Köln |  Eine Zeitreise in die Historie der Tanzpaare der Blauen Funken. „Ich mööch zo Foß no Kölle …“ erzählt Lotti Bleser, heute Rylka, sang ihre Mutter als sie während des Zweiten Weltkriegs fern der Heimat im Frankfurter Raum waren. Bleser war Marie der Blauen Funken in den Jahren 1948 und 1949. Sie ritt im Damensattel auf den Pferden des Zirkus Williams durch den Rosenmontagszug. Es ist ein Sonntagnachmittag im Oktober 2017 als sich die Tanzpaare der Blauen Funken aus 68 Jahren im Turm der Blauen Funken trafen. Die interviewte Andi Goral. Die Idee für die report-K Produktion stammt von Michael Nopens und Dr. Armin Hoffmann von den Blauen Funken.

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Mit ihren Bildern und Fotoalben aus längst vergangenen Zeiten, bei manchen schon leicht vergilbt, ging es auf eine emotionale Zeitreise. Es gibt etwas das sie alle eint: Wenn die Tanzmariechen und Tanzoffiziere von ihrer aktiven Zeit schwärmen, beginnen ihre Augen zu leuchten. Diese unbändige Energie ist wieder zu spüren, die sie auf der Bühne versprühten, wenn es hieß und heißt: Jetzt kommt das Schönste was die Blauen Funken zu bieten haben und der Aufruf „Marieche tanz“ folgt.

Schnitzler hoch geehrt

Vieles eint die Tanzmariechen und Tanzoffiziere, etwa wenn sie vom Drill des Ballettmeisters Peter Schnitzler erzählen. Alle sprechen voller Hochachtung von diesem Großmeister des karnevalistischen Tanzes und loben wie viel sie bei ihm lernten. Selbst Irmgard Huben, die vom klassischen Ballett kam, berichtet voller Respekt von dem Feinschliff den ihr Schnitzler vermittelte. Viele Jahrzehnte standen die tänzerischen Elemente im Vordergrund des Mariechentanzes und weniger die Akrobatik. Dies wird deutlich wenn man in die Historie des Mariechentanzes der Blauen Funken eintaucht. Lotti Bleser trug noch einen langen Rock und durfte die Beine nicht zu hoch werfen. Sie tanzte mit Charly Thielen und sagt mit einem verschmitzten Lächeln: „Das war ein ganz Süßer.“ Es gab keinen Gürzenich, die Sitzungen fanden im Hotel Europa statt und der Sartory erwachte gerade zum Leben. Die Uniform musste sie sich selbst besorgen, geschult wurde sie von einer Balletmeisterin der Kölner Oper und es war schwierig Bonbons für den Rosenmontagszug zu organisieren. Als berittenes Korps erlebten die Mariechen der Blauen Funken im Damensattel bis in die 90er Jahre den Rosenmontagszug und waren davon wenig begeistert. Es sei schwierig gewesen Kamellen und Strüßjer zu werfen und parallel das Pferd im Zaum zu halten, sagen fast alle die, die reiten mussten. Zudem bedeutete dies eine zusätzliche zeitliche Belastung: Zu den vielen Trainingsstunden zur Perfektionierung des Tanzes gesellten sich Reitstunden.

Tanztraining mit Klavierspieler

Helga Tauschert, geborene Schmidt, die mit Karl-Heinz Herf von 1950-54 für die Funken tanzte, erzählt etwa von einem störrischen Schimmel, der sich immer wieder aufbäumte und ihr den Rosenmontag verleidete. Sie musste ihre Mariechenuniform und die Stiefel selbst bezahlen und der Rock ging übers Knie. Herf hatte nur sechs Wochen Zeit für das Training, denn der eigentlich vorgesehene Tanzoffizier war zu dick und wurde ausgemustert. Heute werden Tanzoffizier wie  Nicolas Bennerscheid oder Marie Steffens „gecastet“. Bei Herf lief das ein wenig anders. Sein Schwager nahm ihn mit ins Brauhaus Päffgen auf der Friesenstraße, wo im auf der linken Seite gelegenen kleinen Saal die Blauen Funken unter Präsident Hanns Goebbels tagten. Der stellte ihn vor: „Meine Herren, erschrecken sie nicht, dass ist unser neuer Tanzoffizier.“ Heute sagt Herf, er sei damals ein schmales Hemd gewesen. Trainiert hat das Tanzpaar Anfang der 1950er Jahre in der Ehrenfelder Gaststätte „Lehnchen Bonrath“. Für die Musik sorgte ein Klavierspieler. Das Korps trat damals mit18 Mann auf und bildeten die Reihe vor dem das Tanzpaar tanzte. Zu den Auftritten fuhren die Funken und das Tanzpaar nicht im Komfort-Luxusreisebus sondern mit privaten PKW. Manchmal waren wir sechs oder sieben Mann in einem Wagen, erinnert sich Herf und an ein Auto besonders: „Der Schatzmeister besaß einen Opel Kapitän“. Viel wurde damals improvisiert. So erinnert sich Herf an einen Rosenmontagszug bei dem es furchtbar regnete. Er trug seinen Hut, der damals aus Pappe war: „Als ich um den Dom geritten bin kam der Hut, völlig aufgeweicht nach unten“. Eine einzige Hebefigur musste das Tanzpaar damals beherrschen: Helga Tauschert musste auf der Schulter ihres Tanzoffiziers sitzen.

Die 70er Jahre

Machen wir einen Zeitsprung ins Jubiläumsjahr 1970. Die Blauen Funken feiern ihr 100-jähriges Jubiläum und Inge Burkhardt, heute Knoblauch, tanzte nur diese eine Session. Gesundheitliche, familiäre und berufliche Gründe machten weitere Sessionen unmöglich. Martina Steinmetz, geborene Stommel tanzte mit Peter Windheuser die nächste große Jubiläumssession, 125 Jahre Blaue Funken. Die Vereinsgeschichte wurde in fünf Bildern getanzt, einstudiert in einer Choreographie von Peter Schnitzler. Das Lied „Zusammen“ getanzt auf die „Go West“-Melodie, die in ihrer bekanntesten Version gesungen von der US-amerikanischen Band Village People, blieb in Erinnerung. In dieser Zeit waren in die Tänze schon viele Hebungen eingebaut, aber sie entwickelten sich aus dem Tanz selbst heraus, beschreibt Steinmetz den Unterschied zum heute beliebten noch akrobatischer ausgestalteten modernen Mariechentanzstil.

Die bisherige Rekordhalterin

Die Rekordhalterin an Jahren als Marie der Blauen Funken ist Claudia Windheuser. „Das Tanzen war mein Leben und ich habe alles darauf ausgerichtet“, erzählt sie heute. Sie kam aus der Tanzgruppe Original Matrosen vum Müllemer Böötche. Viele Hebungen wurden in den Mariechentanz eingebaut. Zum Leidwesen von Peter Schnitzler erzählt Windheuser, die die letzte Marie ist, die noch geritten ist. Alle anderen fuhren danach in der Kutsche durch den Rosenmontagszug. Viele Jahre tanzte auch Sandra Burrenkopf von 2002 bis 2010 für die Blauen Funken. Im Jahr 2016 tanzte sie als Ersatzmarie nach sechs Wochen Training mit Nicolas Bennerscheid für Corinna Hambach in China . Burrenkopf und ihr Tanzoffizier Oliver Scholl stehen für leidenschaftlichen perfekten Tanz. Ihre Bewerbung habe sie auf Kölsch geschrieben und vorher bei der Luftflotte getanzt, erzählt Burrenkopf. Ein Bewerbungsgespräch und dreimal musste sie vortanzen bevor ihr Traum wahr wurde. „Ich würde heute noch einmal alles genau so machen“, sagt sie. Scholl wollte eigentlich als Tanzoffizier bei Jan von Werth beginnen. Aber dann gab es einen Tanzoffizierstausch und so kam er zu den Blauen Funken. Viele Funken erinnern sich noch an den sehr emotionalen Abschied des Tanzpaares auf der eigenen Kostümsitzung, begleitet von den neun Tanzpaaren der anderen Traditionskorps.

„Tanzpaar des Jahres“ – gleich zweimal

Auch wenn sich das Tanzpaar Scholl und Burrenkopf auf den Abschied zwei Jahre vorbereitet hatte, war, so Scholl der Abschied von 100 auf Null doch nicht ganz einfach. Corinna Hambach verabschiedete sich letztes Jahr von der karnevalistischen Bühne aus persönlichen Gründen. Viel hat sie ihrer Nachfolgerin Marie Steffens mit auf den Weg gegeben, wie Nicolas Bennerscheid, der Tanzoffizier der beiden Mariechen erzählt. Steffens reiste bereits mit den Funken ins Reich der Mitte und tanzte dort schon für Köln und die karnevalistischen Artelleristen. Bennerscheid und Hambach tanzten drei Sessionen und räumten zweimal den Titel „Tanzpaar des Jahres“ ab. Hambach spricht von einer für sie prägenden Zeit und hebt das sehr persönliche Training unter Jens Hermes und Peter Schnitzler hervor. Etwas, das auch Livio Carrieri, Tanzoffizier von 2011 bis 2014 besonders genossen hat. Er kam mit seiner Marie Nathalie Davepon ebenfalls von der Luftflotte und stellt klar, dass man als Tanzpaar eines Traditionskorps viel mehr im Fokus steht, als Teil einer Tanzgruppe. Die Emotionen in der Kutsche an Rosenmontag seien überwältigend gewesen.

Solidarische Ex-Mariechen

Das stand der jüngsten Tanzmarie im Oktober noch bevor, Marie Steffens, deren Uniform jetzt fertig ist und die damls darauf wartete für die Blauen Funken zu tanzen. Ihr erster großer Auftritt war der Regimentsappell im Gürzenich sein und der gelang bravourös. Dann saßen dort auch ihre Vorgängerinnen aus 68 Jahren wieder sitzen und ihren Auftritt nicht ohne Gänsehaut begleiten, mit ihr mitfiebern und sich daran erinnern was es bedeutet für die Blauen Funken in den karnevalistischen Himmel der Fastelovendsbühnen gehoben zu werden. Und wie es sich anfühlt, wenn der Mariechentanz getanzt ist, man nach Luft ringt und der Jubel von mehr als 1.000 Menschen auf einen zurollt. Der Moment wenn die Mühen, Entbehrungen und Schmerzen des monatelangen Trainings einfach wie weggeblasen sind. Und sie wissen, dass sie die jüngste Marie immer wieder an ihrem Tisch auffangen werden, wenn eine Jüngere folgt und die schönsten Jahre sich in Bildern und Fotoalben noch einmal nachempfinden lassen.
Nachtrag: Nicolas Bennerscheid erklärte wenige Wochen nach dem Interview, dass er seine letzte Session mit Marie Steffens tanzen wird. Ab 2019 werden die Blauen Funken dann mit einem neuen Tanzoffizier in eine sehr lange Session starten, bei der Aschermittwoch im März liegt.

Autor: Andi Goral | Foto: Michael Nopens
Foto: An einem Oktobertag 2017 trafen sich ehemalige Tanzmariechen und Tanzoffiziere der Blauen Funken in deren Turm und erzählten aus sieben Jahrzehnten Mariechentanz.