Köln | Auch in Köln wurde 1938 in der Nacht zum 10. November Geschäfte und Wohnungen von Juden zerstört und geplündert, Synagogen und Bethäuser niedergebrannt. Eine Installation im NS-Dokumentationszentrum erinnert jetzt – 80 Jahre später – an das Pogrom, das von den NS-Machthabern als „Reichskristallnacht“ verharmlost wurde.

Das Pogrom kam nicht aus heiterem Himmel, war alles andere als Ausbruch des „spontanen Volkszorns“, sondern war ideologisch und propagandistisch schon lange vorbereitet. Die Ausstellung zeigt, wie Juden Schritt für Schritt, Gesetz für Gesetz aus der Gesellschaft verdrängt wurden.

Die Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft vollzog sich schleichend

Es begann direkt nach der Machtübernahme mit der „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das jüdische und andere politisch missliebige Beamte aus dem Dienst ausschloss. Ab 1934 gab es für Juden keine Schulgeldermäßigung mehr. Mit dem „Reichsbürgergesetz“ wurde 1935 eine Zwei-Klassengesellschaft geschaffen, mit der das „deutsche Blut und deutsche Ehre“ erhalten werden sollten: Ehen zwischen „Deutschblütigen“ und Juden waren fortan verboten. Noch kurz vor dem Pogrom erhielten Ärzte und Rechtsanwälte Berufsverbot.

Vorwand für das Pogrom war das tödliche Attentat vom 9. November auf einen Angehörigen der Deutschen Botschaft in Paris. Es war eine Reaktion von Herschel Grynszpan auf die Abschiebung seiner Eltern aus Deutschland. Sie stammten aus Polen und waren mit etwa 17.000 anderen polnischen Juden im Oktober gewaltsam und ohne Vorankündigung aus Deutschland nach Polen ausgewiesen worden. Da sie schon länger als fünf Jahre nicht mehr in Polen lebten, drohte ihnen nach einem neuen polnischen Gesetz der Entzug der polnischen Staatsbürgerschaft. Infolge der plötzlichen deutschen Ausweisung kam es an den Grenzen zu teilweise chaotischen Zuständen.

Der „spontaner Volkszorn“ wurde kurzfristig zentral ausgerufen

Nach Bekanntwerden des Attentat wurden reichsweit SA- und SS-Mitglieder kurzfristig zu „spontanen“ Aktionen aufgerufen. Diese gingen nicht von der breiten Bevölkerung aus, die sich aber durchaus – etwa durch Denunziationen oder an Geschäfts- und Wohnungsplünderungen – daran beteiligte. Überall wurden noch in den Tagen danach vor allem jüngere Männer verhaftet, gefoltert und in Konzentrationslager verschleppt.

In Köln ist dies für 150 Juden nachgewiesen, einer starb im KZ Dachau. Umfassende historische Dokumente zum Pogrom in Köln gibt es nicht mehr. Während es aus anderen Städten zahlreiche Fotos gibt, die diese Zerstörungen dokumentieren, sind für Köln nur zwei von sieben erhalten: Sie zeigen die niedergebrannten Synagogen in der Roonstraße und an der Glockengasse. So muss die Ausstellung hier auf historische Presseberichte zurückgreifen. In einer zweiten Abteilung werden dazu Zitate von Zeitzeugen präsentiert, die vor einigen Jahren im Rahmen des Zeitzeugen-Programms des NS-Dok gesammelt wurden.

Das Pogrom machte dann gleichsam den Weg frei für die Deportation der jüdischen Bevölkerung und den folgenden Völkermord.

Die letzte Abteilung des Sonderausstellung zeigt den Nachlass der Kölner Arzt-Familie Schönberg. Der Sohn hat diesen dem NS-Dok überlassen. Er selber konnte 1937 nach Palästina emigrieren, sein Vater wurde 1942 in Theresienstadt, seine Mutter in Auschwitz ermordet.

[infobox]„Vor 80 Jahren – Der Pogrom in Köln“ – bis 6. Januar 2019. NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, www.nsdok.de, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr, erster Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Am Mittwoch, 7. November, 19 Uhr, hält der Historiker Wolfgang Benz im NS-Dok seinen Vortrag „Die >Reichskristallnacht< im November 1938 – Inszenierte Gewalt gegen Juden“ [/infobox] Autor: ehu | Foto: Rheinisches Bildarchiv RBA
Foto: Die ausgebrannte Synagoge in der Roonstraße. ©Rheinisches Bildarchiv / RBA 13664-6