Köln | Heute stellte die Stiftung Stadtgedächtnis, gegründet am 12. Juli 2010, seine Kampagne „Jedes Stück zählt“ vor, mit der man jetzt anfangen will richtig Geld für das Archiv der Stadt einzusammeln. Übrigens mehr als vier Jahre nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln. Der Zweck ist gut und sehr wichtig, dass steht außer Frage, die bisherige Arbeit der Stiftung, die vor allem aus Geldausgeben bestand, und die Passung der Kampagne überzeugen nur bedingt. Über drei Jahre hat man für die Entwicklung einer Kampagne benötigt. Von den drei Millionen Euro Zuschuss durch die Stadt Köln sind nur noch 1,8 Millionen Euro übrig. Für 2012 hat man bis heute keinen Jahresabschluss veröffentlicht, sondern nur Zahlen bis September 2012.

Sprechen wir über Geld

Der Zweck der Stiftung Stadtgedächtnis ist klar, eindeutig und plausibel. Es geht darum möglichst viel Geld für die Rettung der Archivalien des Historischen Archivs, dass am 3.3.2009 einstürzte, einzusammeln und damit die öffentliche Hand zu entlasten und die Rettung des Archivgutes möglichst schnell voranzutreiben, da dies etwa durch die Stäube, die noch auf den Stücken lagern, gefährdet ist. Im Internet auf der Website der Stiftung ist eine grobe Bilanz zu den bisherigen Geschäftsjahren veröffentlicht.

Im Jahr 2010 hat man insgesamt 3.078.701,19 Euro mit dem drei Millionen Euro Zuschuss der Stadt Köln, also aus öffentlichen Mitteln, der Rest waren Spenden eingenommen. Ausgegeben hat man 211.839,81 Euro, unter anderem hat man bei einem Wertpapiergeschäft Verluste von fast 12.000 Euro in die Bilanz einstellen müssen. In 2011 hat man 34.312,15 Euro eingenommen, davon gerade mal 17.406,61 Euro aus Spenden. Ausgegeben hat man dagegen 429.947,64 Euro, davon 103.735,46 Euro an das historische Archiv. In 2012 gibt man die Finanzen nur bis September an. Hier stehen Einnahmen von 320.160,20 Euro mit gerade mal 28.727,81 Euro an Spendeneinnahmen den Ausgaben von 372.005,68 Euro entgegen. Dr. Stefan Lafaire, der die Stiftung führt, sprach heute von 1,2 Millionen Euro die man bisher aufgebraucht habe und 150.000,00 Euro die man an Spenden eingeworben hat. Lafaire verwies auf Nachfrage, auf die Darstellung im Internet, wollte die Zahlen in der Pressekonferenz nicht vorstellen. Von den von Lafaire genannten 1,2 Millionen Euro hatte man zwischen Juli 2010 und September 2012 rund 1.013.791 Euro ausgegeben. Bis September 2012 hat man seit 2010 Spenden von 119.334,24 Euro eingenommen. Für 2012 fehlt eine vollständige Bilanz.

Lafaire, der das Fundraising erläuterte, spricht von der stillen Phase der Stiftung in der man vor allem Netzwerkarbeit betrieben habe, um später dann richtig loszulegen und Spenden nach dem Schneeballsystem einzusammeln. Auf der Website der Stiftung findet man derzeit drei Partner gelistet und die Liste der Partner der Kampagne gibt 28 Namen an. Die Spenden verspricht er zudem kämen alle 1:1 dem Archiv und der Restaurierung der Archivalien zu Gute, denn die Arbeit der Stiftung werde aus den drei Millionen Euro Zuschuss der Stadt Köln bezahlt, von dem noch 1,8 Millionen übrig sind. Bei bisher veranschlagten jährlichen Durchschnitt von rund 330.000 Euro Kosten, reicht dies noch für etwa fünf Jahre.

Die Kampagne

Das Keyvisual der Kampagne ist ein goldenes Puzzlestück mit dem Claim „Jedes Stück zählt“. In dem Stück wird die Stadtsilhouette von Köln mit Fernsehturm, Dom und Groß St. Martin gezeigt. In Anlehnung an die Arbeit der Restauratoren, die jetzt die teilweise in Einzelteile zerfledderten Archivalien wieder zusammensetzen müssen. Dazu kommen Bilder zerstörter Archivalien und Headlines wie „Retten Sie mit uns die Akten von Konrad Adenauer“ oder „Retten Sie mit uns die Zulassung der Seidenmacherinnenzunft von 1397“. Die Motive werden jetzt 14 Tage in den Sommerferien auf 18/1 Plakatwänden von Stroer zu sehen sein. Vorgesehen seien 200 Plakate und 700 Säulen in einem Mediawert von rund 40.000 Euro. Daneben wird man Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften schalten und eine Kneipenpostkartenaktion starten. In einem lokalen Fernsehsender wird es auch einen Spot geben. Unterstützt wird die Kampagne durch vor Ort-Maßnahmen wie Infoständen in der Innenstadt oder auf Stadtteilfesten. Die Kampagne soll zwischen 200.000 und 300.000 Euro pro Jahr einsammeln und ist auf drei Jahre angelegt. Wer 1.000 Euro oder mehr spendet wird in die „Retterrunde“ aufgenommen, die derzeit 30 Mitglieder umfasst. Daneben gibt es für Spender, die regelmäßig pro Monat mindestens 10 Euro spenden, den Zutritt zum „Retterclub“. Die Kampagne wirkt sehr verkopft und das Puzzlestück, mag zwar, wenn auch kein besonders innovatives, Symbol für die Arbeit der Restauratoren sein, aber es ist kein Symbol für das, was in der Severinsstraße passiert ist. Und für Menschen, die sich nicht jeden Tag mit dem Thema befassen, weit hergeholt und um die Ecke gedacht. Noch dazu ist Gold nicht die Farbe des Staubes, der die Archivalien bedeckt, auch wenn später alles wieder glänzen soll. Fundraisingmarketingexperten sprechen dann schon mal gerne von positiv und nicht negativ emotionalisieren.

Die Bilder aus der Severinsstraße vom 3.3.2009 oder kurz danach sind die Bilder, die noch heute jede Kölnerin und Kölner sofort präsent hat, wenn man miteinander über die Tage im März 2009 spricht. Jeder vielleicht sein eigenes Bild, diese Bilder kommen aber in der Kampagne gar nicht vor. Ob das Puzzlestück hier die nötige Passung bietet wird die Zeit zeigen, wenn sicherlich die Kölnerinnen und Kölner spenden werden. Passung ist überhaupt ein Thema. Heute erläuterte man immer wieder, dass die Kölnerinnen und Kölner ein Signal in die Republik senden müssten, dass sie bereit seien für ihr Archiv zu spenden. Daher starte die Kampagne jetzt ausschließlich in Köln. Die Plakate hängen 14 Tage, aber mitten in den Sommerferien, wo die Kölner gar nicht zu Hause sind? Auch mag in den Fundraising Lehrbüchern der Marketinglehrstühle stehen, dass man unbedingt eine eigene Homepage benötigt, aber jetzt hat man schon zwei Seiten im Netz, die Seite der Stiftung mit gerade einmal etwas über 300 Facebookfans und der Kampagne, aber erst knapp über 100.000 in drei Jahren von über 350 Millionen benötigten Euro eingesammelt. Dazu sollen 200.000-300.000 Euro eingeworben werden pro Jahr, wo man jetzt schon ohne Kampagne über 330.000 Euro verausgabt, auch wenn Lafaire sagt die Spendenmittel werden 1:1 an das Archiv weitergereicht. Aber was macht er, wenn die Mittel der Stadt ausgehen? Und warum gibt man dann nicht gleich die höhere Summe an das Archiv aus städtischen Mitteln? Vor allem wo alle Angst davor haben, dass in den kommenden Jahren die Spendenbereitschaft sinken wird, je ferner das Ereignis ist? Die Stiftung und ihr Vorstandsvorsitzender ist in der Pflicht dies transparent darzulegen, auf Cent und Euro und im Detail.

Die Stadt Köln hat im Vorstand der Stiftung noch immer nicht den stellvertretenden Vorsitzenden benannt. All das zusammengenommen, über vier Jahre nach dem Archiveinsturz und drei Jahre nach der Gründung der Stiftung liest sich noch nicht wie eine Erfolgsbilanz, vor allem, dass man rund zehn Euro ausgegeben hat, um einen Euro einzusammeln. Im Kuratorium der Stiftung wimmelt es nur so von Prominenten und der Bundespräsident ist Schirmherr. Der taucht übrigens in der Kampagne gar nicht auf. Dem Archiv ist zu wünschen, dass nach all dem Nachdenken, den hohen Kosten für Rechtsberatungen, jetzt endlich die Macher und Sammler sich in der Stiftung durchsetzen. Vielleicht fehlte dafür ja nur die Spendendose, aber die gibt es ja jetzt. Übrigens, von gespendeten 50 Euro können zwei Restauratorenstunden finanziert werden, so Schmidt-Czaia, die Leiterin des Historischen Archivs. Spendet jeder zweite Kölner 50 Euro im Jahr, also 500.000 Kölner dann wären das 25 Millionen Euro im Jahr, macht eine Millionen Restauratorenstunden oder 125.000 Arbeitstage an denen Archivalien restauriert werden könnten. Das sind Fakten, also ran an die Spendenbüchse. Spenden kann man übrigens auch im Internet, nur das bewirbt die Stiftung nicht, vielleicht weil es zu einfach, schnell und kostengünstig ist.

Autor: Andi Goral
Foto: Die Kampagne wurde heute vor dem Hauptportal des Domes enthüllt. Unter anderem sollen diese, sicher auch nicht günstigen 3-D-Puzzlestücke für Spenden für das historische Archiv werben. Vor dem Kampagnenelement Dr. Stefan Lafaire, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Stadtgedächtnis, Dr. Ulrich S. Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs zu Köln und Mitinitiator der Stiftung und Notar Konrad Adenauer, der zur Retterrunde zählt.