Berlin | Von gewaltbereiten Rechtsextremisten geht in Deutschland eine wachsende Gefahr aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schreibt in einer vertraulichen Analyse, über welche die „Welt am Sonntag“ berichtet, von „rechtsterroristischen Ansätzen und Potenzialen“, die sich „in unterschiedlichen Strömungen und Spektren der rechtsextremistischen Szene“ entwickelten, „aber auch am Rande oder gänzlich außerhalb der organisierten rechtsextremistischen Szene.“ Als maßgebliche Akteure würden mittlerweile „vor allem wenig komplex organisierte Kleingruppen und Einzelpersonen in Erscheinung“ treten. Der Fall eines Oberleutnants beim MAD geht juristisch in die zweite Runde, die Kölner Staatsanwaltschaft legte Berufung ein.

Austausch via Online

Der Austausch zwischen den Kleinstgruppen und die Radikalisierung fänden primär online statt, die Rechtsextremisten vernetzten sich über soziale Netzwerke oder Messengerdienste. Im Netz bestünden „hohe Risiken in Bezug auf Radikalisierung, Mobilisierung und Konspiration“. Für die nachrichtendienstliche Arbeit müssten deshalb vor allem die Internetaktivitäten von Rechtsextremen beobachtet werden.

Viele der Akteure seien außerdem „erst seit wenigen Monaten oder Jahren rechtsextremistisch aktiv, teilweise handelte es sich um bislang gänzlich unbekannte Personen“. Kaum noch Einfluss haben dagegen klassische größere rechtsextreme Organisationen, in denen sich potenzielle Straftäter sammelten. Insgesamt sei die Überwachungsarbeit aus diesen Gründen in den vergangenen Jahren „deutlich arbeits- und personalintensiver geworden“.

Themen sind „Asyl“, „Migration“ und „Islam“

Als inhaltlicher Treibstoff für rechtsterroristische Ideen wirkten derzeit vor allem die gesellschaftlichen Themenfelder „Asyl“, „Migration“ und „Islam“. Rechtsextremisten planten und trainierten vorwiegend anhand von „improvisierten Sprengstoffanschlägen“. Außerdem haben die Behörden Hinweise darauf gefunden, dass sich Rechtsextreme auf ein „`Bürgerkriegsszenario` und den befürchteten Zerfall der öffentlichen Ordnung“ vorbereiteten.

Dies schließe auch den Gebrauch von Schusswaffen ein. Die Analyse des Verfassungsschutzes zeigt allerdings auch: Die Gesamtheit der Aktivitäten der Rechtsterroristen – genannt werden improvisierte Sprengstoffdelikte, Messerattacken, Brandstiftungen – seien unzureichend organisiert. Es bestünden „eklatante Lücken zwischen Planung und Realität“. Rechtsextremistische Strukturen seien „heute für unsere Demokratie so gefährlich wie noch nie nach 1945“, sagte Konstantin von Notz, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Bundestag, der „Welt am Sonntag“.

Ihre Verbindungen reichten bis in die Regierungen europäischer Nachbarländer, Landesparlamente, den Deutschen Bundestag, in Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr. „Diese Entwicklung, auch ihre eventuelle Steuerung aus dem Ausland, sind unzureichend verfolgt und aufgeklärt worden“. Seine Parlamentskollegin und innenpolitischen Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, ergänzte: „Im Zentrum muss die Betrachtung der Zusammenhänge rechtsextremer Akteure stehen, die sich eben nicht über Partei- oder Vereinsmitgliederlisten ergeben, sondern im Wesentlichen darüber, Wege der Mobilisierung nachzuvollziehen.“

Kölner Staatsanwaltschaft geht in die Berufung

Unterdessen geht der Fall eines Oberleutnants des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) juristisch in die nächste Runde: Der Mann war im März vor dem Amtsgericht Köln vom Vorwurf des Geheimnisverrats freigesprochen worden. Auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ teilte die Staatsanwaltschaft Köln nun mit, dass Berufung eingelegt wurde. Die Behörde wirft dem Oberleutnant vor, einen Soldaten vor einer bevorstehenden Razzia gewarnt zu haben. Der Mann bestreitet das.

Autor: dts
Foto: Symbolbild