Köln | Jetzt ist es amtlich mit Studie: Ehrenfeld zählt zu den deutschen Szenevierteln und reiht sich ein in die berühmten Kieze von Schanzenviertel bis ultrateures Münchner Glockenbachviertel. Das berichtet heute „Spiegel Online“ und stellt eine selbst initiierte Studie gemeinsam mit dem Immobilienforschungsinstitut F+B vor. Die Studie macht deutlich, dass allerdings das Wohnen in Ehrenfeld mittlerweile sehr teuer geworden ist, denn die Mieten liegen 20 Prozent über Stadtdurchschnitt, wie in Berlin-Friedrichshain oder dem Hamburger Schanzenviertel. „Spiegel Online“ sagte Bezirksbürgermeister Josef Wirges, der mittlerweile selbst Hipster-Bart trägt: „Kaum ein anderer Kölner Stadtteil boomte in den vergangenen Jahren so sehr wie Ehrenfeld.“

„Bezirksoberbürgermeister“ von Ehrenfeld

Wirges bekommt sogar einen neuen Titel durch den Artikel von „Spiegel Online“. Das Onlinenachrichtenportal kürt ihn zum „Bezirksoberbürgermeister“. Wie alle Szeneviertel kamen auch in Ehrenfeld zunächst die Kreativen, angelockt durch günstige Mieten, viel Platz und zentrale Lage. Zudem eine tolle, wenn nicht sogar mit die beste ÖPNV-Anbindung in ganz Köln. Nicht weit entfernt der Innere Grüngürtel mit Wasserspielplatz, kostenlos geteertem Tennisplatz und Basketballanlage. Die Experten, die die Studie auflegten, stellten zuvor Kriterien auf, wie etwa traditionelle Arbeiterviertel und gründerzeitliche Bebauung. In Ehrenfeld ist noch beides gegeben, auch ein überdurchschnittlicher Anteil von Betrieben aus dem Bereich der New Economy, wie Start-ups, neue Medien, Digitalisierung, Kunst und Kultur und eine hohe Nutzungsmischung. Aber auch ökonomische Kriterien spielten eine Rolle, wie messbar steigende Mieten und Häuserpreise in den letzten Jahrzehnten. Alles das paßt zu Ehrenfeld.

Für Ehrenfeld ermittelte das Immobilienforschungsinstitut F+B im arithmetischen Mittel für 2017 aus seinem Marktmonitor Nettokaltmieten von 11,71 Euro pro Quadratmeter und einen Kaufpreis von 2920,54 Euro pro Quadratmeter für Eigentumswohnungen. Köln hat übrigens gleich zwei Szeneviertel. Auch das Belgische Viertel gilt noch als Szeneviertel. Hier liegen nach der Studie allerdings die Preise höher.

Aber wie geht es mit Ehrenfeld weiter

Wer derzeit durch die kleinen Straßen Ehrenfelds geht, der erlebt einen regelrechten Bauboom. So wurde etwa in der Körnerstraße eines der ältesten Häuser abgerissen und wird durch einen Neubau aktuell ersetzt. Auch ein weiteres Haus in der Körnerstraße, dass genau die Anforderungen, der Beschreibung Szeneviertel entspricht, soll bald einem Neubau weichen. Die Gentrifizierung nagt nicht nur an der Klubkultur, die zur Schließung von Underground & Co. führte, sondern greift auch in die Strukturen in den Veedelsstraßen ein. Statt zu sanieren und den Altbaubestand zu modernisieren, die Innenhöfe zu begrünen, wie die, die dabei waren als das Viertel noch lange nicht szenig war und damit den Charme des Veedels zu erhalten und die Aufenthaltsqualität zu verbessern, machen sich vermehrt Investoren breit, die sich diesem unausgesprochenen Konsens der Bewohner entziehen. Und dies nur wenige Jahre, nachdem die Stadt Köln das Sanierungsgebiet Ehrenfeld Ost auflegte, mit genau diesen Zielen, weniger Beton, mehr Freiraum und damit verbundene soziale Entflechtung der ehedem engen und zugebauten Arbeiterviertel. Das Sanierungsgebiet Ehrenfeld Ost wurde per Ratsbeschluss am 27. November 2008 allerdings wieder aufgehoben. Wirges sagte „Spiegel Online“: „Wir können den Stadtteil aber nicht endlos verdichten, sonst zerstören wir das letzte Krümelchen an Hinterhofromantik, das wir noch haben“. Man darf gespannt sein, ob Ehrenfeld auch noch in einem Jahrzehnt ein Szeneviertel sein wird, oder wie der Prenzlauer Berg in Berlin nicht mehr aufgenommen wird, weil die Gentrifizierung zu weit fortgeschritten ist. Denn sie nagt am Nimbus Szeneviertel.

Hier finden Sie den gesamten Artikel von „Spiegel Online“: „So teuer ist Wohnen in Deutschlands Szenevierteln“

Autor: Andi Goral
Foto: Grafitti und Fahrräder am Ehrenfelder Bahnhof