Köln | In seiner Sitzung am 11. September entscheidet der Ausschuss Kunst und Kultur des Kölner Stadtrates über einen Gedenkort in Köln Müngersdorf, der heute Kleingartenanlage und Parkplatz bei Heimspielen des 1. FC Köln ist. An den Ort, der zur Zeit des Dritten Reichs ein Deportationslager für jüdische Menschen war, aus Köln und der Region. Heute steht dort nur ein Findling mit einer Messingplatte. Der Bürgerverein Köln-Müngersdorf ergriff die Initiative, die Schwester und Nachlassverwalterin des Architekten und Künstlers Simon Ungers erklärte sich bereit den Entwurf für die Skulptur „Wall“ zu stiften und das NS-Dokumentationszentrum gab Impulse für die Ausgestaltung des Gedenkortes. Report-K sprach mit Hildegard Jahn-Schnelle, Vorsitzende des Bürgervereins Köln-Müngersdorf.

Der Antrag kommt jetzt, nach Beratung im Naturschutzbeirat und Kunstbeirat in die Ratsausschüsse, am 27. September soll dann der Kölner Rat entscheiden, ob er die Schenkung durch den Bürgerverein Köln-Müngersdorf annimmt. Am 11. September diskutiert der Ausschuss Kunst und Kultur. Die Schenkung aus dem Nachlass von Simon Ungers wird mit 100.000 taxiert, die Gesamtkosten auf 300.000 Euro geschätzt. Der Rat der Stadt Köln steuert 150.000 aus dem Haushalt bei. Der Verein muss rund 50.000 Euro durch Spenden einwerben.

Im Jahr 1981 wurde auf dem Gelände des ehemaligen Fort V ein Findling mit einer Gedenkplatte aufgestellt. Der muss heute bei Heimspielen des 1. FC Köln mit einem Gitter geschützt werden, damit er nicht beschmiert wird oder schlimmer noch genutzt wird, um sich zu erleichtern. Das Deportationslager Müngersdorf hat nach Einschätzung des NS-Dokumentationszentrums einen gleich hohen Stellenwert, wie das Messelager und das EL-DE-Haus. Ein Ort der im öffentlichen Bewußtsein der heutigen Zeit nicht mehr präsent ist. Viele Menschen joggen oder reiten daran vorbei, führen den Hund Gassi. An einem Ort, an dem Verfolgung in der NS-Zeit stattfand. Die Menschen wurden zunächst in den Kasematten des Fort V interniert. Dieses war mittlerweile im ersten Weltkrieg zu einem Gefängnis umgebaut worden. Schnell war klar, dass der Platz dort nicht reichen würde. Juden aus Köln und der Region wurden in Müngersdorf zusammengetrieben. Die Stadt Köln baute ein Barackenlager.

1941 lebten noch 5.500 Juden in Köln. In nur drei Monaten deportierte man die Hälfte der Menschen Ende 1941 in die Ghettos nach Riga und Litzmannstadt. Die verbliebenen Menschen pferchte man in Müngersdorf zusammen. Sie lebten in einer ausweglosen Situation über Monate unter völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen. Viele der Inhaftierten starben vor der Deportation an Krankheiten und Erschöpfung. 1942 wurden die Menschen aus Müngersdorf ins Ghetto Theresienstadt und die Vernichtungsorte transportiert.

Das NS-Dokumentationszentrum hat zum Konzept gemeinsam mit dem Bürgerverein und Sophia Ungers beigetragen. Auf den drei Info-Quadern sind folgende Texte (aus der Vorlage für den Ausschuss Kunst und Kultur) vorgesehen (kursiv gesetzt):

Infotafel Fortlager“ = Information zu Fort, Deportationen und Kunstwerk

Gedenkort ehemaliges Haft- und Deportationslager Köln-Müngersdorf

Sie befinden sich hier auf dem Terrain des 1874 errichteten Fort V, das 1918 aufgelassen wurde. Ursprünglich gehörten zu ihm weitläufige Gebäude aus Ziegelstein mit Kellerräumen sowie eine An-zahl von Holzbaracken. Im Herbst 1941 entschieden die NS-Behörden, die stark verfallenen Bauten zur Internierung der jüdischen Bevölkerung Kölns und der Region zu nutzen. Kurz darauf mussten zunächst jüdische Männer in das Fort einziehen, um weitere Lagerbaracken zu errichten.

Hunderte jüdischer Frauen, Männer und Kinder wurden im Laufe der folgenden Monate in den modri-gen Gebäuden und Kasematten interniert. Zeitweise mussten bis zu 2.000 Personen im Fort und in den Baracken leben. Das Lagergelände durfte nur mit Genehmigung verlassen werden. Viele der Inhaftierten hatten Zwangsarbeit in Kölner Betrieben zu leisten.

In den Räumen des Forts herrschte drangvolle Enge, die hygienischen und sanitären Verhältnisse waren völlig unzureichend. In dieser für sie ausweglosen Lage versuchten die Inhaftierten, sich ge-genseitig religiöse, psychische und medizinische Unterstützung zu geben. Von Juni 1942 bis Spät-sommer 1943 erfolgten von hier aus Deportationen in die Vernichtungsstätte Trostenez bei Minsk sowie, über Berlin, in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die meisten der hier inhaftiert gewesenen Männer, Frauen und Kinder wurden in das Ghetto Theresienstadt und von dort in die NS-Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka deportiert. Nur wenige überlebten.

Das an dieser Erinnerungsstätte errichtete Ensemble wird geprägt von einem Kunstwerk, das nach einem Entwurf des Kölner Architekten und Künstlers Simon Ungers (1957–2006) angefertigt wurde.

Infotafel“ = allgemeine Informationen an der Kreuzung

Gedenkort ehemaliges Haft- und Deportationslager Köln-Müngersdorf

Von 1941 bis 1945 befand sich im Bereich des heutigen Walter-Binder-Weges das „Sammellager Müngersdorf“. Es wurde auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei in Zusammenarbeit mit städti-schen Behörden seit Herbst 1941 errichtet und von der Geheimen Staatspolizei Köln betrieben. Das Lager bestand aus den Räumlichkeiten des ehemaligen preußischen Fort V, von dem nur noch Fundamentreste erhalten sind, sowie einem Barackenlager, auf dessen Gelände sich heute eine Kleingartenanlage befindet.

Das „Sammellager“ markierte den Endpunkt der innerstädtischen Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung. Sein Zweck war die Internierung der jüdischen Bevölkerung aus Köln und Region, um sie von hier aus in Ghettos und Todeslager im deutsch besetzten Osteuropa zu deportieren. Das Barackenlager diente seit 1943 der Unterbringung von ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, 1944/45 nutzte die Gestapo es erneut als Haftstätte, diesmal für verschiedene jüdische und nichtjüdische Personengruppen.

Auf Beschluss des Rates der Stadt Köln erinnerte seit 1981 am Wegesrand ein Findling mit einer da-rauf angebrachten Tafel an das Deportationslager. Auf Initiative des Bürgervereins Köln-Müngersdorf erfolgte eine grundsätzliche Neugestaltung der historischen Stätte. Die ehemaligen Lagerbereiche sind nun nachvollziehbar, über die Bedeutung des Lagers wird informiert und ein nach einem Entwurf von Simon Ungers gestaltetes Kunstwerk dient als Ort des Gedenkens. Das Material von Weg und Podesten greift die aus Backsteinen errichteten Gebäude des früheren Forts auf.

Infotafel Barackenlager“ = Information zu Barackenlager als Internierungs-, Zwangsarbeiter- und Gestapolager

Gedenkort ehemaliges Haft- und Deportationslager Köln-Müngersdorf

Die Kleingartenanlage befindet sich auf dem Gelände eines ehemaligen Barackenlagers, das von 1942 bis 1945 als Haft- und Deportationslager vom NS-Regime betrieben wurde. Anhand der Wege-führung sind die Struktur und die Ausdehnung dieses Lagers auch heute noch zu erkennen.

Von den ursprünglich 36 geplanten Holzbaracken wurden lediglich 12 in Einfachbauweise und ohne Heizung fertiggestellt. Seit Anfang 1942 mussten Hunderte jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Köln und der Region in dem halbfertig gebauten Lager ohne befestigte Wege, Kanalisation, fließendes Wasser und ausreichend sanitäre Anlagen leben. Bis Ende 1943 wurden sie alle in Ghettos und Vernichtungslager deportiert. Nur wenige überlebten.

Das Barackenlager diente 1943/44 der Firma Eichhorn Bauunternehmung als „Gemeinschaftslager“ zur Unterbringung von Arbeits- und Zwangsarbeitskräften verschiedener Nationalität. Ab September 1944 internierte die Kölner Gestapo hier jüdische Männer und Frauen, die in „Mischehen“ lebten, sowie Männer, Frauen und Kinder, die als „Halbjuden“ galten. Viele von ihnen wurden von hier aus deportiert.

Nachdem im Oktober 1944 das Haftlager der Gestapo in der Kölner Messe bei einem Bombenangriff zerstört worden war, überführte sie die Gefangenen, darunter „Halbjuden“, ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie andere in Haft genommene Personen in den Lagerkomplex des Forts. Nach und nach wurden die Gefangenen angesichts des Vormarschs der Alliierten im Westen in Justizgefängnisse und Zuchthäuser überstellt. Der letzte Evakuierungsmarsch verließ am 1. März 1945 Müngersdorf in Richtung eines Gestapolagers in Hunswinkel im Sauerland. Fünf Tage später erreichten US-amerikanische Truppen Köln.

Alternativstandort wird abgelehnt

Die untere Naturschutzbehörde und der Stadtkonservator haben sich für den Gedenkort ausgeprochen. Die Bürgerinitiative zum Schutz des Landschafts-schutzgebiets LSG – L11 im Stadtteil Köln-Müngersdorf wollte den Vorschlag des Gedenkortes an einen anderen Ort verlagert sehen. Sie wollten die Aufstellung des Kunstwerkes am Ende des Walter-Binder-Wegs am „Wilden Parkplatz“ erreichen, mit der Begründung „naturschutzverträgliche Alternative“. Allerdings liegt auch dieser Ort im Landschaftsschutzgebiet. Man befürchtete zudem, dass zwischen den Orten des Geschehens und dem dann abseits gelegenen Kunstwerk kein wirklicher Gedenkort entstehen kann.

Es gibt eine Petition für den Gedenkort Deportationslager Köln-Müngersdorf

Autor: Andi Goral