Köln | Chorweiler nahm Abschied von Lea Sophie, mit einer bewegenden und stillen Zeremonie. Jetzt brennt eine Kerze mit dem Namen „Lea Sophie“ und hunderte Ballons schwebten mit Botschaften in den hellblauen Kölner Winterhimmel. Erst nächste Woche soll die Urne von Lea Sophie beigesetzt werden.

Es ist kurz vor 16 Uhr als die Menschen vom Pariser Platz mit den vielen Stofftieren und Geschichten ins Bezirksrathaus Chorweiler gehen und sie dort auf einem Tisch niederlegen. Ein Bild von Lea Sophie steht auf einer Staffelei, Kerzen brennen, der Raum ist dunkel und still. „Somewhere over the rainbow“ wird vorgetragen. Als Bettina Wegners Lied „sind so kleine Hände“ erklingt können viele Menschen ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Elfi Scho-Antwerpes machte deutlich, dass das wichtigste Gut in unserer Gesellschaft die Kinder seien, weil sie unsere Zukunft seien. Sie zu achten, zu beschützen und ihr Aufwachsen zu begleiten ist unsere vorrangige Aufgabe.“ Der evangelische Pfarrer Bernhard Ottinger-Kasper spricht aus, was viele Denken und gibt zu bedenken, dass einen Gott der das Dunkle und Böse wegzaubere nicht geben werde. Von den Vertretern der Stadt forderte er die Sozialpolitik so zu gestalten, das in der Not geholfen werde, bevor es zur Katastrophe, wie im Fall von Lea Sophie komme. Sparen sei nicht der richtige Weg, mahnte Ottinger-Kasper.

Die Bezirksbürgermeisterin von Chorweiler Cornelie Wittsack-Junge sprach aus, was viele dachten: „Kinder mit ihrer bedingungslosen Liebe und ihrem Urvertrauen, aber auch ihrer Hilflosigkeit bedürfen unseres besonderen Schutzes. Diesen Schutz hat Lea Sophie am Ende ihres viel zu kurzen Lebens nicht mehr erhalten.“ Für Lea Sophie wurde eine Kerze entzündet und die rund 300 Menschen aus dem Veedel, darunter viele Kinder und Familien, schrieben Botschaften auf kleine Zettel, die sie mit Ballons gemeinsam in den Himmel schickten.

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Die Reden der Bürgermeisterinnen im Wortlaut

Rede der Bezirksbürgermeisterin in Chorweiler Cornelie Wittsack-Junge anlässlich der Gedenkfeier für Lea Sophie am 11.1.2013 [Im Wortlaut]

Liebe Anwesende,

Lea Sophie ist, allein gelassen über Tage, vereinsamt, eines gewaltsamen Todes gestorben. Diese schreckliche Tatsache macht uns fassungslos und sehr traurig.

Auch wenn die meisten von uns Lea Sophie nicht kannten, berührt uns ihr Schicksal unmittelbar. Denn wir verbinden mit Kindern unsere Hoffnung auf Zukunft. Kinder symbolisieren das Leben an und für sich. Kinder mit ihrer bedingungslosen Liebe und ihrem Urvertrauen, aber auch ihrer Hilflosigkeit bedürfen unseres besonderen Schutzes. Diesen Schutz hat Lea Sophie am Ende ihres viel zu kurzen Lebens nicht mehr erhalten.

Der Trauer über diesen Tod haben seit dem Bekannt werden viele Menschen in Chorweiler durch das Aufstellen von Kerzen, Plüschtieren und Briefen auf dem Pariser Platz im Zentrum des Stadtbezirks Ausdruck verliehen. Als ich am 4. Advent diese mannigfaltigen Zeichen der Trauer gesehen habe, war ich von der großen Anteilnahme der Menschen aus Chorweiler tief bewegt. Jedes Mal, wenn ich in den vergangenen Wochen nach Chorweiler gekommen bin, habe ich erst einmal auf dem Pariser Platz inne gehalten.

Besonders berührt hat mich die emotionale Beteiligung und die Ernsthaftigkeit der Menschen, die hier im Gedenken an Lea Sophie zusammen gekommen sind – viele ernste Gespräche von Familien mit Kindern, von Jugendlichen und von älteren Menschen, schmerzhaft zu erfahren und doch aufbauend und ermutigend. Es war beeindruckend zu beobachten, dass Schulkinder sich gegenseitig die dort abgelegten Briefe und Gedichte vorgelesen haben. Liebevoll wurden immer wieder die Plüschtiere, die herunter gefallen waren, auf die Mauer gesetzt.

Die Kerzen, die vom Regen und vom Wind ausgegangen waren, wurden immer wieder angezündet. Ich glaube, dass das Licht der Kerzen in der Dunkelheit uns allen viel Trost gespendet hat. Diese große Anteilnahme hat den Menschen in Chorweiler ein neues Gemeinschaftsgefühl vermittelt. In ihrer Anteilnahme waren sie nicht allein! Viele haben gesagt: „Wir müssen besser auf einander, auf unsere Nachbarn achten.“ An diesen Satz – das sollte uns Verpflichtung sein – werden wir uns im Alltag immer wieder erinnern.

Mit diesem gemeinsamen Empfinden der Trauer und des Mitgefühls nehmen wir heute Abschied von Lea Sophie. Aber bei allem Schmerz angesichts der Umstände ihres Todes wollen wir heute an Lea Sophie als ein lebenslustiges kleines Mädchen – wie sie war – denken. Sie war lebensfroh wie auf diesem Foto, aufgeschlossen gegenüber der Welt, neugierig, bereit diese Welt zu erfahren und zu lieben!

Sie war eine Zweijährige, die gerade anfing sprechen zu lernen und die gerne mit den Nachbarskindern spielte. Zu ihren Lieblingsspielzeugen gehörten ein Bobby-Car und ihr Puppenwagen. Bei gelegentlichen Besuchen mit dem früheren Lebenspartner der Mutter im Marie-Juchacz-Zentrum wurde sie von den Bewohnern und den Mitarbeitern als ein fröhliches Kind erlebt, wie mir die Leiterin des Marie-Juchacz-Zentrums erzählt hat.

Ein fröhliches kleines Mädchen – so sollten wir Lea Sophie in Erinnerung behalten. Zum Abschluss hören wir Lea Sophies Lieblingsschlaflied „Guter Mond, du gehst so stille“. Ich möchte Sie bitten, während des Liedes noch einmal in aller Stille an Lea Sophie zu denken. Nach dem Lied haben Sie am Ausgang die Gelegenheit sich mit einem Gruß, den Sie auf eine Karte an einem Luftballon schreiben können, von Lea Sophie zu verabschieden.

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Rede der Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes anlässlich der Trauerfeier für Lea Sophie [Im Wortlaut]

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kinder, liebe Bürgerinnen und Bürger von Chorweiler,

wir kommen heute hier zusammen, um der kleinen Lea Sophie zu gedenken.

Mich traf die Nachricht, dass das vermisste Mädchen tot aufgefunden worden sei, wie ein Schlag. Nach Stunden der Besorgnis und der Unruhe wurden die schlimmsten Befürchtungen wahr, und ich war sehr traurig. Ich denke, so ging es wohl den allermeisten von uns. In Gedanken schon fast beim bevorstehenden Weihnachtsfest – für viele von uns das Fest der Familie und der Liebe – wurden wir alle damit konfrontiert, dass es sinnlose tödliche Gewalt gibt in dieser Stadt – und unkontrollierte Wut gegen ein Kleinkind.

Die Nachricht von Lea Sophies Tod ist regelrecht eingeschlagen in unsere Stadtgesellschaft. Überall in Köln hat er bei den Menschen blankes Entsetzen ausgelöst. Aber hier in Chorweiler ging in diesen Tagen etwas ganz Besonderes vonstatten. Das hat mich tief berührt. Spontan und in kürzester Zeit fanden die Menschen auf dem Pariser Platz zusammen. Sie stellten Kerzen auf, legten Blumen und Spielsachen nieder, und vor allem: sie waren beisammen, sie sprachen miteinander über ihre Gefühle, sie öffneten sich für ihre Nachbarn und Bekannten, aber auch für wildfremde Menschen, mit denen sie ihre Empfindungen teilen konnten. Ich finde es sehr beeindruckend, dass die Menschen hier vor Ort so aufeinander zugehen können, dass sie gemeinsam trauern und sich gegenseitig Trost aussprechen. Das Schicksal der kleinen Lea Sophie hat die Menschen in unserer Stadt vereint.

Dies wird auch deutlich an den vielen Spenden aus der Bevölkerung, die diese Gedenkfeier und die Bestattung überhaupt erst möglich gemacht haben. Ich danke allen, die die Spendensammlung organisiert haben. Ein ganz besonderer Dank geht an den Verein „Leben in Chorweiler“, der kurzfristig ein Spendenkonto eingerichtet und damit diese Spendenaktion erst möglich gemacht hat.

Auf den in den Medien veröffentlichten Fotos sehen wir Lea Sophie als lächelndes kleines Mädchen, blond, ein wenig zerzaust, mit einem Teddy in den Händen.

Ein freundlich blickendes Kind, das viele von uns hier wohl nicht persönlich gekannt haben, dem wir uns aber jetzt ganz nahe fühlen.

Die Einzelheiten, die inzwischen aus Lea Sophies kurzem Leben und aus ihren letzten Stunden an die Öffentlichkeit gelangten, zeigen uns vor allem, wie schutzbedürftig alle Kinder in diesen frühen Jahren sind, und wie sehr sie unserer Aufmerksamkeit und Fürsorge bedürfen.

Das wichtigste Gut unserer Gesellschaft sind die Kinder –  sie sind unsere Zukunft. Sie zu achten, zu beschützen und ihr Aufwachsen zu begleiten ist unsere vorrangige Aufgabe.

Wir müssen alles tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, um ihnen eine liebevolle Unterstützung und Förderung zu ermöglichen.

Wir müssen uns des Vertrauens würdig erweisen, das uns jedes Kind in seiner Offenheit und Unbefangenheit zunächst entgegenbringt.

Dass wir uns dies wieder vor Augen führen – das ist die Spur, sozusagen der „Fußabdruck“, den Lea Sophie bei jeder und jedem von uns hinterlässt.

Und so wird sie auch von denen nicht vergessen, die sie persönlich nicht gekannt haben.

Autor: Andi Goral