Köln | aktualisiert | Heute haben Aktivisten in der Egonstraße in Köln Stammheim ein Haus in „Obhut genommen“ – nicht besetzt. Dies gefiel einem Nachbarn zwar nicht, aber die anderen Bewohner des Veedels unterstützten die Aktivisten und wollen mit dem Protest verhindern, dass weitere Häuser abgerissen und sie vertrieben werden und machen der Stadt Vorwürfe. Die Aktivisten der „Inobhutnahme“ können nicht verstehen, dass bei der aktuellen Wohnungsnot, auch für Studenten, immer noch Wohnraum zerstört werde und erinnerten auch an den Abriss des Barmer Viertels, heute ein Messeparkplatz mit Schotterpiste. Aktualisiert 11.11.2013, 16:51 Uhr: Das Haus wurde verlassen und wird heute wie Peter Bock vom Liegenschaftsamt der Stadt versprach nicht abgerissen. Es gibt einen Aufschub um einen Tag, der genutzt werden soll, um zwischen der Anwohnerinitiative und der Stadt zu neuen Gesprächen zu führen.

Fotostrecke: Der Tag in Stammheim >

11.11.2013

Nachtrag: Bei den Gesprächen der Redaktion vor Ort in der Egonstraße kritisierten die Anwohner und Nachbarn vor allem die mangelnde Gesprächsbereit der städtischen Verwaltung. Eine Sprecherin der Initiative sagte: „Es ist sehr traurig, dass man mit der Stadt nicht auf einer normalen Ebene diskutieren kann. Das was hier abläuft ist völlig niveaulos.“ Schließlich stellte die Stadt Köln nicht nur Strafanzeige, sondern ließ noch am gleichen Nachmittag ein Schaufelbagger in die Egonstraße stellen. Ein weiterer Vorwurf ist, der Stadt gehe es nur um eine reinen Machtkampf und die Bürger würden nicht ernst genommen. Auch dass sich kein Politiker sehen ließ wurde moniert, wenngleich auch positiv wahrgenommen wurde, dass sich der Mühlheimer Bezirksbürgermeister Fuchs, obwohl er auf einer Dienstreise in Hannover war, in die Verhandlungen aktiv eingebracht hatte und zu Letzt ja auch für eine Aufschub sorgte.

16:54 Uhr > Es gibt Szenenapplaus für die Aktivisten des SSM als diese das Haus verließen. Der Vertreter der Stadt Peter Bock versprach dass es einen Tag Aufschub gebe um Gespräche zu führen und das Haus morgen nicht niedergelegt wird, obwohl der Bagger schon parat stand. Jetzt sollen Morgen Gespräche geführt werden. Die Polizei zieht unverrichteter Dinge wieder ab. Mehr zum Tagesgeschehen und Fotos am heutigen Abend.

16:23 Uhr > Die Situation ist völlig ruhig, Einsatzleiter Laggies telefoniert. Als die Beamten das Haus betraten stellten sich zwei mutige Frauen ihnen in den Weg. Die Stadt hat übrigens Strafantrag gestellt, wie Sprecherin Inge Schürmann gegenüber report-k.de erklärte. Ein Vorgehen, dass man in diesem Fall immer wähle. Man wolle die Siedlung über die Jahre moderat zurückbauen und habe damit begonnen. 30 Häuser seien schon abgebrochen die Egonstraße sei 31. Die Fläche soll, wie der Flächennutzungsplan vorsehe Grünfläche werden. Aber die Mieter könnten solange sie dort wohnten bleiben. Nur Neuvermietungen gebe es nicht mehr.

16:18 Uhr > Die Polizei ist vor dem Gebäude aufgezogen und hat dieses auch besetzt. Die Bürger argumentieren dass dies nicht der richtige Weg sei und man ein Gespräch mit dem Bezirksbürgermeister Fuchs habe. Wenige Sekunden bevor die Räumung beginnt überreicht der Lokaljournalist Uwe Schäfer sein Handy an den Einsatzleiter der Polizei Laggies, dass der Bezirksbürgermeister Fuchs mit ihm sprechen wolle. Laggies nimmt an, telefoniert, kommt zurück und will warten, weil der Mülheimer Politiker ihn darum gebeten habe. Laggies macht den Anwohnern deutlich, wass es heiße wenn er räumen müsse.

16:00 Uhr > Die Stadt ist gerade dabei, das Gebäude zu räumen.

15:12 Uhr > Immer mehr Fahrzeuge der Polizei kommen in die Egonstraße und auch drei Bauarbeiter sind angekommen. Es scheint auf eine Räumung und eine sofortigen Abriss, oder zumidest einen Teilabbruch hinauszulaufen, so dass man die Egonstraße 36 nicht mehr „Inobhutnehmen“ kann.

13:38 Uhr > Will die Stadt das Haus räumen lassen?
Die Anwohner haben einen Tisch aufgebaut und ihre Autos vor dem Haus abgestellt. Es gibt Kaffee daund Kuchen und kölsche Musik, denn schließlich ist heute ja Elfter im Elften. Man singt „Echte Fründe stonn zesamme“. Martin Massip fordert von der Politik ein Moratorium bis zur Sitzung des Petitionsausschusses, die Mitte Dezember ist. Dann wäre man bereit sofort das Haus freizuräumen. Aber auch nur dann, wenn die Stadt eine Garantie gebe, das Haus bis zur Sitzung nicht abzureissen. Man wolle verhindern, daß die vollendete Tatsachen geschaffen würden.
Die Lage vor Ort ist friedlich. Die Polizei begleitet vor Ort in einigem Abstand und ein Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes ist eifrig am telefonieren. Die Stadt Köln hat die Polizei angefordert, so einer der Beamten. Derzeit ist unklar wie es weitergehen wird, ob die Stadt räumen läßt oder dem Wunsch nach einem Moratorium bis zur politischen Entscheidung folgt.

Die Berichterstattung vom 10.11.2013

Das Veedel Egonstraße

Nach dem Krieg zogen ausgebombte Familien in die ehemaligen Munitionsbaracken am nördlichen Rand von Stammheim. Aus den Baracken haben die Familien im Laufe der Jahre kleine und feste Häuser geschaffen mit rund 60 Quadratmeter Wohnfläche, Gärten und Vorgärten angelegt oder diese wärmegedämmt. Vielfach leben die Familien in der dritten Generation in den Häusern. Die Familien haben einen Mietvertrag mit der Stadt Köln. Die Miete ist gering, dafür müssen sie aber auch ihre Häuser und Wohnungen komplett, vom Fundament bis zum Dach mit eigenen Mitteln instandhalten. Dies haben und tun die Bewohner in der Siedlung. Und sie helfen sich gegenseitig, dies war auch bei der kleinen Protestkundgebung heute deutlich zu spüren. Das kleine Veedel ist intakt.

Ehemals waren es 80 Häuser, von denen jetzt noch 50 übrig sind. Jetzt haben die Bewohner nicht nur Angst, dass bald die Egonstraße 36, die seit Ende August leer steht abgerissen wird, sondern auch weitere Häuser die frei werden. Häuser, die noch gut in Schuss sind, würden teilweise mutwillig zerstört, so die Vorwürfe einiger Bewohner. Wenn Häuser leer würden, etwa weil Bewohner sterben, werden diese nicht mehr, wie früher an die Verwandten vermietet, sondern nur noch abgerissen. Der Vorwurf die Siedlung sei der Stadt, als Eigentümerin und Vermieterin, zu „unwirtschaftlich“, weil die Mieten zu gering seien steht im Raum. Yvonne Plum von der Piratenpartei, die sich heute ein Bild vor Ort machte, zeigte sich begeistert von dem gewachsenen Viertel, dass für den Veedelsgedanken stehe, etwa was man nicht kaputt mache. Zudem sei sie nicht davon überzeugt, auch wenn der Flächennutzungsplan dies vorsehe und die Häuser nur Bestandsschutz hätten, dass man neben dem Schlosspark und einem bereits vorhandenen Kinderspielplatz im Grünen eine weitere Grünfläche benötigt werde.

Auch Aktivisten aus der Humboldt-Siedlung unterstützten die Stammheimer. Eine Siedlung die mit dem Veedel Egonstraße vergleichbar sei. Die kleine Siedlung im Süden von Ostheim wurde von der Organisation Todt, einer militärisch organisierten Bautruppe die 1938 von den Nazis gegründet wurde, erbaut und später für Arbeiter bei Humboldt genutzt. Die Stadt hatte 1973 dem Unternehmen Humboldt die Siedlung abgekauft und wollte diese an die Colonia-Versicherung, heutige Axa verkaufen, aber die siedelte sich dann in Holweide an. Vor allem durch das Engagement von Oberbürgermeister Harry Blum konnten die Bewohner 2002 die Häuser kaufen und so in ihrem Veedel bleiben. Dabei geht es den Stammheimern gar nicht in erster Linie um den Kauf, sondern um die Sicherheit in ihrem Veedel leben und wohnen bleiben zu können. Vor der aktuellen Situation und Wohnungsnot und dadurch dass Köln eine wachsende Stadt ist, wie die Kommunalpolitik nicht müde wird bei jeder Gelegenheit zu erklären, versteht man nicht ganz, warum hier Wohnraum, noch dazu günstiger vernichtet wird. Denn immerhin gibt die kleine Siedlung rund 200 Menschen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ist auch ihre Heimat. Das spürt man mehr als deutlich wenn man vor Ort ist.

Anmerkung der Redaktion: Da die Inobhutnahme am heutigen Sonntag war, konnte keine Stellungnahme der städtischen Verwaltung eingeholt werden. Die Redaktion von report-k.de wird sich um eine Stellungnahme der Stadt bemühen und diese ergänzen.

Autor: Andi Goral
Foto: Die Aktivisten der „Inobhutnahme“ der Egonstraße 36