Köln | Ein Bart war heute Gesprächsthema Nummer Eins im karnevalistischen Köln. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes spielte auf den Bart schon bei der Begrüßung des Dreigestirns im Kölner Rathaus an und merkte ein wenig spitz an, dass es einige Jahrhunderte zurück läge, dass eine Kölner Jungfrau Bart getragen habe. Der designierte Prinz und Bauer schritten dann auf der Heumarktbühne zur Tat und rasierten die designierte Jungfrau vor 20.000 Jeckinnen und Jecken.

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Elfter im Elften – sehr früh sehr voll

Wer gegen 9:30 Uhr mit der KVB in Richtung Innenstadt fuhr, dem begegneten bereits jede Menge Jeckinnen und Jecken. Schwäbische Herren, nicht unkorpulent, in Schwarzwälder Tracht. Natürlich als schwäbische Mademoiselles, aber mit Dialekt. Da konnte sich schon der ein oder andere Kölner das Grinsen nicht verbeißen. Aber auch Froschköniginnen, Hausmeister, chinesische Jungfrauen und Kerle in Rot und Weiß strebten der Altstadt zu. Dort ist es heute bei fast frühlingshaften Temperaturen für einen Mittwoch sehr voll und die Sperrbereiche mussten früh eingerichtet werden. Am Heumarkt war um 10:15 Uhr schon alles dicht und auch in der Zülpicher Straße musste um 11 Uhr gesperrt werden. Die KVB-Bahn konnte zeitweise die Haltestelle Heumarkt nicht mehr anfahren. Bislang, so die Sprecherin der Kölner Polizei Göbel, sei es allerdings ruhig. Es gab Menschen die zum Ausnüchtern ins Polizeipräsidium gebracht werden mussten. Der Erste, der ins Gewahrsam musste zeigte mehrfach auf einer Platzfläche den „Hitlergruß“ und rief „Heil Hitler“.

Vorstellung des Dreigestirns im Rathaus mit Gesang

Auf der Straße feiern die Jecken ausgelassen und bunt kostümiert. Im Kölner Rathaus war es dann doch ein wenig distinguierter. Zu dunklem Anzug funkelten die Kappen der Hohen Herren und alle – auch die Damen – trugen trotz der Wärme brav den neuen Sessionsschal. Im Rathaus wurde viel gesungen. Ostermannlieder rockten Senatssaal und Hansasaal. Bei der Vorstellung des neuen Dreigestirns sang der Präsident der Großen Kölner und Vizepräsident des Festkomitees Dr. Joachim Wüst die Lieder „Kölsche Jung“, „Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ und „Die Hüsjer bunt om Aldermaat sin Zeuge“. Denn Festkomiteepräsident Markus Ritterbach wünschte sich mehr Atmosphäre bei der Vorstellung. Festzustellen war, dass alle Anwesenden textsicher waren: Jörg Mangen, Präsident von Jan von Werth, Heinz Günther Hunold, Präsident der Roten Funken, der Vorstand des Festkomitees, Alt-OB Jürgen Roters, Winrich Granitzka, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Kölner CDU im Rat, Kirsten Jahn, Fraktionsvorsitzende der Kölner Grünen im Rat, wie auch Jörg Frank, Grüne, Ralph Sterck, FDP oder Martin Börschel, Fraktionsvorsitzender der Kölner SPD, sowie die Bürgermeister Heinen und Bartsch um nur einige zu nennen. Ritterbach betonte wie wichtig die Vorstellung des Dreigestirn sowohl im Hansasaal, als auch auf der Heumarktbühne sei. Denn beides gehöre dem Volk, wie auch der Karneval und so finde ein Brückenschlag innerhalb der Stadtgesellschaft statt. Der Prinzengarde, die das Dreigestirn in diesem Jahr stellt, versprach Ritterbach, die drei Männer an Aschermittwoch wieder unversehrt zurückzugeben. Den ersten Orden des Festkomitees gibt es immer für den Kölner Oberbürgermeister. Der wurde in diesem Jahr für Henriette Reker aufgehoben und die sie vertretende Elfi Scho-Antwerpes erhielt den Zweiten.

Keine „Helau“-Rufe in Köln

Scho-Antwerpes sprach über das Attentat an Henriette Reker und das dies ein Anschlag auf die Demokratie gewesen sei. Sie wisse, dass Henriette Reker als Kölnerin diesen Termin sehr gerne selbst wahrgenommen hätte. Es gab lang anhaltenden Applaus für Henriette Reker. Scho-Antwerpes gab, wenn auch manchmal leicht verklausuliert dem Festkomitee Wünsche mit auf den Weg, wie etwa ein weibliches Trifolium, dem WDR, dass er aus dem Hänneschen Theater übertrage, der FC mit Präsident Podolski Deutscher Meister werde oder Köln nach der Hauptstadtrotationsverordnung Düsseldorf für die nächsten 70 Jahre als Landeshauptstadt ablöse. Eines dürften die Kölner allerdings nicht auf den Kopf stellen, so Scho-Antwerpes: „Helau“ statt „Alaaf“-Rufen.

Thomas Elster, der designierte Prinz fand deutliche und kölsche Wort zum Attentat auf Oberbürgermeisterin Reker: „Das ist eine schwere Sauerei, die der Jung gemacht hat“. Es sei eine Ehre für ihn, den Jung von der Straße, jetzt Prinz Karneval zu werden. Er dankte Dino Massi, dem Präsidenten der Prinzengarde, den er einen väterlichen Freund nannte. Anton Maslak, der zukünftige Bauer wollte nur noch raus auf den Kölner Heumarkt um richtig Gas zu geben und erzählte vom Spaß der Vorbereitung, den Tanz- und Singterminen. Die designierte Jungfrau Jörg Hertzner kokettierte: „Wollt ihr erst Fotos von mir machen?“ Hertzner erzählte von der Freundschaft der Drei, die seit dem Sandkasten andauere und dass in einer Art „Drei Musketiere reloaded“-Rolle steckten, aber authentische kölsche Junge seien und immer jot drop.

In diesem Jahr kommen die gefühlvollen Songs gut an

Auf der Bühne am Heumarkt ließen sich die Drei von ihrem jecken Volk gebührend bejubeln und stutzten den Bart der Jungfrau. Zumindest teilweise. Die Jecken waren mächtig angewärmt von Countdown und kölscher Musik, durch „Milijö“ und „Klüngelköpp“. Vergessen die Diskussion, welche Gruppe wann und wo oder überhaupt auftritt. Die kölschen Bands und ihre jecken Fans sind vielfältiger geworden und auch neue Songs, auch von nicht ganz großen Namen, werden problemlos mitgesungen. Dabei hatte man heute den Eindruck, die gefühlvolleren Songs kamen um einen Tick besser an, als die schnelleren Nummern. Die vielen Fans, die keinen Platz mehr auf dem Heumarkt fanden, sammelten sich auf dem Alter Markt und verfolgten das Geschehen auf Großleinwand. Auch der Alter Markt war ordentlich voll. Das Publikum nicht nur jung. Viele Gruppen von Frauen und Männern im besten Alter waren unterwegs und hatten sich wie die männlichen Schwarzwaldmädels besonders originell, auch als Gruppe herausgeputzt.

Ausverkauft waren auch die Veranstaltungen der „Kleinen Erdmännchen“ und des einzigen Kölner Karnevalsvereins „Unger Uns“ am Rande des Geschehens auf der Straße. An der „Wiener Steffie“ frönte man dem Ballermann und Schlager, Kölsch war es bei den anderen. 2.001 Jeckin und Jeck feierten im Gürzenich bei den „Kleinen Erdmännchen“ und Bands wie die „Domstürmer“ heizten dem Saal mächtig ein. Rund 600 Gäste waren bei der Sessionseröffnung von „Unger Uns“ im Senatshotel. „King Size Dick“ trat auf, wie die Isenburger Mädche und Junge, aber auch Querbeat und die Kölner. Bei den „Kleinen Erdmännchen“ freute man sich, dass man aus der letzten Session 55.000 Euro für soziale Projekte spenden konnte. Bei „Unger Uns“ sammelt man derzeit Geld für die Restaurierung einer Gewandfigur am Michaelportal des Kölner Domes. Der Figur des Leo I., dem Schutzpatron der Musiker. Auch hier gab es bereits die erste Spende von 6.666,66 Euro. Zwei weitere Tranchen sollen folgen. Dei „Muuzemändelcher“ zeichneten Marianne Trompeter mit der „Goldenen Muuz“ bei ihrem „Spill op d´r Rothustrapp“ in der Piazetta des Historischen Rathauses aus.


Unprofessionell: Als das designierte Trifolium zu seiner Bartscheraktion auf der Heumarktbühne  ansetzte, stürmten Fotografen und Kameraleute die Bühne – das Publikum sah Medienmenschenrückseiten.

Köln feiert ausgelassen den Start in die neue Session. Die ist mit eine der kürzesten, denn schon am 4. Februar treffen sich alle Jeckinnen und Jecken wieder auf der Straße zu Weiberfastnacht und den Start in den Straßenkarneval. Zuvor gilt es für Jecke allerdings noch die ein oder andere Sitzung oder jecke Party zu feiern. Gespannt sein dürfen die Jecken jetzt erst einmal darauf, ob es eine Jungfrau im Ornat geben wird, denn der Bart dürfte über die Weihnachtstage nachwachsen.

Düsseldorf hat übrigens ein Skandälchen, an dem ein Kölner beteiligt ist, schon bei der Scharf wie Mostert-Sessions-Eröffnung >

Autor: Andi Goral
Foto: Rasierschaum auf der Backe – die designierte Jungfrau Johanna