Köln | In einer aktuellen Studie sind Wissenschaftler des Instituts für Soziologie und Sozialpsychologie an der Kölner Uni der Frage nachgegangen, wie sie zu Flüchtlingen stehen. Die Einstellungen sind differenzierter und positiver, als es die aktuelle Flüchtlingsdebatte erahnen lässt.

So zeigen die empirischen Untersuchungen von Prof. Dr. Jürgen Friedrichs und seinem Team (felix Leßke und Vera Schwarzenberg) weitgehend positive Meinungen zu Flüchtlingen. Das Forscherteam hatte rund 2.200 Anwohnerinnen und Anwohner in Hamburg (Harvestehude und Bergedorf), Köln (Ostheim und Rondorf) und Mülheim an der Ruhr (Mitte und Saarn) zu ihren Einstellungen gegenüber Flüchtlingen befragt. Die Probanden wohnten in Siedlungen, die sich jeweils in Quartieren mit einer Flüchtlingsunterkunft befanden. Die Befragten hatten also in ihrem Wohnumfeld durchaus Erfahrungen mit Flüchtlingen machen können.

Die Befragung verlief in zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen- Die erste wurde in Form mündlicher Interviews vom Frühjahr 2016 bis Winter 2017 durchgeführt. Die zweite Welle erfolgte ein Jahr nach der ersten Befragung schriftlich im Frühjahr 2018. Es zeigt sich, dass die Einstellungen auch im zeitlichen Verlauf sehr positiv sind. So empfinden 47,3 Prozent der Befragten Mitgefühl für Flüchtlinge in Deutschland und 26,5 Prozent sehen Flüchtlinge positiv. Nur 5,1 Prozent gaben an, dass sie Flüchtlingen negativ gegenüberstünden. Immerhin zehn Prozent der Befragten finden jedoch, dass zu viele Flüchtlinge aufgenommen wurden und weitere 12,1 Prozent fordern eine Zuzugskontrolle.

Akzeptanz abhängig von sozio-ökonomischen Faktoren

Im Rahmen ihrer Untersuchung an den sechs Standorten zeigte sich jedoch auch ein deutlicher Abstand in der Akzeptanz von Flüchtlingen. Während in den beiden eher wohlhabenden Siedlungen Harvestehude und Rondorf die Summe der positiven Antworten bei 80 und 84 Prozent lag, zeigten die Befragten in Mülheim-Mitte und Köln-Ostheim, zwei eher weniger wohlhabenden Stadtteilen, mit 62 bzw. 67 Prozent positiven Antworten deutlich weniger Verständnis und Wohlwollen. Auch die Frage des sozialen Status, gemessen am Bildungsniveau, spielte bei der Akzeptanz von Flüchtlingen eine Rolle. Darüber stellten die Forscher noch weitere Fragen zu den Einstellungen der Anwohner von Flüchtlingseinrichtungen.

„Wir nahmen zunächst an, dass man zwar Flüchtlingen gegenüber generell positiv eingestellt sein könnte, vor der eigenen Haustür aber dennoch keine Flüchtlingsunterkunft akzeptieren würde. Das trifft nicht zu“, betonte Studienleiter Friedrichs.

Tatsächlich stellten die Forscher fest, dass in der zweiten Befragungswelle die mehrheitlich positive Einstellung gegenüber Flüchtlingsunterkünften sogar noch zunahm. Während der ersten Befragung ermittelten die Forscher 72 Prozent positive Antworten und sechs Prozent Ablehnung. In der zweiten Befragung lag die Summe der positiven Antworten sogar bei 94,9 Prozent. Landläufige Gegenargumente wie Müll und Lärm spielten bei den Anwohnern und Anliegern mit vier Prozent in der ersten und drei Prozent in der zweiten Fragerunde kaum eine Rolle.

Werden die Ängste präziser definiert, gehen sie zurück

Mit zweijähriger Verzögerung: Die Flüchtlingsdebatte hat zwischen 2017 und 2018 an Polarisierung zugenommen, fanden die Kölner Soziologen heraus.

Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht diese Entwicklung dafür, dass sich die ohnehin große Akzeptanz der Flüchtlingsunterkünfte im Wohngebiet nach dem Einzug der Flüchtlinge im Laufe der Zeit durch Gewöhnungseffekte und positive Erfahrungen verstärkt hat oder Befürchtungen nicht eingetreten sind. Das trifft ohne Weiteres auch auf weitere diffuse Ängste zu, die mit dem Aufkommen der Flüchtlingsdebatte nach 2015 einhergingen. Die Debatte und der Bundestagswahlkampf mit dem Einzug der AfD in den Bundestag dürften einer der Hauptgründe für die zunehmende Polarisierung sein. Während der Anteil derjenigen, denen die vielen Flüchtlinge keine Angst machten mit 62 (2017) bzw. 60 (2018) Prozent nahezu konstant blieb, stieg der Anteil der Skeptiker im gleichen Zeitraum von 27 auf 40,5 Prozent. 2017 noch hatten elf Prozent auf diese Frage mit „weder noch“ geantwortet, der Anteil dieser Aussagen tendierte in der zweiten Befragung gen Null.

Allerdings gab es auch hier ein differenziertes Bild. So sank etwa der Anteil derjenigen, die wegen der Zuwanderung eine zunehmende Konkurrenz für den hiesigen Arbeitsmarkt befürchteten. 2017 noch bei 14,2 Prozent ging dieser Prozentsatz innerhalb von nur einem Jahr auf 9,3 Prozent zurück. Nicht ganz so deutlich sank der Anteil derjenigen, die durch die Flüchtlinge die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zunehme. Der Anteil der Speptiker ging dennoch von 32 auf 29,5 Prozent, obwohl im Zeitraum zwischen den beiden Befragungen die Wohnungsnot sogar Wahlkampfthema war. Lediglich die diffuse Angst, dass der Einfluss des Islam auf Deutschland zunehme, stieg zwischen der ersten und zweiten Runde von 26,2 auf 32,1 Prozent. Grundsätzlich stellten die Forscher auch hier einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Anteil der Verängstigten und dem sozialen Status fest.

Wendepunkt Silvesternacht 2015/16

Allerdings haben die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht 2015/16 durchaus Eindruck hinterlassen. So gab ein knappes Drittel (32,1 Prozent) an, dass die persönliche Einstellung zu Flüchtlingen sich geändert habe, weitere 8,8 Prozent antworteten, dass die veränderte Einstellung gegenüber den Zuwanderern „vorrübergehend“ sei. Die Mehrheit mit 59 Prozent antwortete auf diese Frage mit „Nein“.

Immerhin ein Viertel der Befragten (25 Prozent) fühlten sich nach diesen Vorfällen insgesamt „unsicherer“, 38 Prozent wurden generell kritischer. Frauen zeigten sich deutlich signifikanter betoffen als Männer. Während nur 36,6 Prozent ihre Einstellungen änderten, lag der Anteil bei Frauen bei immerhin 44,7 Prozent.

Das Fazit: Kleine Unterkünfte in wohlhabenden Stadtteilen

In ihrem Fazit raten die Wissenschaftler, neue Flüchtlingsunterkünfte vor allem dort zu errichten, wo die Chancen für eine gute Integration am höchsten sind, und das sind eben die Gegenden mit hohem Bildungsniveau und hohem sozio-ökonomischen Status. Abgehängte Stadtteile wie Mülheim-Mitte oder Köln-Ostheim eignen sich weniger. Allerdings gelte das nur für kleinere Unterkünfte.

Diese Empfehlung verblüfft ein wenig, weil gerade in den gut geeigneten Quartieren die Vorbehalte und Proteste im Vorfeld deutlich häufiger waren als in den weniger wohlhabenden Stadtteilen.

Autor: rk
Foto: Flüchtlingsunterkünfte eignen sich nicht in jedem Wohnquartier. Das ergab eine breit angelegte Untersuchung Kölner Soziologen unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Friedrichs.