Köln | Wer dem Kalkberg einen Besuch abstattet, der stößt auf bizarr gewachsene Bäume, die Hinterlassenschaft einer Kabeldiebesbande, Wohlstandsmüll und völlig unverhofft auf Öl, oder eine Flüssigkeit, die wie Öl aussieht und auch so stinkt. Der Kalkberg ist frei zugänglich und eigentlich eine Industriedeponie. Eine Deponie, die den wenigsten Kölnerinnen und Kölnern überhaupt als Deponie ein Begriff sein dürfte. Dort sollen in Zukunft die Rettungshubschrauber für das Rheinland stationiert werden. Der Ölfund wirft allerdings Fragen auf.

Der Kalkberg gehört jetzt der Stadt Köln

Eigentlich verniedlicht die Namensgebung eine Landmarke mitten in Köln, neben Stadtautobahn, Musikaliengroßhandel, Siedlungsbau, Kleingartenanlage und Bolzplatz. Es ist die ehemalige Deponie der Chemischen Fabrik Kalk, die bis unter die Stadtautobahn reicht und heute auf den Namen Altlast 80206 hört. Am 28.6.2012 hat der Kölner Rat in geheimer Sitzung die 77.684 qm große Fläche für den symbolischen Preis von 1 Euro gekauft. Die Kosten für Flächen die direkt daran angrenzen schlugen mit 456.671 Euro zu Buche. Insgesamt gehört jetzt der Stadt Köln dort eine Fläche von 82.093 qm, mitsamt aller Lasten und Pflichten. Das Grundwasser unterhalb des Kalkberges ist mit Cyaniden und Chloriden über bestehende Grenzwerte hinaus belastet. Die Stadt rechnet, so die Beschlussvorlage der Verwaltung, mit weiteren Kosten für Untersuchungen, die aus diesen Belastungen resultieren, von rund 416.500 Euro.

Öl am Kalkberg?

Wir befinden uns auf der nordwestlichen Flanke des Kalkberges in einer kleinen Senke. Es riecht nach Öl und es sieht aus wie Öl. Es ist jedoch kein Erdöl auf das ein Mitglied der Bürgerinitiative Kalkberg auf der Deponie gestoßen ist, sondern vermutlich Altöl. An einigen Stellen der bislang unsanierten Westflanke der Deponie kann man das Öl wenige Zentimeter unterhalb der Oberfläche finden. Mit einer einfachen Metallsonde lässt sich das Öl am Fundpunkt bis in eine Tiefe von ca. 1,5 m nachweisen. An diesen Stellen kann man buchstäblich bis zu den Knien in Öl einsinken. Auf eine Anfrage von report-k.de zum Altlastenstatus des Kalkberges teilte die Stadt mit: „Es handelt sich um eine zwischen 1930 und 1973 mit Produktionsrückständen aus der chemischen Industrie aufgeschüttete Halde. Untersuchungen zu Schadstoffbelastungen wurden 1993 bis 1997 durchgeführt und mündeten in einem 1999 zwischen uns und der Eigentümerin geschlossenen Sanierungsvertrag. Im Rahmen der Verpflichtungen aus dem Sanierungsvertrag ist der Kalkberg mit geeignetem Material abgedeckt und eine Versickerungsanlage zum Ableiten des anfallenden Niederschlagswassers gebaut worden. Beeinträchtigungen für das Umfeld konnten so ausgeschlossen werden. 2011 wurden bisher nicht bekannte Belastungen des Grundwassers durch Cyanide und PAK festgestellt. Diese Grundwasserbelastungen werden derzeit untersucht.“ Professor Ernst Drösemeier, Leiter des Umweltamtes der Stadt Köln, erklärte dass der Berg „ganz sicher nicht giftig“ sei. Er bestehe komplett aus Kalzium- und Sodaschlämmen, Aschen und Schlacken, die hart geworden seien, so zitiert ihn ein Kölner Medium.

Gehen wir zurück in die Historie

Der Kalkberg ist eine Deponie, die aus Produktionsrückständen der ehemaligen Chemischem Fabrik Kalk (CFK) besteht. Am Standort produzierte die im Jahre 1858 gegründete CFK Düngemittel aus Kali- und Steinsalzen im sogenannten Solvay-Verfahren. Die bei der Produktion anfallenden Kalkschlämme, Restsalze, Aschen und Schlacken wurden im Kalkberg deponiert. Nach der Schließung der CFK im Jahr 1993 wurde auch der Bauschutt aus dem Abriss der Produktionsgebäude zum Teil im Kalkberg verbaut. Das Spitze des Kalkbergs liegt ca. 30 m über Niveau und eröffnet dem Betrachter einen beeindruckenden 360 Grad Panoramablick über Köln. Auf dem im rechtsrheinischen Stadtteil Köln-Kalk gelegenen Kalkberg plant die Stadt Köln seit 2005 die Errichtung einer Hubschrauberbasisstation zum Einsatz von Rettungshubschraubern. Das Umweltamt der Stadt Köln betont seit Jahren, dass die Ablagerungen im Kalkberg ungiftig sind und beruft sich hierbei wesentlich auf ein TÜV-Gutachten von 1995. Wie kommt das Öl nun auf den Berg?

Öl als Bindemittel für Kalkstaub?

Dass man auf einer Deponie mit einer Grundfläche von 63.000 m² und einem Volumen von 1,2 bis 1,6 Mio. m³ (DMT 2011) so einiges verstecken kann, mutmaßten die Mitgliedern der Bürgerinitiative Kalkberg schon länger, so einer der Mitstreiter gegenüber report-k.de. Die Überraschung über den Ölfund sei trotzdem groß gewesen. Nach mehreren Geländebegehungen und intensiven Recherchen vertritt die Bürgerinitiative folgende Theorie zur Herkunft des Öls: Mit zunehmender Höhe des Kalkbergs bekam die CFK immer größere Probleme mit Staubverwehungen, die die angrenzenden Stadteile Buchforst und Kalk bei starken Westwinden sprichwörtlich einkalkten. Um das Problem der Staubverwehungen in den Griff zu bekommen, entwickelte und patentierte die CFK eigene Verfahren zur Versiegelung von Deponien. Demnach wurde Klärschlamm aus der Soda-Fabrikation mit Restsalzen und Wasser gemischt, um diese Mischung dann als Bindemittel gegen Staubemissionen auf die Kalkhalden aufzubringen (Patent DE 28 03 251, 26.01.78). Vor 1978 hat die CFK aber scheinbar regelmäßig ein anderes Bindemittel zur Bekämpfung der Staubverwehungen verwendet und zwar Öl, vermutet Tim Scheuch, Mitglied der Bürgerinitiative und Diplom Geologe. Wenigstens auf der besonders exponierten Nord-Westflanke des Kalkbergs wurde flächendeckend Öl als Bindemittel für Staub über die Kalkhalden verteilt, so die Hypothese. Reste des verhärteten Öl-Staubgemischs lassen sich noch heute an mehreren Stellen auf der Westflanke des Kalkbergs finden. Die Bürgerinitiative glaubt nun, dass frei nach dem Motto – viel hilft viel – größere Mengen Öl auf die Halde aufgebracht wurden, um den lästigen Kalkstaub zu binden. Das überschüssige Öl hat sich dann in kleinen Senken gesammelt, in denen es noch heute, sogar an der Oberfläche, aufgefunden werden kann. Die Bürgerinitiative befürchtet nun, dass das in diesen Senken gesammelte Öl über Jahrzehnte in die Deponie einsickern konnte und seitdem die Umwelt und das Grundwasser unterhalb des Kalkbergs bedroht.

Als Jugendlicher konnte Herr Lothar Rottländer (Gründungsmitglied der BI Kalkberg) in den 50 und 60er Jahren Beobachtungen machen, die den Ölfund in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen. Laut Rottländer hat es im Hochsommer regelmäßig auf dem Kalkberg gebrannt, so dass die Kölner Feuerwehr zu Löscheinsätzen ausrücken musste. Die Halbstarken aus Buchforst und Kalk haben den Feuerwehrmännern dann geholfen die C-Schläuche von der Kalk-Mülheimer Straße aus, die steilen Hänge des Kalkberges hinaufzutragen. Da auf der Deponie offiziell ausschließlich unbrennbare Schlämme und Schlacken abgelagert worden seien, stellen sich heute die Mitglieder der Bürgerinitiative die Frage, was damals gebrannt hat. Etwa Öl?

Kein PCB aber vermutlich PAK

In Zusammenarbeit mit report-k hat die BI Kalkberg zwei Ölproben am Fundpunkt genommen und von einem unabhängigen Institut auf ihren PCB-Gehalt hin untersuchen lassen. Die gute Nachricht ist, dass das Öl keine polychlorierten Biphenyle (PCB) enthält. Der Gesamtchlorgehalt der Proben von ca. 0,2 Gewichtsprozenten lässt allerdings vermuten, dass das Öl mit anderen chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) verunreinigt ist. Darüber hinaus sind Altöle in der Regel mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) belastet, die seit den 80er Jahren als giftig und krebserregend eingestuft werden. Im Grundwasser mehrerer Brunnen wurden im Nahbereich des Kalkbergs zwischen 1991 und 1995 sowohl PAK, CKW als auch Mineralöl-Kohlenwasserstoffe nachgewiesen (DMT 2011). Eine Vollanalyse des am Kalkberg gefundenen Öls und der betroffen Böden wäre also dringend angezeigt. Warum die Öl-Kontamination bei den bisherigen Untersuchungen des Kalkbergs übersehen wurde, erschließt sich den Mitgliedern der BI Kalkberg nicht. Der Ölfund lässt aber befürchten, dass der Kalkberg weitere unangenehme Überraschungen für die Stadt Köln bereit hält und das die geplanten Untersuchungen eigentlich nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen. Zudem müssen die Stellen, wo sich das Öl befindet, umgehend saniert werden.

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Die BI Kalkberg hat auch eine Internetpräsenz, die Sie hier finden.

Autor: ag, chs
Foto: Auf dem Kalkberg gibt es einen ölartigen Stoff in größeren Mengen