Köln | Seit Montag vergangener Woche sind fünf Frauen und ein Mann aus Polen zu Gast in der Domstadt. Auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werks in Freiburg erzählen sie an Kölner Schulen über ihre Schicksale. Am heutigen Montag lud die Stadt Köln zu einem Empfang.

Bürgermeister Dr. Ralf Heinen begrüßte die Gäste in Vertretung der Kölner Oberbürgermeisterin. Köln sei eine Stadt voller „Widersprüche und Gegensätze“, etwas das Köln seit seiner Gründung in der Römerzeit präge. Er hob in seiner Begrüßung die besondere Rolle des Austausches hervor, auf kommunaler insbesondere durch die Städtepartnerschaft mit Katowice, dem früheren Kattowitz.

„Seit 1991 die Urkunden dafür in Köln unterschrieben wurden, ist uns der Austausch gelungen. Wir sind einander nicht mehr fremd“, erinnerte Heinen auch an die schon vorher geknüpften Kontakte zwischen Menschen diesseits und jenseits der Oder-Neisse-Linie. Und das Kaiserwetter der vergangenen Tage dürfte auch den Gästen – alle zwischen 73 und 80 Jahre alt – gefallen haben, standen neben Museumsbesuchen auch eine Bootsfahrt auf dem Rhein auf dem Programm.

Ziel der Reise aber ist der Austausch von Informationen und das vor allem an Schulen. An insgesamt acht Kölner Schulen aller Schulformen werden die sechs Überlebenden über ihre Erlebnisse und die ihrer Eltern berichten. Als gebürtige Polen – eine mit jüdischen Wurzeln – wurde ihre Familien während der Zeit der Besetzung inhaftiert und häufig in so genannten Polenlagern gefangen gehalten.

Grausame Zustände in den „Polenlagern“

Insgesamt errichteten die Nazis – vor allem in Schlesien – 22 solcher „Polenlager“. Sie wurden von der SS organisiert und waren für die Inhaftierten mit ähnlich menschenunwürdigen Bedingungen verbunden wie jene in Konzentrationslagern. Vor allem Familien, häufig Schwangere, aber auch kleinere Kinder wurden hier zusammengepfercht. Wer alt genug war, musste Zwangsarbeit unter schlimmsten Bedingungen leisten. Einige wurden nach Deutschland geschickt, andere „arisiert“, indem sie deutschen Pflegefamilien zugeteilt wurden. Auch wenn Kinder erst ab zwölf Jahren zwangsarbeiten mussten, bestraft wurden alle, die gegen die strengen Regeln der Lager verstießen.

Eine besonders einschneidendes Erlebnis war für die Überlebende Barbara Kruczkowska (geb. Parka) die „Aktion Oderberg“. Im August 1943 wurden zahlreiche polnische Familien verhaftet, etwa 200 Kinder wurden von ihren Familien getrennt. Die damals Dreijährige wurde nach ihrer Verhaftung zunächst mit ihrer Mutter ins Untersuchungslager Myslowice gebracht, anschließend aber zusammen mit ihrem ebenfalls minderjährigen Bruder in verschiedene Polenlager deportiert. 1944 kam sie ins Lager Potulice, wo sie bis Kriegsende inhaftiert blieb. Ihre Mutter starb in Auschwitz, der Vater konnte die beiden Geschwister erst zwei Jahre nach Kriegsende wieder zu sich holen.

KZ-Schicksale und die Gnade der späten Geburt

Auch das Schicksal der 77-jährigen Bronislawa Olczak steht für dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte. Auch sie wurde 1943 verhaftet und kam ins berüchtigte Konzentrationslager Majdanek. Hier musste sie zwar nicht arbeiten, dafür aber führten Lagerärzte pseudomedizinische Experimente mit ihr durch.Ihre drei Brüder wurden als Zwangsarbeiter bzw. „rassisch wertvolle Menschen“ nach Deutschland entführt, der mittlere ihrer drei Brüder überlebte als Mitglied eines Bauernbatallions. Irena Szczurek kam als Kind jüdischer Eltern zur Welt und erlebte als Vierjährige den Horror des Warschauer Ghettos. Dort gelang es ihren Eltern, sie aus dem Ghetto zu schmuggeln, fortan lebte sie als Tochter des Kindermädchens in relativer Sicherheit. Die Eltern aber schafften es nicht, Mutter und Vater kamen in verschiedenen Konzentrationslagern ums Leben.

Zwei weitere Gäste – Mikolaj Sklodowski und Elzbieta Nowak – haben keine Erinnerungen mehr an Polenlager oder KZ, sie wurden in den letzten Kriegswochen geboren. Aber sie nehmen die Erzählungen ihrer Mütter mit, mit denen sie groß wurden. Deutlich präsenter sind die Erinnerungen beim ältesten Gast, Józefa Posch-Kotyrba. Auch sie wurde während der „Aktion Oderberg“ im August 1943 zusammen mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern verhaftet. Auch für sie begann damit eine Odyssee, die sich über zwei Gefängnisse und drei Polenlager schließlich nach Potulice brachte. Während die Mutter im KZ Auschwitz starb, wurde der Vater, der sich zunächst in den Untergrund ging, am Kriegsende erschossen aufgefunden. Überleben konnte sie nur, weil sie und ihre Geschwister zusammenhielten und sich gegenseitig unterstützten, sagt die heute 80-Jährige.

Alle fünf engagieren sich ehrenamtlich, einige sogar für die Freiburger Einrichtung, die sie nun nach Köln einlud. Verständigung und Versöhnung sind die Ziele des 1973 gegründeten Maximilian-Kolbe-Werks. Der Namensgeber ist ein in Polen bekannter und geschätzter Name. Der 1894 geborene polnische Franziskaner-Minorit war Begründer der Klosterstadt Niepokalanów. Im Februar 1941 wurde er verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Ende Juli bot er sich für einen Mitgefangenen als Austausch für den „Hungerbunker“ an. Als er nach zwei Wochen noch immer lebte, erhielt er eine tödliche Phenolspritze. 1982 wurde er als katholischer „Märtyrer der Liebe“ heiliggesprochen. Die Freiburger Einrichtung, die seinen Namen trägt, unterstützt heute rund 1500 KZ-Überlebende mit Zuwendungen in Höhe von 150 bis 600 Euro pro Jahr. Darüber gibt es einen vielfältigen Austausch und weitere Dienstleistungen wie kostenlose Kurplätze und Therapie- und Beratungszentren. In Polen leben derzeit noch rund 18.000 KZ-Überlebende.

Autor: bfl
Foto: Bürgermeister Dr. Ralf Heinen begrüßt die Anwesenden. Die sechs KZ-Überlebenden aus Polen bleiben noch bis zum kommenden Freitag.