Köln | Eines vorweg, die etwas mehr als 600 Gäste des Vorstellabends des Literarischen Komitees in der Flora waren von vielen Nummern begeistert, forderten Zugaben und bekamen diese sogar. Insgesamt gingen elf Künstler und Bands auf die Bühne, sechs von ihnen zum ersten Mal beim Literatischen Komitee. Das Publikum war besonders überzeugt von „Kappes un Co“, den „Löstijen Knalltüten“ und „Annemie Krawtschak“. Mit einigen Bands führte report-K nach deren Auftritt Interviews, die Sie im Youtube-Kanal von report-K finden.

Die Newcomer Kappes & Co singen im Treppenhaus a capella

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Zwei Büttenrednerinnen

„Anne Vogd“ etabliert sich mit ihrer Rede einer Multifunktionsfrau und schließt an ihren Erfolg vom vergangenen Jahr an. Die Gags genau gesetzt und die Geschichte läuft rund und verständlich ab, allerdings, dass sagt die Künstlerin selbst im Interview mit dieser Internetzeitung, durch ihren Erzählstil sei es schwierig die Rede ab 22 Uhr in den Sälen zu platzieren. Weil man ihr zuhören muss. Mit „Annemie Krawtschak“, also Anika Marten, präsentierte das Literarische Komitee eine weitere Rednerin, die kein Kölsch spricht, das passe nicht zu ihr, sagt die Künstlerin. Daher erschließt sich nicht auf den ersten Moment warum ihr Vorname eingekölscht ist, vielleicht als Marketing-Gag und damit Sitzungspräsidenten ihren Namen vorlesen können. Sie nennt sich selbst Flamingo des Karnevals – diese optische Auszeichnung passt zu ihrem Bühnenoutfit. Allerdings steht sie nicht die meiste Zeit auf einem Bein. Die Geschwindigkeit ihres Erzählstil ist gerade für Karnevalssitzungen auf den Punkt getaktet. Ihre Geschichten, aufgehängt an ihrer Person, beschreiben Lebenssituationen aus der bürgerlichen Mitte und überspitzen sie pointiert. Krawtschak weiß genau, wer in den Sälen sitzt, die Älteren und dort platziert sie Bekanntes und gibt diesem eine unbekannte Wendung. Ein uralter Trick, der bis heute funktioniert, dabei überspannt die Rednerin aber nie den Bogen. Es geht um ihre Körpergröße, ihr Klamotten, ihr Erbe, ihre Beerdigung durch Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees – der in das Spiel eingewoben wird oder ihren Hamster. Da die Tiere nicht sehr alt werden, habe sie nun eine Hamsterflatrate, kalauert sich Annemie durch den Saal. Marten spielt geschickt mit der Sprache und erklärt, sie könne sich keine Witze merken und sie erzählt auch keine. Das ist geschickt garniert und das Publikum forderte eine Zugabe.

Anne Vogd zum zweiten Mal beim Vorstellabend

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Ganz neu auf der jecken Bühne Annemie Krawtschak

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Zwei neue Zwiegespräche

Zweimal Zwiegespräch mit „Woosch un Wööschje“, Daniel Thelen & Marco Ages sowie die „Löstije Knalltüten“ Conny Tosetti und Peter Esser als Paul und Pitter. „Woosch un Wööschje“ führten weniger witzige Männergespräche über Frauen im Wet T-Shirt-Contest oder Frauen aus denen man die Luft herauslassen kann bis zu einfachen Handwerkerwitzchen. Also ein Witzerzählerduo. Der Applaus verhalten. Die „Löstijen Knalltüten“ sind ein Eigengewächs der Fidelen Zunftbrüder und wurden auf deren Kneipensitzung im Haus Schnackertz in Nippes vom Festkomitee entdeckt. Sie erzählen aus dem Vereinsleben und dessen Klippen, Hürden und Absurditäten, bis hin zu Fragen wie man seinen Hund nennt. Standing Ovations und eine Zugabe waren die Folge. Zu einer gewissen Ähnlichkeit der Type zu Volker Weiningers „Sitzungspräsident“ sagen die beiden, dass sie ihre früher entwickelt haben.

Neu dabei die „Löstijen Knalltüten“

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Viel neue Musik

Zum ersten Mal stellten sich „Kappes und Co“ vor, die mit ihren kölschen Folk-Pop-Songs in Liedermacherqualität überzeugten. Auch sie mussten eine Zugabe geben. „Kölsch Royal“ ein Zusammenschluss von Musikern aus Porzer Karnevalsvereinen stellte sich ebenfalls zum ersten Mal vor. „Rhing Bloot“ um Sascha Kilgenstein gab ebenfalls seinen Einstand. Die Band wird von den „Räubern“ unterstützt und darf mit der Kölner Kultband auf Deutschlandtournee gehen. Helmut A. Wiemer war zum dritten Mal dabei, wie auch „Kempest Finest“. Auch Michael Hehn, mittlerweile eine Größe im Kölner Karneval als „Dä Nubbel“ stand zum Drittel mal auf der Bühne des Literarischen Komitees.

Zum zweiten Mal dabei „Die Köbesse“

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Neu on Stage: „Kölsch Royal“ zur Frage nach dem Totenkopf-„Ö“

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Newcomer „RhingBloot“ über den Support der „Räuber“ und mit einem a-capella-Ausschnitt

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Man spürt den Einfluss der Akademie des Festkomitees zu deutlich

Ein erstes Fazit muss lauten, dass die Akademie des Festkomitees von den Künstlern als hilfreich erachtet wird. Sie bildet Gruppen, Redner und Duos aus. Allerdings macht sich eine gewisse Uniformität breit, die ist zwar bei den Musikgruppen nicht ganz so deutlich zu spüren aber bei den Rednern oder Zwiegesprächen. In den Sälen erfolgreiche Formate und deren Aufbau von Karnevalsgrößen sind mittlerweile in jede Rede vom Witzeerzähler bis Storyteller eingebaut und können sofort dechiffriert werden. Ein Beispiel zur Illustration: Die Tempiwechsel von extrem langsam zu extrem schnell, Marc Metzger lässt grüßen oder Elemente des Improtheaters. Auch bei den Bands gibt es Beispiele wie die einfachen Animationen des Publikums. Diese Form des Klonens vermeintlich vom Publikum gekannter und geliebter Elemente und Formate führt aber nicht zwangsläufig zu mehr erfolgreicheren, innovativen oder eigenständigen Rednern oder Bands, sondern lässt lediglich die Schule aus der diese stammen erkennen. Dabei wäre es wichtig, dass gerade die Neuen ihre Eigenentwicklungen einbringen, die auch einmal scheitern können, um eine Fortentwicklung zu garantieren.

Ein typisches Akademieproblem, das auch Kunsthochschulen oder Schauspielschulen kennen, dem schwerlich zu begegnen ist, wenn sich die Lehrer und Mentoren nicht nur darauf beschränken das Handwerk zu vermitteln, sondern auch geschmackliche Komponenten oder zum Kopieren von Erfolgsrezepten ermuntern. Genau diesen Eindruck gewinnt man derzeit beim Literarischen Komitee. Ein schwieriger Balanceakt, der, so der Eindruck, bei der Akademie des Festkomitees zur Zeit nicht in die Richtung auspendelt, Talente in ihrer Individualität zu bestärken, sich mit dieser intensiv auseinanderzusetzen und genau diese weiterzuentwickeln, sondern eher diesen erfolgreiche Konzepte überzustülpen. Also das Experiment, das Neue zu fördern und ihm seinen Platz zu lassen. Talente und deren Stärken und Schwächen zu erkennen und zu fördern, sie handwerklich zu professionalisieren, ist ein langwierigerer Weg und er nimmt auch das Scheitern in Kauf, auch der Akademieverantwortlichen. Aber gerade darin liegt die Kraft mehr Vielfalt zu entwickeln, als mit Einfalt schnelle Erfolge und den Hochglanzorgien der Karnevalistenvereinigungen nachzueifern. Den Verantwortlichen muss man zurufen: Coacht weniger inhaltlich und habt mehr Mut für Neues – auch wenn dies einmal scheitert. Karneval sollte nicht langweilig werden.

Autor: Andi Goral
Foto: Kappes & Co stellten sich neu beim Literarischen Komitee vor und mussten eine Zugabe geben