Köln | In den Kölner Erstaufnahmeeinrichtungen werden viele Flüchtlinge nicht menschenwürdig untergebracht. Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Studie der Technischen Hochschule Köln (TH Köln). Die Stadt Köln müsse mehr Ressourcen bereitstellen und ihre selbst auferlegten Mindeststandards einhalten.

„In den Kölner Erstaufnahmeeinrichtungen werden viele Flüchtlinge zurzeit nicht menschenwürdig untergebracht.“ Diese Schlussfolgerung zieht Prof. Dr. Markus Ottersbach von der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln aus einer Studie zur Situation von Flüchtlingen in Köln. Diese führte er zusammen mit Petra Wiedemann 2016 durch. „Turnhallen und Leichtbauhallen sind nur bedingt zur Erstversorgung geeignet. Zudem werden viele Flüchtlinge über mehrere Monate dort untergebracht, ohne jegliche Privatsphäre. Das ist nicht akzeptabel“, sagt Ottersbach.

Unter anderem fordert Ottersbach die Stadt auf, mehr Ressourcen bereit zu stellen und die beschlossenen Mindeststandards einzuhalten. Der Rat der Stadt Köln habe bereits 2004 „Leitlinien für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in Köln“ beschlossen. Darin werde unter anderem festgelegt, dass Flüchtlinge maximal drei Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen verbringen sollten. Gerade für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie Kinder und Jugendliche, Schwangere, Menschen mit Behinderungen oder Traumatisierte sei diese Art der Unterbringung höchst problematisch. „Bewährte Methoden, um eine Traumatisierung festzustellen, werden in den Einrichtungen nicht konsequent angewendet. Darum leben traumatisierte Flüchtlinge mit anderen Flüchtlingen in Turnhallen oder umfunktionierten Baumärkten zusammen, was die psychischen Probleme noch verschärfen kann. Das ist für beide Seiten unzumutbar“, so Ottersbach.

„Nicht zu viele Flüchtlinge, sondern zu wenige Ressourcen“

Auch der Umstand, dass in einigen Unterkünften Kinder, Jugendliche und Erwachsene in einer Halle untergebracht sind, widerspreche dem Jugendschutz. Zudem würden zurzeit rund 300 schulpflichtige Flüchtlinge keinen Unterricht erhalten – entweder weil ihre Daten nicht korrekt erfasst wurden oder weil es an Schulplätzen fehlt. Ottersbach kritisiert auch die unzureichende Ausstattung der Erstaufnahmeeinrichtungen: „Alle unsere Interviewpartner berichteten, dass es nicht zu viele Flüchtlinge gibt, sondern zu wenige Ressourcen, um die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.“ So seien beispielsweise deutlich zu wenig Sozialarbeiter eingestellt. „Empfehlenswert ist ein Verhältnis von 40 bis 60 Klienten pro Betreuungsperson. Bei Traumatisierten oder Jugendlichen eher weniger. Faktisch liegen wir häufig bei einem Verhältnis von eins zu 150“, so Otterbach.

Gezeigt habe die Studie auch, dass Integration erst dann gelingen könne, wenn die Geflüchteten dezentral in ihren eigenen Wohnungen leben könnten. Deshalb müsse die Stadt mehr Sozialwohnungen bauen und so preisgünstigen Wohnraum bereitstellen – nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Geringverdiener, forderte Otterbach. Das sehe auch die Stadtverwaltung in Köln. „Ich glaube aber, dass sie mehr machen könnte“, so Otterbach.

[infobox]Über die Studie
Für die Studie wurden die Leitungen der Flüchtlingsheime und Unterbringungseinrichtungen von der TH Köln schriftlich befragt. Von 82 Angeschriebenen hätten rund ein Viertel an der Studie teilgenommen. Darüber hinaus seien acht Experteninterviews mit Entscheidungsträgern durchgeführt worden. Die Studie wurde gefördert durch das Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW).

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Autor: co, TH Köln
Foto: Auch die Turnhalle in Köln-Weiden wurde als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt