Köln | Ein heute 21-jähriger Mann hat vor der 5. Zivilkammer des Kölner Landgerichts das Land NRW erfolgreich auf Verletzung der Amtspflichten verklagt. Wie hoch die Entschädigung dafür ausfällt, steht allerdings noch nicht fest.

Das aber könnte das Land teuer zu stehen kommen. Der Mann kam Anfang 2009 von Bayern nach NRW. Dort war er zuletzt im Jahr 2004 von einem Gutachter als „geistig behindert“ eingestuft und einer entsprechende Schule zugewiesen worden. Ab Januar 2009 wechselte er dann mit dem Umzug nach NRW auf eine Förderschule in Köln-Poll. Das wurde erst im November 2014 beendet. Gründe dafür waren die Vollendung des 18. Lebensjahres sowie „besonders viele Fehltage“.

Der Kläger ist der Ansicht, das Land NRW habe seine Amtspflichten ihm gegenüber insbesondere dadurch verletzt, dass entgegen der gesetzlichen Vorgaben sein Förderbedarf nicht jährlich überprüft worden sei. Wäre dies ordnungsgemäß geschehen, hätte das beklagte Land erkennen können und müssen, dass der Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung falsch gewesen sei. Mit dem richtigen Förderschwerpunkt hätte er früher den Hauptschulabschluss erreichen können.

So geschehen hätte er mit 16 Jahren eine Ausbildung beginnen und im Anschluss daran eine Berufstätigkeit aufnehmen können. Den Verdienstausfall bezifferte er auf knapp 40.000 Euro (39.769,20 Euro). Außerdem habe er wegen der erlittenen psychischen Schäden, insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 20.000 Euro.

Richter geben dem Kläger Recht – Höhe des Schadensersatzes noch nicht geklärt

In ihrem Urteil gaben die Richter der 5. Zivilkammer dem Kläger am heutigen Dienstag in weiten Teilen Recht. Tatsächlich habe das beklagte Land in diesem Fall seine Amtspflichten verletzt. Zwar sei nicht unbedingt eine erneute Begutachtung unmittelbar bei Anmeldung des Klägers nach dem Umzug nach Köln erforderlich gewesen. Jedenfalls aber bei der jährlichen Überprüfung des Förderbedarfs hätte der Schule auffallen müssen, dass der Kläger keinen Förderbedarf im Bereich Geistige Entwicklung hatte. Bereits mit Erteilung des ersten Zeugnisses im Juni 2009 hätten genug Anhaltspunkte für eine eingehende Überprüfung vorgelegen. Die im Jahr 2004 in Bayern getroffenen gutachterlichen Feststellungen konnten im Jahr 2009 keine ausreichende Grundlage mehr darstellen.

Die Entscheidung im Jahr 2009, den Kläger weiterhin auf der Förderschule für geistige Entwicklung zu belassen, beruhe auf einer nicht vertretbaren Auslegung der Ausbildungsordnung. Die Kammer ist schließlich auch davon überzeugt, dass bei der gebotenen Prüfung der falsche Förderschwerpunkt festgestellt worden wäre und der Kläger auf eine andere Schule hätte wechseln können, auf der er zeitnah einen Hauptschulabschluss hätte erwerben können, so die Richter in ihrer Urteilsbegründung weiter.

Über die Höhe der vom Land zu leistenden Entschädigung ist noch keine Entscheidung gefallen. Hierzu beabsichtigt die Kammer eine weitere Beweisaufnahme durchzuführen. Das Land NRW kann gegen das Urteil Berufung vor dem Oberlandesgericht einlegen. Die Kammer hat außerdem einen weiteren Beweisbeschluss verkündet, der erst nach Rechtskraft des Grundurteils – ggf. also erst nach Abschluss eines diesbezüglichen Berufungsverfahrens – zur Ausführungen gelangen wird. Mit dem Beweisbeschluss soll aufgeklärt werden, welche konkreten psychischen Folgen die fehlerhafte Beschulung für den Kläger hatte, hieß es dazu abschließend.

Das Urteil des Landgerichts vom heutigen Dienstag (17. Juli 2018) trägt das Aktenzeichen: 5 O 182/16.

Autor: rk
Foto: Das Landgericht Köln sitzt im Kölner Justizzentrum an der Luxemburger Straße. Hier fiel heute ein wichtiges Urteil für einen 21-Jährigen.