn Klopapier scheint für die meisten Kölner momentan die größte Freude zu sein. Tatsächlich ging es den Schaustellern bei der humorvollen Aktion jedoch darum, auf ihre derzeitige Notsituation aufmerksam zu machen. Deutschlandweit sind nun bis zu 7000 Schausteller-Betriebe vorerst arbeits- und umsatzlos. Die rund 80 Fahrgeschäfte-Betreiber der Deutzer Osterkirmes hoffen darauf, dass die Kirmes im Sommer nachgeholt werden kann oder zumindest die finanziellen Hilfspakete besser auf sie zugeschnitten werden. Maximal drei Monaten halten die meisten es noch ohne Umsätze aus. Die letzten Einnahmen gab es auf den Weihnachtsmärkten im Dezember. Nicht weniger Schausteller sind derzeit bereit kurzfristig auch in anderen Branchen einzuspringen, wenn dort Not am Mann herrscht, berichtet Otto Weber von der Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS).

„Viele Schausteller stünden auf kurzem Dienstweg sofort bereit, um woanders einzuspringen, wenn Anfragen kämen“, sagt Weber. „Genug ‚Manpower‘ wäre auf jeden Fall vorhanden“, so der Betreiber eines Autoscooters, der sich die Klopapier-Aktion ausgedacht hat.

In anderen Bundesländern konnten die Schausteller bereits das Technische Hilfswerk bei der Organisation von Suppenküchen für Obdachlose unterstützen oder als LKW- oder Güterzugfahrer einspringen, um die Lebensmittelbranche zu beliefern. Eigentlich braucht es dafür einen speziellen, gewerblichen Führerschein. Doch momentan gelten für systemrelevante Berufe wie diese aus Personalmangel Ausnahmeregeln, erklärt Willi Krameyer von der GKS.

Gut ein Drittel der 256 Klopapier-Packungen wurden bei der Aktions unters Volk gebracht, bevor die Polizei das Ende der Aktion forderte. Die restlichen Packungen, die Weber übrigens einem befreundeten Toilettenhäuschen-Betreiber für den guten Zwecke zum Einkaufspreis abgekauft hat, wollen die Schausteller nun an lokale Krankenhäuser oder Pflegeheime verschenken.

Autor: Julia Katharina Brand
Foto: Schaustellerin Tanja Hoffmann vom Aufsichtsrat der Gemeinschaft Kölner Schausteller verteilt eine Packung Klopapier an eine junge Anwohnerin. Rund 30 Anwohner und Passanten freuten sich über eine geschenkte Packung Klopapier. (Foto: Brand)