Köln | Weil der Reichsgerichtshof in Leipzig die mutmaßlichen Brandstifter des Reichstags nicht zum Tode verurteilte, gründete die NS-Regierung 1934 den Volksgerichtshof zur „Bekämpfung von Staatsfeinden“. Unter dem Deckmantel der Rechtsprechung setzte er die faschistische Politik durchsetzen. 85 Jahre später erinnert im NS- Dokumentationszentrum die Ausstellung „Terror durch Recht“ an diese berüchtigte, rechtsverachtende Institution.

Geprägt wird die Erinnerung an den Volksgerichtshof vor allem durch die Auftritte seines Präsidenten Roland Freisler. Er sprach in den Prozessen gegen die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ 1943 und die Verschwörer des 20. Juni 1944 die Todesurteile. Diese wurde in der Regel wenige Stunden später vollstreckt. Die Menschenwürde der Angeklagten wurde in den Schauprozessen mit Füßen getreten.

Ein Gericht, das die Nazi-Politik durchsetzte

Ein großformatiges Foto von Freisler mit erhobener Rechte aus dem Gerichtssaal beherrscht den ersten Ausstellungsraum mit seiner klaren Ausstellungsarchitektur. Davor – wie in einer Verhandlung – Tische, auf denen mit Fotos, Texten und historischen Filmaufnahmen die Geschichte des Volksgerichtshofes erzählt wird. Seine Präsidenten, Staatsanwälte und Laienrichter sind Thema, ebenso seine Organisation oder die mediale Beachtung im In- und Ausland. Es ist eine Geschichte der zunehmenden Brutalität. Wurde in den frühen Jahren etwa das Verteilen kommunistischer Flugblätter mit „nur“ zwei Jahren Haft bestraft, kostete es später das Leben.

Konnten anfangs nur drei Delikte mit dem Tod bestraft werden – Mord sowie Sprengstofftaten und Menschenhandel mit Todesfolge – waren es am Ende 78, darunter Sabotage und Wehrkraftzersetzung. Die verschärfte Gesetzgebung spiegelt auch den näher rückenden Untergang des Schreckensregimes wider. Insgesamt wurden in elf Jahren 16.700 Menschen abgeurteilt, mindestens 5.200 Mal wurde das Todesurteil gefällt – je näher das Ende kam, um so häufiger. Bei Freisler endete jeder zweite Prozeß mit dem Todesurteil.

„Bagatellfälle“ wurden von der Gestapo übernommen

Die Todesurteile wurden zur Abschreckung unter anderem durch Plakate bekannt gemacht – vor allem in den Orten, aus denen die Opfer stammten. Es ist bekannt, dass das Gericht auch aus „Gründen der Kostenersparnis“ in anderen Städten tagte. Zu Köln gibt es dafür allerdings keine Belege. „Bagatellfälle“ wurden schon bald nicht mehr verhandelt, sondern von der Gestapo übernommen. Ab 1936 verhaftete sie trotz Richter-Protest Menschen, die gerade freigesprochen worden waren.

Die Mitglieder der „Weißen Rose“ und des „20. Juni“ sind die prominenten Opfer des Volksgerichtshofs. An sie wird am Ende der Kölner Ausstellung mit Fotos und kurzen Biografien in Deutsch und Englisch erinnert. Sie beginnt mit den heute eher Unbekannten wie der katholische Kölner Gewerkschafter und Redakteur Nikolaus Groß (1898-1945) oder der Pianisten Karlrobert Kreiten, wegen Wehrkraftzersetzung 1943 in Plötzensee erhängt – der ehemalige WDR-Starjournalist Werner Höfer hatte diese Hinrichtung 1943 in einem Presseartikel ausdrücklich begrüßt.

Nazi-Richter machten Karriere in der Bundesrepublik

Nach 1945 machten viele Mitglieder des Volksgerichtshofs Karriere in der bundesrepublikanischen Justiz. Kam es zu Prozessen, endeten diese in der Regel mit geringen Strafen. In der DDR kam es zu Prozessen vor sowjetischen Militärgerichten. Zwar endeten diese mit zum Teil hohen Haftstrafen, doch wurden die Verurteilten oft schon früher entlassen und die Bundesrepublik abgeschoben.

Die Ausstellung wurde im vorigen Jahr als Wanderausstellung von der Berliner Stiftung „Topographie des Terrors“ zusammengestellt. Nach einer Präsentation im Bundesjustizministerium ist Köln die erste Station.

[infobox]„Der Volksgerichtshof 1934-1945 – Terror durch >Recht<“ – bis 26. Mai. NS-Dokumentationszentrumder Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, www.nsdok.de,Di-Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr, erster Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Katalog (deutsch/englisch): 19 Euro

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Autor: ehu
Foto: Blick in die Ausstellung „Der Volksgerichtshof 1934-1945“ im NS-Dokumentationszentrum.