Köln | Das Projekt „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ) ist derzeit in der städtischen Liegenschaft an der Marktstraße in der Kölner Südstadt zu Hause. Die Stadt bietet dem Projekt ein Gebäude in der Gummersbacher Straße in Deutz an, ein Interim. Das Angebot der Stadt wirft Fragen auf und auch warum die Stadt den Vorgang eher intransparent gestaltet.

Das OMZ

Das OMZ-Projekt begann mit einer „stillen“ Besetzung in der Hochphase des Corona-Lockdowns, als Menschen einen Zufluchtsort brauchten. Obdachlose Menschen fanden dort eine Zuflucht. Das Gebäude in der Marktstraße stand leer und gehört der Stadt Köln, die dieses Gebäude gerne abreißen würde. Als Grund nennt die Stadt, die entstehende Parkstadt Süd, die auf dem Gelände des Großmarktes entstehen soll. Das Liegenschaftsamt der Stadt behauptete zunächst, dass das Gebäude in der Marktstraße aufgrund eines Schimmelbefalls nicht bewohnbar sei. Dies erwies sich als haltlos. Dann wollte die Stadt räumen und ließ die Polizei anrücken. Erst vor dem Hintergrund massiven politischen und gesellschaftlichen Drucks wich die Stadt von ihrem Vorgehen ab. Es kam zu einem Beschluss des Kölner Rates, den alle Parteien und Gruppierungen außer der AfD und der FDP mittrugen. In diesem hieß es: „Die angebotenen Alternativen, müssen geeignet sein, dass die BewohnerInnen ihr selbstverwaltetes Wohnprojekt fortführen und weiter dauerhaft zusammenleben können.“

Das Angebot Gummersbacher Straße

Das Gebäude in der Gummersbacher Straße ist im städtischen Besitz. Dieses soll bereits von der Stadt genutzt worden sein, um obdachlose Menschen unterzubringen. Ob dort Menschen untergebracht waren und was mit diesen geschah, ist Teil einer Anfrage an die Stadt Köln dieser Internetzeitung, die noch nicht beantwortet ist. Am gestrigen Donnerstag teilte die Stadt Köln per Pressemitteilung mit: „Städtisches Angebot für Wohnprojekt – Gebäude im Stadtteil Deutz bietet Platz für bis zu 30 Personen“

Dort heißt es, dass die Stadt Köln das Wohngebäude bezugsfertig hergerichtet habe und dort 30 Menschen wohnen könnten. Zuvor gab es einen von der Stadt anberaumten Besichtigungstermin mit Vertretern des OMZ und einem Architekten. Medien waren weder im Vorfeld noch im Nachgang eingeladen. Vor dem Hintergrund der Debatte und Wertschätzung, die das OMZ-Projekt in der Öffentlichkeit und der Politik, sowie des Ratsbeschlusses erfährt, wäre dies für ein transparentes Handeln der städtischen Verwaltung eigentlich ein medialer Muss-Termin, anders als ein Fototermin für das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Rathaus durch einen der Bürgermeister. Jetzt liegt eben nur die einseitige Position der städtischen Verwaltung in Form einer verschrifteten Pressemitteilung vor und auch die Option eines unabhängigen Gesprächs zwischen Medienvertretern, dem von der Stadt beauftragten Architekten und Vertretern des OMZ wurde so vertan.

Das Angebot der Stadt

Die Stadt sagt, dass sie das Gebäude Gummersbacher Straße bezugsfertig hergerichtet habe. Es könnten dort „bis zu 30 Personen“ untergebracht werden. Das städtische Amt für Wohnungswesen habe die leerstehenden Wohnungen und Räume renoviert sowie teilweise die Sanitäranlagen. Die Stadt will vor dem Bezug noch zwei Gemeinschaftsküchen zur Verfügung stellen. Die Stadt will „bei Bedarf elektrische Heizkörper zur Verfügung stellen“. Der Umzug von der Marktstraße sei kurzfristig möglich und die Stadt würde diesen unterstützen. Weiter heißt es in der Mitteilung der Stadt: „Parallel zur Herrichtung des Gebäudes ist die Sozialverwaltung mit der Gruppe im kontinuierlichen Austausch, um das Konzept des selbstverwalteten Wohnprojekts zu unterstützen und etwaige Fördermöglichkeiten im Rahmen von Sozialleistungs-Ansprüchen der Mitglieder zu prüfen.“

Die Einschätzung des beauftragten Architekten

Der von der Stadt Köln beauftragte Architekt gab an das Amt für Wohnungswesen eine Stellungnahme ab, die dieser Internetzeitung vorliegt. Dieser kommt zu dem Schluss, dass das Objekt in der Gummersbacher Straße Raum für 40 Personen böte, so viele, wie sich aktuell im OMZ engagieren und wohnen. Zudem kommt er zu dem Schluss, dass die bauordnungsrechtlichen festgeschriebenen Vorgaben für Wohnungen und Aufenthaltsräume hergestellt werden können oder bereits vorhanden sind. Weiter heißt es in der Stellungnahme, nach einer ersten augenscheinlichen Betrachtung keine baulichen Mängel feststellbar seien, die das Leben von Menschen, die dort zukünftig wohnen, gefährden könnten. Angesprochen auf eine mögliche Schimmel-Problematik wird diese von den Fachleuten eher negativ beschieden. Aktuell werden Duschen und WCs instand gesetzt. Der Fachmann empfiehlt eine weitere Sanierung der Wand-, Decken- und Bodenbeläge und eine Ertüchtigung der Kücheninstallationen. Die Stellung einer Kücheneinrichtung sei notwendig, um die Wohnungen in einen bezugsfertigen Zustand zu versetzen. Wer die Instandsetzungsarbeiten leisten solle oder müsse, sei bei dem Termin nicht erörtert worden.

Offene Fragen

Unklar ist warum die Stadt nur von 30 und nicht 40 Personen spricht, die in der Gummersbacher Straße einziehen könnten. Weiter unklar bleibt eine zeitliche Vorgabe der Stadt. Es gab das Gerücht, dass die Stadt die Marktstraße bis zum 15. Oktober räumen lassen wolle. Eine Anfrage dieser Internetzeitung wurde unter dem Hinweis, dass es weiteren Abstimmungsbedarf in der städtischen Verwaltung gebe, seit Wochen nicht beantwortet. Offen ist auch, ob es sich bei dem Gebäude in der Gummersbacher Straße um ein Interim handelt oder eine längerfristige Nutzung durch das Projekt OMZ möglich ist. Es gilt ja für das Verwaltungshandeln der Ratsbeschluss. Allerdings ist der neue Rat noch nicht zusammengetreten. Dies wird erst Anfang November sein. Daher stellt sich die Frage, ob sich die Verwaltung noch an den Beschluss des Rates der auslaufenden Wahlperiode so hundertprozentig gebunden fühlt, oder das Vakuum zwischen Kommunalwahl und Neukonstituierung des Rates nutzen will, um eigene Interessen stärker zu verfolgen?

Der Oberbürgermeisterkandidat der Linken Jörg Detjen und ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat mahnte Geduld an und forderte Zeit für das Projekt in der Marktstraße. Er war der Ansicht, dass das Gebäude an der Marktstraße auch zunächst erhalten bleiben könnten und nicht sofort abgerissen werden müsse.

Wäre es vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen, der Wohnraumnot und unbezahlbarer Mieten in Köln und dem Hintergrund der Corona-Pandemie nicht sinnvoller für die Stadt beide Standorte zunächst zu erhalten, um Obdachlosigkeit so weit wie möglich zu vermeiden und für obdachlose Menschen Räume zur Verfügung stellen zu können, die deren Kontakte und damit deren Infektionsrisiko zu minimieren?

Autor: Andi Goral
Foto: Das besetzte Gebäude an der Marktstraße. | Foto: Nunnendorf