Köln | aktualisiert | Da gibt es die großen offiziellen Momente, wenn der erlesene Kreis aus Festkomitee, Oberbürgermister und designiertem Dreigestirn im Senatssaal sich selbst beklatscht. Und es gibt die Randnotizen, wenn ein Tourist aus China neben einem Kostümierten mit Haifischkostüm seinen Kopf zwischen dessen Zähne steckt und dabei juchzend helle gurrende Laute von sich gibt, während seine Frau ihn fotografiert. Es ist Elfter im Elften 2014 und die Stadt wirft für einen Tag Konfetti und Bützjer. Der Vormittag in Schlaglichtern aus dem Historischen Rathaus, Heumarkt, Alter Markt und Domplatte. Jetzt mit Abschlussbilanz der Rettungskräfte.

Fotostrecke 01: Countdown zum Elften im Elften >

Fotostrecke 02: Die netten Jecken von Köln >

Düsseldorf: Hoppeditz Erwachen und Nadelstiche gegen Köln >

Es ist kurz vor 10 Uhr im Kölner Rathaus. Auf den Straßen und über die Domplatte strömen die Jecken in die Kölner Altstadt. Es nieselt leicht und das Wetter ist milde fies. Das stört die Jecken aber nicht. Im Rathaus, Tommy Engel, Teile von Brings, der Höhner und immer mehr Honoratioren aus den Kölner Karnevalsvereinen finden sich ein. Ganz vorne mit dabei die Fittarder KG, die in diesem Jahr zum allerersten Mal das Dreigestirn stellt. Das designierte Dreigestirn sind Holger Kirsch in der Rolle des Prinzen, Michael Müller als Bauer und Sascha Prinz als kommende Jungfrau Alexandra. Im kleinen Kreis unterschreibt das designierte Dreigestirn den Sessionsvertrag im Senatssaal des Rathause, dann spurten Kellnerinnen und Kellner mit Sekt und Selters die steile Treppe hinauf und man hört Klatschen. Anschließend Fototermin und dann die große Runde im Hansasaal des Historischen Rathauses. Dort sind Verwaltung, Ratsmitglieder und Karnevalisten, in der Regel Präsidenten und Vorstände zusammen gekommen.

Gruß aus dem Weltraum

Oberbürgermeister Jürgen Roters erzählt vom Nickabend, der Abend an dem das Dreigestirn dem OB vorgestellt wird, als er von wackelnden Dackeln empfangen wurde und wie sympathisch er das diesjährige Dreigestirn findet. Die drei würden für den Karneval brennen, dass habe er an diesem Abend gespürt. Roters begrüßte es, dass auch kleinere Gesellschaften wie die Flittarder KG vom Stadtrand die Chance erhalten sich in der Innenstadt zu präsentieren. Noch dazu sei der Stadtteil Flittard die letzte Bastion vor Düsseldorf witzelte der OB. Dem designierten Dreigestirn brachte der OB einen Gruß von Alexander Gerst aus dem Weltraum mit.

Ritterbach philosophiert über die Sehnsucht nach Freude

Der Karneval wachse und floriere, verkündete Markus Ritterbach, Präsident des Festkomitee Kölner Karneval, im Rathaus und begründete dies mit der Sehnsucht nach Freude bei den Menschen. Karneval gehe nicht mit einer Flasche Bier zu Hause vor Facebook, sondern nur in der Gemeinschaft Vieler und damit sei der Karneval ein Lebensgegenentwurf zu Social Media. Ritterbach erklärte der Karneval übernehme Aufgaben in der Stadtgesellschaft und man könne den Satz „Social jeck + bunt vernetzt kein Nazi hä auf unseren Plätz“, der in den letzten Tagen von Aktivisten in Köln häufig zu hören war, sofort unterschreiben.

Flittarder Fans jubeln lautstark

Das designierte Dreigestirn wurde mehrfach lautstark aus der Flittarder Ecke bejubelt. Der zukünftige Prinz spricht von einem kölschen Traum und das ihn ein kleines Mädchen den König von Kölle genannt habe und man im Flittarder Supermarkt die ersten Autogramme geben müsse. Sie seien drei Jecke die einfach Freude verbreiten wollten. Der Bauer in Spe wurde heute mit Augenmaß zunächst auf 100kg und später auf 111 kg geschätzt. Der freute sich über die Einschätzung und gab zum Besten, dass er dieses nette Gewicht zum letzten Mal mit 14 Jahren erreicht habe. „Flittard ein Dorf wird Dreigestirn“, rief er den Anwesenden zu und stimmte den Marsch der Flittarder an. Die Flittarder Ecke stimmte sofort mit ein. Die Geschäfte in Flittard würden schon grün, weiß und rot in den Flittarder Farben dekoriert und man wolle die Netze auswerfen und viele Menschen in der Session einfangen. Der weibliche Part, die Jungfrau heißt eigentlich Prinz, wenn das mal nicht zu Verwechslungen führt. Auf dem Heumarkt präsentierten sich die Drei leutselig und versprachen mit Volldampf in eine superjeile Session starten zu wollen.

Marie Luise Nikuta verabschiedet

Ritterbach skandierte „Ni-Ku-Ta“ und der Heumarkt antwortete mit einem Echo. Dann reichte er der Mottoqueen des Kölner Karnevals den Verdienstorden mit Brillianten, eine Auszeichnung, die noch nie an einen Künstler verliehen worden sei, so der FK-Präsident. Sie gehe mit einem lachenden und weinenden Auge, so Marie-Luise Nikuta, die sich freute nach ihrer Krankheit es noch einmal auf diese große Bühne geschafft zu haben. WDR-Intendant Tom Buhrow erhielt den goldenen Ostermannbrunnen der Willi-Ostermann-Gesellschaft. Buhrow erinnerte an seinen Vater, der in Köln geboren sei und versprach der WDR sei mit allen seinen Mitarbeitern immer für „üsch do“. Köln könne stolz auf sein Brauchtum und Liedgut sein, so der WDR Intendant.

Auf der Bühne gaben sich die bekanntesten Karnevalskünstler das Mikrofon in die Hand, der Ehrenpräsident der Willi-Ostermann-Gesellschaft Schmitz-Hellwing sang Ostermann-Lieder, Kasalla, Paveier, Bläck Fööss und Brings, um nur vier zu nennen heizten den Jecken ein. Auch die Rabaue mit ihrem neuen Sänger kamen gut an. Insgesamt war der Eindruck, dass aufgrund des Wochentages weniger Jecke unterwegs waren, wenngleich der Zugang sehr früh gesperrt wurde. Gegen 11:15 Uhr wurde auch die Kreuzung Roonstraße und Zülpicher Straße gesperrt, weil auch im Kwartier Lateng, die Feiernden unterwegs waren.

Staunende Touristen vor dem Kölner Dom

Vom Bahnhofsvorplatz über die Domplatte in Richtung Altstadt drängten sich die Jecken bereits gegen 8 Uhr morgens. Dabei konnte ihnen der immer wieder einsetzende Nieselregen nicht zusetzen. Eine Bigband aus den Niederlanden lud zahlreiche Jecken trotz Windböen und Regen dazu ein, auf der Domplatte eine Schunkel- und Tanz-Pause einzulegen. Immer wieder ließen sich auch hier Gruppen bunter Jecken von staunenden Touristen fotografieren, posierten mit diesen auch für Selfies.

Gegen 11:30 Uhr war der Festsaal des Senatshotels unweit des Kölner Rathauses brechend voll: Oben auf der Bühne standen die „Cölln Girls“ und heizten der Menge ein, die unten mit einer Laola-Welle antwortete. Wenig später im Brauhaus Sion feierten die Jecken bei der „Center TV“-Party und waren gegen Mittag dank der „Klüngelköpp“ innerhalb kürzester Zeit mit 4711 getauft und mit dem Kölsch-Virus infiziert.

Ab dem Nachmittag mehr Schlägereien

Der Start in die neue Session war wie immer sehr friedlich und ausgelassen, aber mit steigendem Alkoholkonsum nahmen leider auch die körperlichen Auseinandersetzungen in der Kölner Innenstadt zu. Das berichtet die Kölner Polizei in einer ersten Bilanz.

Um 15:30 Uhr wurde in der Bechergasse ein Mann bei einer Auseinandersetzung schwer verletzt. Der 45-jährige Mann habe einen Schlag gegen den Kopf erhalten und sei dann gestürzt. Dabei habe er schwere Kopfverletzungen davon getragen. Die Polizei konnte einen mutmaßlichen 37-jährigen Tatverdächtigen vorläufig festnehmen.

Neben der Festnahme von fünf Taschendieben mussten bis 17:30 Uhr weitere 26 Personen in Gewahrsam genommen werden. Vier Männer seien vorläufig festgenommen worden. Ab 12 Uhr wurden auch die Ringe zwischen Barbarossa- und Rudolfplatz gesperrt.

Elfter im Elften: Abschlussbilanz des Rettungsdienstes

Die Leitstelle der Feuerwehr Köln musste laut eigener Angaben in den 24 Stunden vom 11. November 7 Uhr an 609-mal den Rettungsdienst alarmieren. Letztes Jahr seien es 584 Rettungsdiensteinsätze gewesen, so die Berufsfeuerwehr Köln – doppelt so viele Einsätze wie an einem durchschnittlichen Tag, an dem die Kölner Rettungswagen rund 280 Einsätze fahren.

Den Rettungskräften von ASB Köln, Deutschem Roten Kreuz, Feuerwehr Köln, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst standen 54 Rettungswagen und neun Notarzteinsatzfahrzeug zur Verfügung.

Rund um den Heumarkt und den Alter Markt hatten der Malteser Hilfsdienst und das Deutsche Rote Kreuz sechs Unfallhilfsstellen aufgebaut. Auch im Kwartier Lattäng richtete das Deutsche Rote Kreuz zwei Unfallhilfsstellen ein. Von diesen Einsatzkräften konnten kleinere Verletzungen oder Erkrankungen schon vor Ort behandelt werden.

Die höhere Anzahl von Einsätzen für Rettungswagen sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sich die Feierlichkeiten mehr auf die gesamte Innenstadt verteilt hätten, so die Kölner Feuerwehr. Das höchste Einsatzaufkommen verzeichnete die Leitstelle zwischen 15 und 16 Uhr. Am Abend sanken die Einsatzzahlen, so dass sie sich ab 22 Uhr unterhalb des Vorjahresniveaus bewegten.

Autor: Andi Goral, Daniel Deininger
Foto: Die Jecken feierten trotz fiesem Niesel ausgelassen auf dem Heumarkt