Köln | 900 Tage lang – von September 1941 bis Januar 1944 – belagerte die deutsche Wehrmacht Leningrad. Ein Geschichtskapitel, das in beiden Ländern eher nebenbei behandelt wird. Dies zu ändern haben sich Jochen Langner und Andreas von Westphalen mit ihrer Klanginstallation „Horchposten 1941“ zur Aufgabe gemacht – jetzt zu hören im NS-Dokumentationszentrum.

Während der deutsche Aufmarsch für den Angriff auf die Sowjetunion – er erfolgte am 22. Juni 1941 – schon in vollem Umfang läuft, glaubt dein sowjetischer Journalist noch, dass das Hitler-Regime sich an den 1939 zwischen beiden Staaten geschlossenen Nichtangriffspakt halten werde. Wenig später prahlt ein deutscher Offizier mit dem „Blitzkrieg“ und urteilt über die überraschten sowjetischen Soldaten, die in den ersten Tagen in Gefangenschaft gerieten, sie seien „nichts weiter wert, als geprügelt zu werden“.

Ein anderer verspricht seinen Soldaten, dass sie auch bei Misshandlung der Gefangenen keine Verfolgung befürchten müssen. Er bejubelt die „Glückseligkeit“, die eroberten Gebiete endlich „deutsch“ besiedeln zu können. Und ein anderer Propagandist erklärt, mit der Auslöschung der Bevölkerung Leningrads spare man wichtige Lebensmittel.

Bürger aus dem belagerten Leningrad berichten über die gezielte Bombardierung von Lebensmittellagern und von der Flucht übers Eis, die nur wenigen gelang. Über eine Million Menschen starben nicht zuletzt den Hungerstod.

Die Zitate sind Teil der insgesamt rund zweieinhalb Stunden langen Klanginstallation „Hochposten 1941: Ja slyshu wojnu – ich höre den Krieg“. Dafür haben Langner und von Westphalen Tagebücher, Briefe, Gedichte, offizielle Verlautbarungen und Zeitungsartikel ausgewertet, Äußerungen von Deutschen und Russen, von Zivilisten und Militärs. Gesprochen werden sie auf Deutsch und Russisch von 44 Schauspielerinnen und Schauspielern beider Nationen.

Gegliedert sind sie in jeweils deutsches und sowjetisches Hinterland und Front sowie Leningrad. Entsprechend aufgeteilt ist auch der Aufbau der Klanginstallation. Je nachdem, wo der Stuhl steht, kann man über Kopfhörer die jeweiligen Quellen hören. So ist auch ein spontaner „Perspektivwechsel“ möglich, indem man – so erklären die beiden Produzenten – auch den Blickwinkel des ehemaligen Feindes einnehmen kann“. Dies ermögliche ein dialogisches Erinnern jenseits der typischennationalen Blickwinkel.

Zu hören war die Koproduktion von Deutschlandfunk, WDR und Radio Echo Moskau schon in Moskau, St. Petersburg und im Berliner Willy-Brandt-Haus. In Köln bettet sie sich zwischen die beiden aktuellen Sonderausstellungen über Massenerschießungen von Juden zwischen Ostsee und Schwarzem Meer durch deutsche Truppen sowie über das Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener in deutschen Zwangsarbeiterlagern.

[infobox]„Hochposten 1941: Ja slyshu wojnu – ich höre den Krieg“ – bis 25. Juni, NS-Dokumentationszentrumder Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, www.nsdok.de,Di-Fr 13-18 Uhr, Eintritt 4,50/2 Euro

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Autor: ehu
Foto: Im NS-Dokumentationszentrum erinnert „Horchposten 1941“ an die 900 Tage dauernde Belagerung Leningrads durch deutsche Truppen. | Foto: ehu