Köln | SERIE | Report-K beschäftigt sich in seiner Serie „Rechte Straftaten in Köln“ mit der Entwicklung rechtsmotivierter Straftaten in Köln. Die Fallzahlen von politischen Straftaten mit Motivlage Rechts steigen in Köln an. So haben sich die Fallzahlen beim polizeilichen Staatsschutz in den letzten Jahren verdoppelt und bei der Staatsanwaltschaft Köln steigen sie ebenfalls an. Wie erklären und schätzen die Behörden die Steigerungsraten ein? Report-K bat um Stellungnahme.

Die Einschätzung des polizeilichen Staatsschutzes

Die beiden Spitzen in den Jahren 2014 und 2016 an rechten Straftaten erklären sich mit besonderen Ereignissen in Köln, wie etwa 2014 der HoGeSa-Versammlung. Hier registrierte die Polizei alleine 258 Straftaten aus dem „rechten Spektrum“, die im Zusammenhang mit dieser einen Demonstration stehen. Die hohen Fallzahlen in 2016 sieht die Polizei im Zusammenhang mit den Silvestervorfällen 2015. So löste die Polizei im Januar 2016 eine Demonstration mit 1.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem rechten Spektrum auf. Zuvor hatten diese die Polizei mit Flaschen und Böllern attackiert. Die Polizei setzte damals Wasserwerfer ein. (report-k.de berichtete: „Turiner Straße: Ausschreitungen bei rechter Demonstration“ und  „Der Abschlussbericht der Kölner Polizei zur „Pegida NRW“ Kundgebung„). Damals stellte die Kölner Polizei in ihrem Abschlussbericht fest, dass 50 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Hooliganszene zuzurechnen sei. Die Teilnehmer, die im Vorfeld der rechten Demonstration untersucht wurden, hatten unter anderem Nothammer, Drogen und Knallkörper dabei. Während der Demonstration wurden 15 Personen festgenommen, weitere Straftaten wollte die Polizei durch Videoanalysen feststellen.

Warum die Fallzahlen in den vergangenen 13 Jahren ansteigen seien aus kriminalpolizeilicher Sicht nicht zu benennen, so die Beamten. Es gäbe zwar eine Vielzahl von Erklärungsmöglichkeiten, wie etwa die gesellschaftliche Entwicklung, das Anzeigeverhalten oder andere, aber diese könnten nicht belastbar belegt werden. Die Polizei stellt fest, dass sie die Steigerung der Fallzahlen aus Sicht der Kriminalinspektion Staatsschutz nicht beantworten könne.

Für die Jahre 2001 bis 2005 gibt es keine Zahlen zu rechten Straftaten in Köln 

Auf die nochmalige Nachfrage dieser Internetzeitung erklärte die Polizei Köln, dass auch bei Landeskriminalamt NRW Straftaten aus dem Phänomenbereich „Rechts“ in diesen Jahren nicht separat erfasst wurden. Es sind die Jahre als der Anschlag in der Probsteigasse, der bis heute rätselhaft bleibt, und der Nagelbombenanschlag des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in der Keupstraße stattfanden. Offen bleibt zudem die Frage wie viele rechte Straftaten dem analogen oder dem digitalen Raum zugeordnet werden. Also handelt es sich um rechtsgerichtete Aufkleber an einer Kölner U-Bahnhaltestelle oder um Hatespeech im Internet. Eine solche Differenzierung der Fallzahlen sei nicht möglich sagt die Polizei.

Die Staatsanwaltschaft sieht Ablehnungshaltung in der Mehrheitsgesellschaft von Köln gegenüber Rechts

Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn von der Staatsanwaltschaft Köln sagt zu Straftaten mit politischer Motivationslage: „Die Anzahl dieser Verfahren – wie im Übrigen die Zahl der politisch motivierten Strafsachen insgesamt und überall, nicht nur in Köln – ist seit Jahren und so ja auch in den Jahren 2017, 2018 und 2019 deutlich im Anstieg begriffen ist. Eine der wichtigsten Erklärungen für diesen reinen Anstieg an Verfahrenszahlen ist die Digitalisierung der Lebenswirklichkeit, sprich das Aufkommen von Straftaten im Zusammenhang mit Äußerungsdelikten in sozialen Foren und sonstigen Plattformen des Internets. Die hat es früher schlicht nicht oder jedenfalls nicht in dieser Masse gegeben. Ob darüber hinaus in den vergangenen zwei, drei Dekaden insgesamt eine Zunahme von rechtsextremen Haltungen in der Gesellschaft zu beobachten ist, aus der dann natürlich auch eine Zunahme entsprechender Straftaten resultiert, ist eine von mancher Seite mit guten Gründen – und teils auch guten Belegen – aufgestellte Behauptung, die ich aber für Köln nicht wirklich belegen kann.

Für die Stadt Köln würde ich eher von einer zwar gleichbleibend aktiven, aus meiner Sicht angesichts einer klaren und unmissverständlichen Ablehnungshaltung der städtischen Mehrheitsgesellschaft im Vergleich zu anderen Großstädten aber glücklicherweise eher wenig wirkungsvollen unmittelbar agitatorisch handelnden rechten Szene ausgehen (das sieht im Oberbergischen Kreis oder im Rhein-Erft-Kreis schon anders aus), so dass der Anstieg der Verfahrenszahlen in den vergangenen Jahren für die Stadt Köln aus meiner Sicht in der Tat primär dem Phänomen „Internet“ zugerechnet werden kann, weil da rechtsextreme Gesinnungen – die es in Köln natürlich nicht weniger gibt, als anderswo – eben weitgehend ohne soziale Kontrolle ausgelebt werden können. Damit will ich keinesfalls marginalisieren, was es an rechter Gewalt und an rechtem Aktivismus auch und nach wie vor in Köln gibt, sondern nur anführen, dass der vorstehend geschilderte Anwuchs an reinen Verfahrenszahlen nicht diesem Bereich geschuldet sein dürfte.“

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Die report-K Serie „Rechte Straftaten in Köln“

Teil 2: Für 2019 schnellen die Fallzahlen bei der Staatsanwaltschaft Köln nach oben

Teil 1: In Köln verdoppelt sich die Zahl rechter Straftaten

Lesen Sie morgen bei report-K: Rechte Kundgebungen, Demonstrationen, Verbote, Prozesse also die rechten Aktivitäten in den Jahren 2001 bis 2018. 

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Autor: Andi Goral
Foto: Die Pegida-Demonstration im Januar 2016 eskalierte als rechte Demonstranten und Hooligans auf der Turiner Straße die Polizei angriffen.