Das Kölner Oberlandesgericht hat am heutigen Donnerstag ein weiteres Urteil zum Contergan-Skandal gefällt. Demnach dürfen zwei Sätze eines Contergan-Geschädigten vom Beklagten nicht weiter als unwahr bezeichnet werden.

Anlass für den neuerlichen Rechtsstreit war eine öffentliche Anhörung des Bundestages-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 1. Februar 2013. Der Kläger war zu dieser Sitzung als Sachverständiger in seiner Funktion als Mitglied des Stiftungsrates und Vorsitzender des Bundes der Contergangeschädigten und Grünenthalopfer e.V. geladen. Dabei sagte er die beiden Sätze: „30 Jahre lang schaute Grünenthal in der Conterganstiftung auf die medizinischen Akten der Betroffenen“ und „30 Jahre lang hat Grünenthal die Gutachter der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung bezahlt“.

Daraufhin schrieb der Beklagte auf dem Briefkopf des Vorstands der Conterganstiftung einen Brief an alle Mitglieder des Bundestagsausschusses, in dem er unter anderem die fraglichen Aussagen des Klägers als unwahr bezeichnete. Er hielt dies für eine „zulässige Meinungsäußerung“. Doch mit seiner Entscheidung hat der 15. Zivilsenat des Kölner OLG dies nun in zweiter Instanz verneint. Tatsächlich habe der Kläger mit seinen Äußerungen Recht.

Einige Fakten sind unstrittig

So war es selbst zwischen den beiden streitenden Parteien unstrittig, dass zwischen 1972 und 2003 der Leiter der Rechtsabteilung der Grünenthal GmbH, der das Unternehmen nach seinem Ausscheiden auch weiter als Rechtsanwalt vertrat, in Personalunion auch Vorsitzender der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung war und in dieser Eigenschaft Zugriff auf medizinische Akten der Betroffenen hatte, bevor diese an die Sachverständigen übersandt wurden.

Ein weiterer Mitarbeiter der Firma Grünenthal arbeitete in diesem Zusammenhang dem Rechtsanwalt zu. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Finanzierung der Arbeit der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung je denfalls teilweise über einen Pauschalbetrag abgesichert wurde, den die Firma Grünenthal an die Conterganstiftung überwies.

Die Ausschussmitglieder hätten die Äußerungen so verstehen müssen, dass Mitarbeiter von Grünenthal die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der medizinischen Akten gehabt hätten und dass die Arbeit der Medizinischen Kommission – unmittelbar oder mittelbar – von der Firma Grünenthal finanziert worden sei. Diese Aussagen seien aber unstreitig wahr, die entgegengesetzten Äußerungen des Beklagten damit unwahr.

Grenzen der freien Meinungsäußerung

Die Äußerungen des Beklagten seien auch nicht als Meinungsäußerungen zu bewerten. Kern der Äußerung des Beklagten sei die dem Wahrheitsbeweis zugängliche Frage, ob der Kläger in der Ausschusssitzung etwas Unwahres behauptet habe. Die Kölner OLG-Richter bestätigten damit ein Urteil des Landesgerichts Bonn aus der Vorinstanz, allerdings nur teilweise. Das Landgericht hatte den Beklagten zur Unterlassung der Äußerung betreffend die medizinischen Akten verurteilt und darüber hinaus einen Richtigstellungsanspruch angenommen, hieß es dazu weiter.

In zweiter Instanz wiesen die Richter des OLG Köln den Anspruch des Contergan-Geschädigten auf Richtigstellung ab. Das liege weniger an der Sache selbst als vielmehr der Tatsache, dass der Kläger nach dem Vorfall noch mehr als drei Jahre lang – also über die letzte Legislaturperiode hinweg – gewartet, bevor er die Klage eingereicht habe. Folgerichtig sei eine Richtigstellung den Abgeordneten gegenüber nicht mehr geboten.

Eine Revision ist nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund vorliege. Das Urteil trägt das Aktenzeichen 15 U 85/17 vom 12. April 2018. Das Urteil in erster Instanz trägt das Aktenzeichen: 13 O 136/16 und wurde am 10. Mai 2017 ausgesprochen.

Autor: bfl
Foto: Der 15. Zivilsenat des Kölner OLG musste sich mit der Wahrheit zweier Aussagen zum Contergan-Fall auseinandersetzen.