Köln | Das Kölner Festkomitee präsentierte heute einen Rosenmontagszugwagen zu den Vorgängen in Thüringen. Einen Schnellschuss. Aber ist die Aussage des Bildmotivs schlüssig, entlarvt es das, was ungeheuerliches passierte: Die Demokratie und eines ihrer Organe der Lächerlichkeit preisgegeben, wie es bisher in der Bundesrepublik undenkbar war.

Das Motiv zeigt einen Dackel. Der trägt einen Kopf, der Höcke zeigen soll. Auf dem Dackel reiten Alexander Gauland, AfD und Thomas Kemmerich, FDP. Mit von der Partie Beatrix von Storch als der Vogel, dessen Namen sie trägt, die einen „Vogelschiss“ auf einem stilisierten Grundgesetz hinterlässt. Die Figur, die Gauland darstellen soll, hält eine Angel, an der zwei Würstchen vor dem Gesicht des „Dackels“ Höcke baumeln lässt, auf denen „Hetze“ und „Hass“ steht.

Gerade die Würstchen irritieren. „Hetze“, „Hass“ und Höcke sind alles andere als Würstchen oder, wie der Engländer sagt, ein „Sausage Dog“. Sollen uns die Würstchen auf die Fährte der Redensart „Armes Würstchen“ bringen oder assoziieren? Da springt das Komitee zu kurz, denn die Bedeutung von „Armes Würstchen“ ist „eine armselige, ahnungslose, unbedeutende oder bedauernswerte Person.“ Das ist weder Höcke noch Gauland oder sonst wer in der AfD und schon gar nicht deren politische Strategie. Oder spielt das Komitee mit dem Kurzhaardackel auf die Beliebtheit an, denn er gehört zu den beliebtesten Hunden in diesem Land?

Gerade Höcke. Erinnern wir uns an einen Fall: Das Verwaltungsgericht Meiningen (2 E 1194/19 Me) entschied in einem Eilverfahren, dass in Eisenach eine Demonstration unter dem Motto „Protest gegen die rassistische AfD, insbesondere gegen den Faschisten Höcke“ stattfinden durfte. Die Stadtverwaltung in Eisenach legte ihr Veto gegen die Demo ein, verlor aber vor Gericht. Die Richter stellten fest, dass die Bezeichnung „Faschist“ ehrverletzend sei, aber beschieden den Aufrufern der Demonstration, dass deren Begründung ihres Werturteil über den Politiker Höcke nicht aus der Luft gegriffen sei. Die Antragsteller vor Gericht und Ausrichter der Demonstration zitierten aus einem Buch von Höcke und zitierten aus der Presse. Das Gericht stellte fest, dass diese Sammlung eine faschistische Agenda Höckes vermuten lasse: Sätze wie „bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“ oder die „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ oder „katastrophale Niederlage von 1945“ gehören dazu. Das Gericht stellte fest, dass es sich mit Höcke um einen prominenten Politiker handele, mit dem sich die Demonstration inhaltlich auseinandersetzte und ihn nicht diffamierte. Sätze wie diese sagt kein Würstchen und kein Glatthaar-Dackel.

Höckes Sätze sind der Tabubruch, wie das Gericht feststellte, da muss er nicht nach Aufschrift-Würstchen schnappen und schon gar nicht nach denen, die ihm der vorhält, der ihn in der Mitte der Gesellschaft, der bürgerlichen Gesellschaft plaziert. Höcke ist der Politiker in der AfD, der mit dem von ihm gegründeten Flügel, die Tabubrüche setzt und Gauland – auch kein Politiker von Traurigkeit, wenn es um Tabubrüche geht, der diese relativiert. Es ist kein Zufall, dass Gauland ausgerechnet in Thüringen vor der AfD-Jugend den Satz sagte, dass Hitler und die Nationalsozialisten „nur ein Vogelschiss“ in 1000 Jahren deutscher Geschichte seien. Warum schreiben die Satiriker im Komitee jetzt ausgerechnet diesen „Vogelschiss“ Beatrix von Storch zu?

Warum reitet den Dackel eigentlich nur FDP-Mann Kemmerich und nicht auch CDU-Mohring? Der Wagen wirkt zu sehr mit dem heißen Buntstift gestrickt, der schärfer angespitzt gehört hätte, wenn das Festkomitee Kölner Karneval sich schon dazu entscheidet, zum ersten Mal die AfD zu thematisieren und vor einem Millionenpublikum zu präsentieren. Der Wagen entlarvt nicht, sondern verharmlost gerade Höcke in der Dackelpersiflage, spielt mit Plattitüden, genau so, wie es die AfD liebt: Erst provozieren und dann senden alle Kanäle bis in den letzten Satirewinkel deren platte und populistische Provokationen ohne sie richtig einzuordnen. Und jetzt eben auch am Rosenmontag in Kölle. Für die AfD geht da ein Traum in Erfüllung. Sie rollen mit ihrem bisher größten politisch parlamentarischen Erfolg, dem Thüringen-Coup, der die Demokratie so lächerlich machte, wie noch nie in der bundesrepublikanischen Geschichte zuvor, mitten durch die bürgerliche Mitte und beste mediale Sendezeit.

Rechte nutzen das Motiv schon

Der Wagen mit der wachsweichen Kritik an der Rechten und der AfD wird, nur einen Tag nach seiner Vorstellung durch das Festkomitee Kölner Karneval, nun auch schon von den Rechten instrumentalisiert. Der Rechtspopulist Manfred Rouhs, einst Stadtrat der rechten und mittlerweile durch sich selbst aufgelösten Bürgerbewegung „Pro Köln“ in Köln, dann nach Berlin weitergezogen, vergleicht den Thüringen-Rosenmontagszugwagen auf dem rechten Blog „Pi News“ mit einem antisemitischen Rosenmontagszug-Persiflagewagen aus dem Jahr 1936. Er zeigt das aktuelle Persiflage-Motiv und das Foto des antisemitischen Wagens von 1936 direkt untereinander. Dieser verhöhnte Juden, stellte sie Klischeehaft in der Propaganda der Nationalsozialisten dar und trug den Spruch: „Däm han se op d’r Schlips getrodde“. Das Motiv spielte an auf die Nürnberger Gesetze: Das am 15. September 1935 erlassene Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre verbot die Eheschließung sowie den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Rouhs setzt das auf den „Schlips“ treten gleich und schreibt: „Mit dem Mottowagen zur Thüringen-Wahl tritt nun der kölsche Fasteleer der AfD auf den Schlips.“ Schlimmer geht es nicht mehr.

Da bleibt nur zu hoffen, dass wir in Kölle am Rhing nicht irgendwann „AfDlaaf“ rufen müssen.

Autor: Andi Goral