Köln | Das Festkomitee Kölner Karneval erstellte mit dem Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) und der Rheinischen Fachhochschule (RFH) eine Aufstellung über die Wirtschaftskraft des Kölner Karneval und eine Feldstudie bei der die Jecken zu ihrer Einstellung zum Kölner Karneval befragt wurden. Nach Aussage der Macher schenkten BCG und RFH dem Festkomitee ihre Evaluierungen.

Wie BCG die Wirtschaftskraft errechnet

2008 seien, so die damalige Studie von BCG 461 Millionen Euro an Wirtschaftskraft in Köln erzeugt worden. Die „Rheinische Post“ meldete damals eine Zahl von 380 Millionen Euro. Jetzt so das Beratungsunternehmen läge diese Zahl in Köln bei 600 Millionen Euro. Das bedeutete eine Steigerung von 29 Prozent. BCG errechnet diese Zahlen, bekam aber auch Einblick in die Bücher des Festkomitees, wie Jochen Schönfelder, Partner bei BCG erklärte.

Die Gewinner

Am deutlichsten legten die Programmveranstaltungen, also die Sitzungen und Bälle zu, so das Beratungsunternehmen. Seinen Berechnungen legte BCG 600 Veranstaltungen in Köln mit 835.000 Besuchern zu Grunde. Diese erlösten nach der Berechnung 2018 insgesamt 217 Millionen Euro. Im Jahr 2008 waren dies nur 157 Millionen Euro. BCG sagt, die Inflationsrate lag in den vergangenen zehn Jahren bei 13 Prozent. Woher kommt also die Steigerung um 38 Prozent. So richtig deutlich und transparent wird dies nicht. Das Festkomitee und BCG sagen, es liegt an der Steigerung der Veranstaltungszahl und durch eine Vielzahl neuer Formate wie Flüstersitzungen oder anderer Veranstaltungen. Allerdings gibt es eine Reihe von Karnevalsgesellschaften, die ihre Sitzungen nur umfirmiert haben, aber die Anzahl der Sitzungen gleich gehalten haben. Wenige andere haben ihre Veranstaltungszahl, wie etwa die Große Kölner, ausgedehnt.

Ein Fakt spielte bei der BCG Betrachtung allerdings erkennbar keine Rolle: Die Sitzungskarten sind weit über der Inflationsrate teurer geworden und liegen nahe der Schallgrenze von 50,00 Euro. So kostet heute die Karte für eine Prunksitzung im Kölner Gürzenich rund 47 Euro, für die Lachende Kölnarena 40 Euro, Weiberfastnacht auf einem Kölner Partyschiff gibt es ab 42,70 Euro und Peter Wackels Partyboot fängt sogar ab 57,60 Euro an. Festzuhalten ist, dass die Preise über dem Inflationsniveau gestiegen sind und vor allem bei den größeren Gesellschaften der Karneval boomt.

Weniger profitiert haben die Züge und der Kneipenkarneval bei der Wirtschaftskraft. Beim Kneipenkarneval lag die Steigerung bei rund 19 Prozent und damit nahe an den 13 Prozent Inflationsrate auf die zehn Jahre und bei den Zügen bei rund 31 Prozent. BCG macht die gestiegene Wirtschaftskraft auch auf den Zuwachs im Hotelbereich von 43 Prozent, der Gastronomie und Verzehr von 34 Prozent, Transport von 27 Prozent und im Textilbereich, also den Kostümen von 41 Prozent fest. Profitieren konnten zudem die Ticketverkäufer mit einem Plus von 46 Prozent.

Die Verlierer

Wo so viel Licht ist, gibt es auch Verlierer. Vor allem die Medienbranche kann von dem Boom überhaupt nicht profitieren, sondern verliert 61 Prozent und trägt zur Wirtschaftskraft nur noch zwei Millionen Euro bei. Unter der Inflationsrate liegen zudem die Macher von Orden und Schals, der Wagenbau, die Hersteller von Dekorationen und die sonstigen Dienstleistungen. Die Süsswarenindustrie schafft es mit einem Plus von 17 Prozent gerade noch so über die Inflationsrate.

Noch mehr Zahlen

BCG geht davon aus, dass sich 30.000 Menschen ehrenamtlich im Karneval engagieren. Der Karneval schaffe, so die Berater, 6.500 Arbeitsplätze. 2,1 Millionen Menschen besuchten die Umzüge in Köln. 1,6 Millionen Kostüme werden verkauft, 119.000 Orden verliehen, 385.000 Übernachtungen getätigt und 2 Millionen Euro gespendet.

Karnevalisten und Straßenjecke finden Karneval dufte

Die, die Karneval feiern, halten den Karneval für ein kulturelles Highlight, so die Befragung von Karnevalisten online und auf der Straße, durch Teams der Rheinischen Fachhochschule Köln mit einem Fragebogen von 20 Fragen. Insgesamt sollen 2.751 Menschen befragt worden sein oder sich online beteiligt haben. Allerdings muss hier die Wissenschaftlichkeit hinterfragt werden, da die RFH nicht ihre genaue Methodik und die gestellten Fragen offen legt oder den exakten Anteil von Antworten zwischen Online- und Straßenbefragung beziffert. Auch die Repräsentativität ist nicht gegeben, da die Zahlen nicht auf die Bevölkerung Kölns gerechnet werden. Zudem gibt es keine wissenschaftlich gesicherten Zahlen von Menschen in Köln, die den Karneval ablehnen – die haben keine Lobbyvertretung – und denen die ihm positiv gegenüber stehen. Das Menschen, die an den Hotspots feiern, der Gruppe der Karnevalsbefürworter zuzuordnen sind und entsprechend positiv reagieren, verblüfft hier wenig und erklärt die auffällig positive Zustimmung oft weit über 90 Prozent.

Die Feldstudie ergibt ein Stimmungsbild von denen die gerne Karneval feiern, mehr aber auch nicht. Die Befragungen fanden jeweils an den Straßenkarnevalstagen 2018 und am 11. November 2018 statt. Die Befragten sagen Karneval sei ein positiver Imagefaktor für Köln, einzigartig und ein Lebensinhalt, der sie präge. Der Karneval sei ein wichtiger Beitrag zur Brauchtumspflege, der kölschen Sprache und Kultur. Und fast alle können sich Köln ohne den Karneval nicht vorstellen. Die Befragten wünschen sich weniger Alkoholkonsum an Straßenkarneval, mehr Toiletten, mehr Sauberkeit und weniger Müll sowie eine Erhöhung der Sicherheit.

Das Festkomitee ist euphorisch

Beim Festkomitee Kölner Karneval lösten die vorgestellten Zahlen Euphorie aus. Christoph Kuckelkorn, der Präsident, folgert daraus: „Karneval ist nicht nur Teil der Stadtgesellschaft, sondern bestimmt das große Lebensgefühl Köln“. Kuckelkorn will, vor dem Hintergrund des Immateriellen Kulturerbes Rheinischer Karneval, die Region noch besser vernetzen und einen Know How Transfer aus Köln in die Region anbieten. Die stärkere Differenzierung bei den Veranstaltungsformaten will Kuckelkorn offensiver kommunizieren, denn jetzt könne jeder das für ihn passende Format finden. Zudem stellt er fest, dass der Karneval boome. Auch das wenig verblüffend, sieht man in die Demographie, denn die Babyboomer kommen in das Alter, wo man lieber im Sitzen schunkelt und Party macht, als sich zwei Stunden an einer Kneipentür anzustellen.

Die Stadt sieht das Festkomitee bei der Bespielung des öffentlichen Raumes an Karneval in der Pflicht. Man werde die Magnetwirkung der Großveranstaltungen kritisch begleiten und diese nicht weiter fördern sondern erachtet die Förderung von Feiern im Veedel als wichtig an. Obwohl das Festkomitee damit eigentlich nichts zu tun hat, will es hier vernetzend wirken, so dass die Kölner wieder in ihren eigenen Veedeln feiern. Dazu sei es nötig vor Ort attraktive Formate anzubieten, so dass die Jecken womöglich gar nicht mehr in die Stadt strömen müssen, so eine Schlussfolgerung des Festkomitee.

Autor: Andi Goral
Foto: Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitee Kölner Karneval, hört Prof. Dr. Silke Schömert von der Rheinischen Fachhochschule (RFH) interessiert zu. Neben ihr Jochen Schönfelder, Partner bei BCG.