Köln | Im Rahmen eines Besucherprogramms sind heute ehemalige Zwangsarbeiter aus der Ukraine und Weißrussland der Einladung der Stadt gefolgt. Zu Zeiten des NS-Regimes wurden sie in Köln und Umgebung geboren beziehungsweise mit ihren Eltern zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Die Gäste sind teilweise zum ersten Mal nach über 60 Jahren wieder in Deutschland. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpers forderte besonders dazu auf, nicht zu vergessen.

Die Würdigung der ukrainischen und weißrussischen Gäste durch die Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes ist ein sichtbar bewegender Moment für die Menschen, die mit ihrer Geburtsstadt sehr zwiespältige Gefühle verbinden. In die Zwangsarbeit geboren, wurden viele von ihnen in ihrer Heimat als „Deutschenkind“ oder „Faschistenkind“ beschimpft. Manche mussten in der Heimat beim Thema Zwangsarbeiterentschädigung noch den Vorwurf über sich ergehen lassen, „für die Deutschen gearbeitet zu haben und nun auch noch Geld zu verlangen“.

Das Besuchsprogramm sei eine Geste der Versöhnung und Entschuldigung an die ehemaligen Zwangsarbeiter, wenn auch jederzeit bewusst sei, dass es niemals eine Entschädigung sein könne, so Frau Scho-Antwerpes. Es sei auch ein Zeichen dafür, dass die Stadt Köln nicht vergesse. Das Schicksal der hunderttausend ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die allein in Köln lebten, sei ein Mahnmal und eine Aufforderung, nicht zu vergessen. Einigen der Anwesenden wird, soweit dies möglich ist, nachträglich ihre Geburtsurkunde ausgehändigt.

34. Gruppe in Köln – zum ersten Mal nur noch Kinder der Zwangsarbeiter

Diese Gruppe ist seit 1989 die 34. in dieser Form in Köln. In diesem Jahr sind zum ersten Mal nur noch die Kinder der ehemaligen Zwangsarbeiter anwesend, da ihre Eltern bereits verstorben sind. Organisiert wird die jährliche Begegnung von der Projektgruppe Messelager, einer geschichtswissenschaftlich-politischen und unabhängigen Initiative aus dem Verein EL-DE-Haus und dem NS-Dokumentationszentrum. Sie ist damit ein einzigartiges Programm zum Thema Zwangsarbeit in der Stadt. Über die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wird, soweit möglich, Information in einer Datenbank gesammelt. Laut Frau Elzbieta Adamski, Mitarbeiterin im NS-Dokumentationszentrum, sind ca. 3000 Namen ehemaliger Zwangsarbeiter aus Köln in der Datenbank vorhanden. Hinderlich für eine genaue Rekonstruktion von Lebenswegen ist die häufige Vernichtung sämtlicher Unterlagen in der damaligen Zeit.

Briefinitiative an die Regierung

Die Projektgruppe Messelager hat außerdem eine Briefinitiative an die Bundesregierung ins Leben gerufen: beklagt wird, dass die Bundesregierung den Klageweg vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag beschritten habe, um die Staatenimmunität als Instrument der Entschädigungsverweigerung gegenüber italienischen, griechischen und anderen NS-Opfern einzusetzen, und dass weder die Klageschrift noch das Urteil des IGH in deutscher Übersetzung zu lesen sei. Eine Unterstützung der NS-Opfer, die bisher nicht von Kompensationszahlungen berücksichtigt wurden, werde dadurch erschwert. Die Briefinitiative fordert eine Wiederaufnahme der politischen Debatte zu dem Thema. Die Gäste erwartet in der kommenden Woche ein Besuch der Haftstätten, Gespräche an Schulen sowie eine Kranzniederlegung zum Gedenken an die Gestapo-Opfer auf dem Westfriedhof.

Autor: Nathalie Caesar
Foto: Besuchergruppe von Nachkommen osteuropäischer Zwangsarbeiter in Köln