Wenn die Puppen durch die Stadt ziehen

Köln | Ein Rosenmontag ohne den „Zoch“ ist in Köln genauso undenkbar wie Menschenmassen am Straßenrand mitten in Zeiten der Corona-Pandemie. „Uns allen war schon früh klar, dass es den Rosenmontagszug nicht in der gewohnten Art und Weise geben kann“, erklärt Zugleiter Holger Kirsch, der als Karnevalsprinz vor einigen Jahren durchs jecke Köln gezogen ist. Schnell entwickelten er und sein Team im Festkomitee Alternativen zum regulären Umzug am höchsten Feiertag der Narren.

Ein stehender Zug war genauso im Gespräch wie schwimmende Persiflagen auf dem Rhein. Auch die Idee, die Wagen im Stadtgebiet zu verteilen und die Jecken von Station zu Station wandern zu lassen, wurde überlegt. Dazu kam der Gedanke, das Ganze ins große Müngersdorfer Fußballstadion zu verlegen und dort fast wie in Rio ein Rosenmontagszugsfest zu feiern. „Doch die Entwicklung des Infektionsgeschehens hat all diese Pläne zunichtegemacht, nichts davon war zuletzt umsetzbar.“

Da kam Kirsch, der von Beruf Architekt ist, die Idee, statt mit großen Wagen mit kleinen Modellen zu arbeiten und daraus einen digitalen Zug zu machen. „Die Entwürfe hatten wir teilweise schon im Sommer fertig. In meinem Team ist so schnell eine Dynamik entstanden und es kam die Frage auf, wenn wir kleine Wagen haben, wo bekommen wir die kleinen Menschen dazu her. Da bot sich das Hänneschen mit seinem Puppentheater an – der Zoch und das Hänneschen, eine kölschere Lösung gibt es nicht.“

Am Ende wird aus dem großen Rosenmontagszug eine TV-Produktion des WDR. Die Kulissen dazu wurden in der Eventhalle des Festkomitees aufgebaut, wo man gestern eigentlich das Richtfest des Zochs gefeiert hätte. „Die Idee war, dass sich das Hänneschen und das Bärbelchen als Protagonisten der Puppenspiele ihren Zug erträumen. Das macht so einiges möglich. So können auch Trude Herr und Willy Millowitsch vom Himmel aus zuschauen“, freut sich Kirsch, der mit seinem Team extra ein Drehbuch für das Projekt geschrieben hat.

Gewisse Veränderungen zum großen Zug gibt es allerdings schon. So ist die Zugstrecke statt 7,5 Kilometern nun 32 Meter lang und statt 12.000 Zugteilnehmern sind jetzt 177 Puppen unterwegs. Insgesamt gibt es 30 Wagen mit 16 Persiflagen, die neben Corona auch Themen wie den US-Wahlkampf, die Flüchtlingskrise oder den Populismus der AfD behandeln. 100 Personen gehören zum großen Team, das den Zug in Bewegung bringen wird. Fahren wird er vor den bekannten Kölner Kulissen wie der Severinstorburg oder dem Historischen Rathaus. Der Zugleiter ist übrigens selbst als Puppe mit eigenem Wagen dabei.

„Das war unfassbar viel Arbeit, die wir mit der Zugleitung, den Kritzelköpp, den Wagenbauern, dem Ensemble des Hänneschen und dem WDR geleistet haben. Aber mit diesem Zug machen wir den Kölnern ein ganz besonderes Geschenk.“ Noch bis zum Montag wird in der Halle weiter aufgebaut und dann voraussichtlich zwei Tage lang gedreht. Zu sehen gibt es den Puppenzug am Rosenmontag ab 14 Uhr beim WDR.

Begeistert vom Projekt ist auch die Intendantin des Hänneschen, Frauke Kemmerling: „Das ist für unser Theater die Chance, sich über den rheinischen Sprachraum hinaus bundesweit zu präsentieren.“ 105 Puppen wurden extra neu angefertigt. Viele Kostüme und Uniformen der Traditionskorps mussten genäht und deren Hüte angefertigt werden. „Die Produktion ist etwa dreimal so groß, wie die größte reguläre Produktion bei uns. Dazu haben wir normalerweise acht Meter Bühne jetzt sind es 32.“

Autor: Von Stephan Eppinger