Engelskirchen | Die Stimme des großen, kräftig gebauten Mannes wird ein bisschen höher, wenn er mit den Kindern spricht. Und auch der ironische Unterton ist verschwunden, wenn Horst Rieger mit Saskia (4) und Nikolas (5) diskutiert, welche Farbe das Haus aus Pappkarton haben soll.

Seit April leitet der 46-jährige frühere Bundeswehrsoldat die katholische Kindertagesstätte Herz Jesu in Engelskirchen im Bergischen Land. An seine zwölf Jahre bei der Bundeswehr erinnern vielleicht noch die raspelkurzen Haare. Horst Rieger gehört zu einer Minderheit in Nordrhein-Westfalen: Der zweifache Vater ist einer von nur 1.819 Männern, die in Kindertagesstätten arbeiten – das sind gerade einmal 2,6 Prozent des pädagogischen Personals. „In Deutschland ist Erzieher gleich Basteltante“, sagt der Kita-Leiter bedauernd.

Bei den Eltern findet der männliche Erzieher Anklang. Die Zwillinge von Annette Bosbach besuchen seit vier Jahren die Kita in Engelskirchen. „Ein Mann bringt eine neue Perspektive hinein“, sagt die 36-jährige Mutter. „Er ist auf eine ganz andere Art Respektsperson, das finde ich gut.“

Ein Modellprojekt in Köln soll mehr Männer in die Kitas holen

„Starke Kinder brauchen Vielfalt. Sie sollten möglichst alle Facetten der Gesellschaft in der Kita erleben und hierfür Vorbilder haben. Dazu gehören Männer“, sagt NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD). Deshalb gibt es das Projekt „Maik – Männer arbeiten in Kitas“ des Caritasverbands Köln. Es ist eines von bundesweit 16 Modellprojekten, finanziert vom Europäischen Sozialfonds und dem Bundesfamilienministerium. Bis Ende 2013 stehen knapp eine Million Euro zur Verfügung, um Männer für den Erzieherberuf zu gewinnen.

Der Karton einer Spülmaschine steht mitten im Raum, er ist fast so hoch wie die Kinder, die danebenstehen. Rieger hockt auf dem Boden. „Wollt ihr eine runde oder eine eckige Tür?“, fragt der ausgebildete Erzieher. Die Kinder wollen eine eckige, Rieger fordert ein Mädchen auf, die Tür so auszusägen. Er gibt ihr ein kleines Messer in die Hand, sie setzt sich auf seine Knie und sie fängt an zu sägen. Vorsichtig führt der Pädagoge die Hand des Kindes.

Gemeinsames Spielen habe einen pädagogischen Hintergrund und sei wichtig für die Entwicklung der Kinder. „Was in den ersten Jahren verkehrt läuft, kann man später nur sehr schwer wieder hinbiegen.“ Horst Rieger spricht aus Erfahrung: Nach seinem Abschluss als Erzieher an der Bundeswehrfachschule Köln hat er einige Jahre in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche gearbeitet.

Seine Kameraden nennen ihn den „Kindergarten-Cop“

Die Kinder pinseln Kleister auf die Pappe, kleben farbiges Transparentpapier auf und drücken mit den Händen goldbraune Herbstblätter an. Bozena Zacharuk-Sikora steht neben ihrem Kollegen und meint: „Das lila Papier und die Blätter sehen ja toll zusammen aus!“ Rieger zieht die Augenbrauen hoch und sieht sie über den Rand seiner Brille an. Die 46-jährige Erzieherin arbeitet seit sieben Jahren in dieser Kita. Dass sie nun einen Mann als Chef hat, gefällt ihr: „Er bringt Spontanität rein, macht den Alltag hier lebendiger und dynamischer.“

Als sich Rieger nach seiner Bundeswehrzeit entschloss, Erzieher zu werden, hat seine Frau ihn unterstützt. Die ehemaligen Kameraden waren weniger verständnisvoll und haben ihn „Kindergarten-Cop“ getauft. Und auch sein Sohn habe lachen müssen, als er von der Entscheidung seines Vaters hörte. So schön der Job ist, Rieger kennt auch die Nachteile. Das häufige Knien auf dem Boden und das ständige Bücken, um Schuhe oder Jacken zu schließen, sei sehr anstrengend. Hinzu komme die permanente Geräuschkulisse. „Das kannst du nicht bis zur Rente machen, sonst bekommst du Tinnitus.“

Da kommt der dreijährige Uwe um die Ecke: „Horst, ich muss mal Pipi.“ Auch das ist Kita-Alltag. Rieger lächelt: „Die Dankbarkeit, die mir die Kinder entgegenbringen, wenn ich mich mit ihnen beschäftige, diese Zufriedenheit, dieses Lächeln. Das macht mich froh.“ Horst Rieger überlegt kurz, dann sagt er: „Ich sehe in den Kindern die Zukunft. Und ich will dazu beitragen, das Beste daraus zu machen.“

Autor: Kathrin Aldenhoff, dapd | Foto: cherryMerry/fotolia