Köln | Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zum Dieselfahrverbot für die gesamte Kölner Umweltzone ab April 2019 für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro IV und ab September Euro V schlägt erwartungsgemäß hohe Wellen. Die Landesregierung NRW wird gegen das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts in Berufung gehen. Interessenvertreter wie die Industrie- und Handwerkskammer, die Handwerkskammer, aber auch die Politik melden sich zu Wort. Report-K sammelte die Stimmen aus Köln und dem Land.

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Kommentar zum Dieselfahrverbot in Köln

Das Gericht entscheidet: Fahrverbote für Diesel Euro IV und V ab 2019 in Köln

Vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln zu Dieselfahrverboten

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Stadtverwaltung und Oberbürgermeisterin machen keine Vorschläge

Nicht ganz glaubwürdig klingt die Einlassung der Stadt Köln und Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die in einer schriftlichen Mitteilung erklärt „Der Gesundheitsschutz der Kölnerinnen und Kölner hat für die Stadt Köln höchste Priorität“, aber nicht warum seit Inkrafttreten der Grenzwerte im Jahr 2010 keine Maßnahmen ergriffen wurden. Die Stadt Köln hatte jahrelang den Schwarzen Peter an die Bundesregierung delegiert und gefordert, dass der Bund aktiv werde. Offen lässt die Stadt Köln ihre Haltung zur Berufung die das Land NRW gegen das Urteil einlegen wird. Anders, wie es etwa der Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Karsten Möhring schon öffentlich forderte und sich damit klar positionierte. Die Stadt Köln stellt fest: „Fahreinschränkungen dürfen die Stadt und den Wirtschaftsstandort Köln nicht zum Erliegen bringen.“

Die Linke fordert umfassende Verkehrswende

Michael Weisenstein, Geschäftsführer der Fraktion Die Linke und Mitglied im Verkehrsausschuss sieht die Versäumnisse, die zu dem Urteil führten vor der eigenen Haustür der Stadt Köln: „Eine breite Mehrheit im Kölner Rat und Teile der Verwaltungsspitze fanden das Recht, mit dem Auto in die Stadt zu fahren, wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung. Es ist gut, dass das Verwaltungsgericht nun die Prioritäten geraderückt. Der Kölner Rat hatte beschlossen, dass es in Köln keine Fahrverbote geben werde, und muss nun erfahren, dass EU-Recht über Ratsbeschlüssen steht. Die bisherigen Verzögerungstaktiken müssen ein Ende haben, Köln braucht eine umfassende Verkehrswende! Wir müssen jetzt das Angebot schaffen, damit Leute vom Auto auf den ÖPNV und das Rad umsteigen. Kurzfristig heißt das: Umwandlung von Autospuren in Radspuren und in Busspuren für Expressbuslinien. Mittelfristig brauchen wir einen Ausbau der Stadtbahn. Das bedeutet auch einen Verzicht auf den Ost-West-Tunnel und stattdessen einen schnellen oberirdischen Ausbau. Das Verwaltungsgericht ordnete Fahrverbote für die gesamte Umweltzone an. Es ist damit klar, dass keine punktuellen Lösungen möglich sind. Auch die abenteuerliche Idee der Verkehrsdezernentin, einfach die Messstellen zu versetzen, sollte sich damit erledigt haben.“

Grüne sehen und Bund und Land in der Pflicht

Die Kölner Grünen im Stadtrat sehen den Schwarzen Peter weiterhin bei Bund und Land. So sagt deren Fraktionsgeschäftsführer und verkehrspolitische Sprecher Lino Hammer, der weiterhin die Blaue Plakette fordert: „Das Urteil hat uns in der Sache nicht wirklich überrascht. Das Land NRW und vor allem der Bund haben es über Jahre versäumt, strengere und verbindliche Regeln einzuführen, um eine 20 Jahre alte EU-Richtlinie umzusetzen. Mit dem heutigen Urteil haben wir die Quittung für diese jahrzehntelange Untätigkeit erhalten.“ Die Grünen fordern die Landesregierung aus CDU und FDP auf das Urteil zu akzeptieren und von einer Berufung Abstand zu nehmen.

Die SPD wirft der Kölner Stadtspitze kollektive Verantwortungslosigkeit vor

Andreas Pöttgen, verkehrspolitischer Sprecher der SPD im Stadtrat schriftlich: „Dieses Urteil ist nur eines: vorhersehbar! Wieder und wieder haben wir die Stadtspitze aufgefordert, Maßnahmen für bessere Luft zu ergreifen. Maßnahmen, die alle schon lang auf dem Tisch liegen. Aber außer gegensätzlichen Aussagen in regelmäßigen Interviews ist aus dem Verwaltungsvorstand nichts gekommen.“ Wilfried Becker, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Statt immer neue und folgenlose Konzepte auszubrüten, muss die Verwaltung endlich entschlossen handeln. Die Gesundheit von uns allen muss an erster Stelle stehen. Deshalb hatte das Verwaltungsgericht keine andere Möglichkeit, als so zu entscheiden. Die kollektive Verantwortungslosigkeit innerhalb der Stadtspitze hat dem Gericht keine Wahl gelassen.“

Die Kölner CDU zieht Grenzwerte in Zweifel

Bernd Petelkau, Vorsitzender der CDU-Fraktion, schriftlich: „Wir müssen die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und werden uns dann intensiv damit befassen. Bereits jetzt muss die Frage erlaubt sein, ob ein solches, flächendeckendes Fahrverbot verhältnismäßig ist. Verlierer sind vor allem die Handwerksbetriebe oder die Kölnerinnen und Kölner, die vom Wertverfall ihrer Dieselfahrzeuge hart getroffen werden. Für uns hat die Gesundheit der Menschen oberste Priorität. Wir müssen feststellen, dass Gesetze erlassen wurden, die das vordergründig zwar auch zum Ziel haben, aktuell jedoch für große Unsicherheiten sorgen und zu Maßnahmen führen, deren Wirkung für saubere Luft zumindest zweifelhaft sind.“ Mit der Frage nach der Verhältnismäßigkeit lässt die Kölner CDU offen, ob sie für den Gang in die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster ist oder nicht. Dies ist insofern interessant, als das Land NRW, in der derzeit CDU und FDP die Regierung stellen, beklagt wurde und damit nur die Landesregierung in Berufung gehen kann.

Landesregierung geht in Berufung

Diese teilte heute über das von der Kölner CDU-Frau Umweltministerin Ursula Heinen-Esser geführte Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz mit: „Es handelt sich um einen massiven Eingriff in die Verkehrsstruktur der Stadt Köln mit ganz erheblichen Auswirkungen für Anwohner, Pendler und den gesamten Wirtschaftsstandort der Stadt Köln. Die Verhältnismäßigkeit einer derart weitreichenden Entscheidung wurde nicht ausreichend dargelegt. Aus diesem Grund werden wir selbstverständlich in Berufung gehen. Parallel arbeitet die Bezirksregierung mit Hochdruck an der Fortschreibung des Luftreinhalteplans.“

Stimmen aus der Wirtschaft

IHK Köln sieht Gerichtsvorgaben als nicht umsetzbar

„Die Gerichtsvorgaben sind für den Wirtschaftsverkehr jedoch kaum umsetzbar. Wir fordern, dass die Belange der Wirtschaft in der Luftreinhalteplanung maßgeblich berücksichtigt werden. Die Unternehmen benötigen weitreichende Ausnahmen“, teilt Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, schriftlich mit. In der gleichen Mitteilung gibt Dr. Ulrich S. Soénius, stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK Köln und Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik, folgendes Statement ab: „Unsere Unternehmen müssen die Möglichkeit erhalten, sich auf neue Bedingungen einzustellen. Passende Fahrzeuge sind nicht in ausreichender Stückzahl am Markt verfügbar. Eine Übergangszeit von sechs Jahren wäre notwendig, um die Flotten umzustellen.“

Handwerkskammer will Transitverkehr aussperren

Die Kölner Handwerkskammer will vor allem Maßnahmen, die nicht die eigenen Unternehmen betreffen und will zudem erreichen, dass an anderen Punkten, als an den bisherigen gemessen wird. Zudem fordert man die Landesregierung auf gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Aber auch an die Stadt stellt man spitz formulierte Forderungen:  „Es dürfen nur noch nachgerüstete schadstoffarme Busse und Müllfahrzeuge in der Stadt zum Einsatz kommen. Die Stadt muss sofort SCR-Filter bei Bussen und LKW nachrüsten. Wir brauchen zudem an den Hotspots LKW-Fahrverbote und ein LKW-Führungskonzept für den Transitver-kehr. Am Clevischen Ring muss jetzt umgehend die umweltsensitive Ampel in den Regelbetrieb genommen werden.“

Autor: Andi Goral
Foto: Ein Wagen tankt Diesel an einer Tankstelle