Köln | Mit dem neuen und einmaligen digitalen Archiv „Editionen zur Geschichte“ macht das NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) in Köln sonst nur schwer oder gar nicht zugängliche Materialien zur Erforschung der Geschichte der Jugend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts frei zugänglich. Dazu gehören insbesondere Selbstzeugnisse von Zeitzeugen sowie Druckerzeugnisse wie Zeitschriften, Schulungsmaterial oder Bilderbücher.

Schönschreib-Übungen mit „Hitler“

„Das Archiv in dieser Form ist deutschlandweit einmalig, vielleicht auch weltweit“, erklärte heute Projektleiter Dr. Martin Rüther vom NS-Dokumentationszentrum in Köln (NS-Dok). Digital kann die interessierte Öffentlichkeit und insbesondere Forscher nun auf Material zur Erforschung der Geschichte der Jugend zwischen 1918 und 1945 zurückgreifen. Alle Materialien werden dabei sowohl als Faksimile sowie in transkribierter Form präsentiert. Zugänglich gemacht wurden zahlreiche Selbstzeugnisse von Zeitzeugen, darunter etwa Tagebücher, Fotoalben, Schulhefte und Briefe. In einer zweiten Rubrik können nun Druckerzeugnisse aus dieser Zeit wie etwa Zeitschriften, Kalender, Bilderbücher oder auch Schulungsmaterial mit NS-Propaganda digital eingesehen werden. Darüber hinaus können auf der Webseite audio-visuelle Medien wie Foto-Serien und historische Filme angesehen werden.

Die Vielzahl an Materialien soll Forschern und Interessierten einen neuen Blick auf die Geschichte der Jugend ermöglichen. Betrachten lassen sich etwa Schönschreib-Übungen mit den Namen „Hitler“ und „Goebbels“, Fahrtenbücher von der Jungen- und Mädchenschar oder ein Zigaretten-Sammelalbum mit militärischen Motiven – dem Vorgänger der modernen Panini-Alben. Die ganze Fülle an Materialien lässt sich kaum überblicken, so vielfältig und umfangreich ist die digitalisierte Sammlung. „Das ist ein gigantisches Service-Angebot“, betonte Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dok. Bislang hätten sich viele Archive gesträubt, ihre Materialien der Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen. „Die Bereitschaft, die Archive öffentlich zu machen, steigt langsam“, so Jung. Zudem würden die Quellen-Materialen durch die Digitalisierung nachhaltig gesichert.

Neuer Blick auf die Geschichte

Das Archiv „Editionen zur Geschichte“ will jedoch nicht nur die interessierte Öffentlichkeit informieren. Es soll vor allem auch die Forschung von Historikern erleichtern. Dank dem digitalen Findbuch und einer Suchfunktion nach Schlagwörtern müssen Historiker künftig nicht mehr alle historischen Dokumente einzeln durchblättern, um zu ihren Themen fündig zu werden. Weil das oftmals zu aufwendig war, hätten Selbstzeugnisse und Druckerzeugnisse oftmals gar keine Berücksichtigung in der Forschung erfahren, sagte Jung, obwohl sie nicht unerheblich seien. Digital geht die Suche nun deutlich schneller und könnte so einen neuen Blick auf die Geschichte ermöglichen. Noch sind allerdings nicht alle Dokumente mit Schlagworten versehen. Eine Hilfe bietet die neue Webseite außerdem für Lehrer. Passend zu den Lehrplänen der Schulen lassen sich unter der Rubrik „Didaktik“ fertige Unterrichtsmaterialien finden.

Möglich wurde das digitale Archiv durch die finanzielle Förderung der Fritz Thyssen Stiftung. Diese ermöglichte ein weiteres Internetprojekt von Martin Rüther. So konnte ein eigenständiger Webauftritt für den „Buund Neudeutschland e.V.“ erarbeitet werden. Dieser legt nicht nur das Verhältnis des katholischen Jugendbundes zum NS-Regime dar, sondern stellt auch das Archiv des Bundes digital der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Autor: Cornelia Ott
Foto: Screenshot des neuen digitalen Archivs „Editionen zur Geschichte“ des NS-Dok Köln