Köln | aktualisiert | Heute Nachmittag entscheidet das Kölner Verwaltungsgericht über eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land NRW und damit über Dieselfahrverbote in Köln. Report-K Reporter Ralph Kruppa ist vor Ort und wird von der Entscheidung berichten. In Berlin ergab eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion über die das „Handelsblatt“ berichtet, dass die betroffenen 65 Städte und Kommunen aus dem eine Milliarde Euro schweren Förderprogramm „Saubere Luft“ der Bundesregierung bislang unter einer Million Euro abgerufen haben. Die Kommunen wehren sich gegen den Vorwurf und in Berlin trifft Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, CSU, heute Automanager. Bundesumweltministerin Svenja Schulze, SPD, fordert Hardwarenachrüstungen von Dieselfahrzeugen auf Kosten der Autohersteller. Die Handwerkskammer zu Köln lobbyiert dagegen für ihre 33.000 Mitgliedsbetriebe mit rund 80.000 Dieselfahrzeugen und erhebt schwere Vorwürfe gegen das LANUV. Die Kammer fordert zudem bei Gericht angehört zu werden.

[infobox]Entscheidung am Nachmittag erwartet

Die Pressesprecherin des Verwaltungsgerichts Seifert, teilte gegenüber report-K mit, dass eine Entscheidung des Gerichts gegen Nachmittag zu erwarten sei. Insgesamt verhandelt das Gericht drei Verfahren gegen das Land NRW, vertreten durch die Bezirksregierun Köln. Beigeladen sind die Städte Köln und Bonn. In zwei Verfahren klagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in einem dritten ein Bürger.

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In der Verhandlung heute morgen prüfen die Richter in einer mündlichen Verhandlung die Luftreinhaltepläne der Städte Köln und Bonn. In Köln werden die Grenzwerte beim Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten. Für beide Städte wird der Luftreinhalteplan aktuell überarbeitet. Allerdings ist der Kölner Plan noch nicht von der Bezirksregierung Köln offen gelegt.

Handwerkskammer Köln erhebt schwere Vorwürfe gegen das LANUV

Einen Tag vor der gerichtlichen Entscheidung ging die Handwerkskammer zu Köln mit dem Titel „Handwerkskammer führt den Nachweis: Stickoxidmessungen vom LANUV fehlerhaft“ an die Öffentlichkeit und erhebt damit schwere Vorwürfe gegen das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Die Handwerkskammer zieht den Standort des Messcontainers auf dem Clevischen Ring in Zweifel.

In einer schriftlichen Mitteilung der Kammer wird deren Hauptgeschäftsführer Weltrich zitiert: „Wir haben uns die Messstellen in Köln alle angese-hen. Einige sind unseres Erachtens rechtlich bedenklich. Der Messcontainer am Clevischen Ring ist direkt auf der Straße in einer Parktasche aufgestellt und dazu noch unter Bäumen. Das entspricht nicht den Vorgaben der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (39. BImSchV)“. Die Handwerkskammer habe nun eigene Messstellen eingerichtet an anderen Orten passiv Werte gesammelt. Diese wichen von denen des LANUV ab, stellt die Handwerkskammer fest: „Am Clevischen Ring können wir die Werte nach den ersten drei Messmonaten August, September und Oktober vergleichen. Im August haben wir einen Durchschnittswert von 48,5 μg/cbm, das LANUV 60,4 μg/cbm ermittelt. Im September lag unser Monatsdurch-schnittswert bei 54,3 μg/cbm, beim LANUV bei 66,5 μg/cbm. Im Oktober konn-ten wir eine NO2-Konzentration von 51,1 μg/cbm feststellen, die LANUV-Messstelle weist im gleichen Zeitraum eine Konzentration von 60,4 μg/cbm aus. Der Unterschied ist deutlich. Auch aufgrund dieser Tatsache halten wir in Köln Dieselfahrverbote für unverhältnismäßig und haben eine Schutzschrift erstellt und sie dem Verwaltungsgericht Köln mit der Bitte zukommen lassen, die Handwerkskammer zu Köln beim Verfahren zum Luftreinhalteplan Köln am 8. November beizuladen.“

Das die Grenzwerte auch bei den eigenen Messwerten überschritten werden, verschweigt die Mitteilung der Handwerkskammer zu Köln, die Lobbyarbeit für Ihre 33.000 Mitgliedsunternehmen im Kammerbezirk macht. Die Kammer stellt fest, dass rund 80.000 Fahrzeuge der ihr angeschlossenen Betriebe von einem Dieselfahrverbot betroffen wären. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen auf die betroffenen Bürgerinnen und Bürger äußert sich die Handwerkskammer nicht.

Bundesregierung: Kaum Mittelabruf bei Förderprogramm „Saubere Luft“

Bislang wurden nach Angaben der Bundesregierung kaum Gelder aus dem „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ abgerufen. Das geht aus der Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, über die das „Handelsblatt“ (Donnerstagausgabe) berichtet. Aus dem beim Dieselgipfel vor mehr als einem Jahr aufgelegten „Fonds Saubere Luft“ flossen demnach bisher 935.000 Euro ab.

Das entspricht ungefähr 0,1 Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden Fördersumme von einer Milliarde Euro. Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic bezweifelte vor diesem Hintergrund die Wirksamkeit des Sofortprogramms. „Die Argumentation der Regierung, dass ihre Maßnahmen gegen Fahrverbote bereits greifen, ist also ad absurdum geführt“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem „Handelsblatt“ (Donnerstagausgabe).

„Das Förderverfahren ist zu bürokratisch für Kommunen, die ansonsten sinnvolle Projekte anschieben würden.“ Nach Angaben des Ministeriums überschreiten derzeit noch 65 Städte den Grenzwert von 40 Mikrogramm des giftigen Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft. Lediglich 15 dieser Städte haben bisher Mittel aus dem Förderprogramm „Saubere Luft“ abgerufen.

Mit Mitteln aus dem Programm soll auch die Nachrüstung kommunaler Dieselbusse mit Stickoxidminderungssystemen gefördert werden. Laut Ministerium wurden bisher über 31 Förderanträge gestellt, aber noch kein Dieselbus nachgerüstet. Der FDP-Politiker Luksic forderte daher eine „ganzheitliche Strategie zur Modernisierung und Digitalisierung des Verkehrs“.

Dass die Bundesregierung dennoch weiter an der bisherigen Struktur des Sofortprogramms festhalte, statt nachzusteuern, sei ein „Zeichen der Ideenlosigkeit bei der Verhinderung von Fahrverboten in Deutschland“. „Stattdessen brauchen wir eine gezielte Nachrüstung und Digitalisierung des Verkehrs, um Emissionen schnell und nachhaltig zu senken“, so Luksic.

Kommunen mahnen Autobauer und Politik zur Einigkeit in Diesel-Frage

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hat vor einem Spitzentreffen zu Hardware-Nachrüstungen bei älteren Dieselautos Autokonzerne und Bundesregierung aufgefordert, ihren Streit zu beenden. „Um Fahrverbote zu vermeiden müssen Automobilindustrie und Politik endlich zusammenarbeiten und die Maßnahmen des Konzepts für saubere Luft in den Städten umsetzen“, sagte Landsberg dem „Handelsblatt“. Die Kommunen seien sich hier ihrer Verantwortung bewusst und rüsteten zurzeit die eigenen Flotten um, investierten in den öffentlichen Nahverkehr und die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.

„Es wäre dringend an der Zeit, dass auch die Hersteller ihren Teil beitragen und wirksame Hardware-Nachrüstung anbieten.“ Landsberg wandte sich zugleich gegen Äußerungen von BMW-Chef Harald Krüger, der Städten vorgeworfen hatte, die Gelder aus dem milliardenschweren Umweltfonds nicht haben zu wollen. „Hier muss die Frage erlaubt sein: Können Städte auch dann Dieselfahrer verbannen, wenn sie ihre unmittelbar eigenen Möglichkeiten zur Verbesserung der Luftqualität – vom Kraftwerk bis zum Stadtbus – gar nicht ausreichend ausschöpfen?“, hatte Krüger am Mittwoch gesagt.

Landsberg sagte dazu, die Kritik Krügers spiegele nicht das wider, was derzeit tatsächlich in den Städten passiere. „Die Automobilindustrie wäre gut beraten, einmal auf Ursache und Wirkung zu schauen“, sagte er. Verursacher der Diesel-Problematik seien einige Hersteller, wenn auch nach derzeitigem Informationsstand nicht BMW, die Grenzwerte nicht eingehalten hätten.

„Die Auswirkungen dieses Vorgehens haben die betroffenen Kommunen zu tragen.“ Landsberg räumte zwar einen geringen Mittelabruf aus dem von der Bundesregierung aufgelegten „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ ein. Diese liege aber nicht an der geringen Nachfrage, sondern vielmehr an dem gewählten Verfahren, „nach dem die Mittel erst nach Abschluss der jeweiligen Maßnahme freigegeben werden“.

Schulze verlangt von Herstellern Zusage für Hardware-Nachrüstungen

Vor einem Treffen von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit Auto-Managern hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Zugeständnisse der Industrie verlangt. „Die Autohersteller haben heute die Chance, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und verlorenes Vertrauen wieder herzustellen“, sagte Schulze der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). „Sie haben gesamtgesellschaftlich etwas gut zu machen.“

Ohne Millionen Diesel mit hohen Stickoxidwerten und betrügerischer Abgasmanipulation hätte man sich viele Auseinandersetzungen sparen können. „Ich erwarte von den Autobauern daher ein klares Ja zu Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkw und zur vollständigen Kostenübernahme“, sagte Schulze. Sie seien das wirksamste Mittel, um die Luftbelastung zu senken und die Wertverluste der Diesel aufzufangen. „Technisch sind sie bei Weitem nicht so kompliziert, wie uns das teilweise weiß gemacht werden soll“, so die Umweltministerin.

VDA-Präsident: „Luft war nie sauberer“

Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), hat das Engagement der Autoindustrie zur Verbesserung der Luftqualität gegen Kritik verteidigt. „Die Luft in Deutschland war nie sauberer als heute: So sind die Stickoxidemissionen des Straßenverkehrs in Deutschland seit 1990 um rund 70 Prozent zurückgegangen – obwohl die Verkehrsleistung im gleichen Zeitraum um 50 Prozent gestiegen ist“, sagte Mattes der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstagsausgabe). Vor dem Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der VDA-Präsident: „Die deutsche Automobilindustrie übernimmt Verantwortung für die Verbesserung der Luftqualität in Städten. Dafür tun wir einiges: Wir installieren kostenlose Software-Updates bei über 5,3 Millionen Diesel-Pkw.“ Die Unternehmen hätten die bisherigen Umtauschprämien nochmal deutlich aufgestockt und ein „sehr attraktives Erneuerungsprogramm“ gestartet. Zudem beteiligten sich BMW, Daimler und der Volkswagen-Konzern maßgeblich am Mobilitätsfonds der Bundesregierung.

„Die Maßnahmen wirken bereits. Die Anzahl der belasteten Städte geht stetig zurück.“ Als oberstes Ziel der Autobauer im Dieselstreit nannte Mattes die Vermeidung von weiteren Fahrverboten.

Hardwarenachrüstungen hält der VDA-Präsident für wenig effektiv: „Ein modernes Fahrzeug emittiert fast zehnmal weniger als ein alter Diesel. Eine Hardwarenachrüstung könnte die Stickoxid-Emissionen maximal halbieren.“

Autor: Ralph Kruppa, Andi Goral, dts