Köln | Das Netzwerk für Tiere Köln (NTK) veröffentlicht einen Offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie fordern von Reker ein Verbot von Pferden im Rosenmontagzug. Report-K veröffentlicht hier den Offenen Brief im Wortlaut.

Der offene Brief im Wortlaut (kursiv gesetzt)

„Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
der Unfall beim Kölner Rosenmontagszug am 12. Februar 2018 mit einer Pferdekutsche ist nun über vier Monate her, doch noch immer ist nichts passiert. Ganz anders in Düsseldorf, wo das Comitee Düsseldorfer Carneval aus Gründen der öffentlichen Sicherheit bereits ein Verbot von Pferdekutschen im Rosenmontagszug erlassen hat.

Der mächtige Einfluss des Kölner Karnevals und der Erhalt der Tradition wiegen offenkundig höher als die öffentliche Sicherheit. Dem „kölschen Klüngel“ wird auch unter Ihrer Führung leider nicht Einhalt geboten. Unsere zahlreichen Einladungen zu einer öffentlichen Diskussion am 23. März 2018 im Studio DuMont unter Beteiligung namhafter Pferdeexperten wurde so-wohl von Ihnen selbst, Ihren Kolleginnen und Kollegen der Kölner Politik, der Polizei, dem Veterinäramt sowie Vertretern des Kölner Karnevals sämtlich ausgeschlagen. Bis heute warten wir zudem auf einen Anhörungstermin im Ausschuss für Anregungen und Beschwerden, der uns nach unserem Antrag vom 12. Dezember 2017 längst hätte eingeräumt werden müssen. Stattdessen erhalten wir nun von Ihnen eine E-Mail, die der Gefahrensituation von Pferden im Karneval, insbesondere im Kölner Rosenmontagszug, in keiner Weise gerecht wird. Auch Sie verkennen und verharmlosen die Situation auf grob fahrlässige Weise. Deshalb wählen wir nun diese Form des offenen Briefs, um die Öffentlichkeit auf das immens große Risiko durch Pferde hinzuweisen, welchem sie bei einem Besuch des Kölner Rosenmontagszugs ausgesetzt sind.

Pferde in einem Karnevalsumzug der heutigen Zeit sind Tierquälerei und ein nicht beherrschbares Sicherheitsrisiko. Wir haben die Kölner Rosenmontagszüge 2017 und 2018 intensiv beobachtet und mussten unzählige Male extrem gestresste, offenkundig leidende Pferde sehen, die neben dem Reiter von bis zu 3 Personen auf dem Boden nur mit allergrößter Mühe und unter Einsatz von Gewalt gebändigt wurden. Doch das gelingt eben nicht immer; in YouTube gibt es ein Video vom Unfall im Rosenmontagszug 2018: https://youtu.be/peAMEp-oQl0

Ist das Ihr Verständnis von trainierten, „geeigneten“ Tieren, die zuvor eine Gelassenheitsprüfung absolviert haben, wie Sie es in Ihrer E-Mail an uns schrieben?

Setzt bei einem gestressten Pferd der Fluchtinstinkt ein, lässt es sich durch nichts und niemanden bremsen – hunderten Kilo und großer Kraft kann der Mensch nichts entgegen setzen. Ein in Panik durchgehendes Pferd ist nicht zu stoppen, es nimmt nicht einmal mehr Schmerzen wahr, sieht nicht, wohin es rennt und kann nicht mehr beeinflusst werden.

Der obige Film vom Unfall 2018 macht das Gesagte mehr als deutlich. Die Pferde haben mit ihrer Kutsche alles „niedergemäht“, was sich ihnen in den Weg gestellt hat, erst eine LKW-Tribüne hat sie letztlich gebremst. Nur mit riesengroßem Glück ist keiner der überrannten und –rollten Menschen zu Tode gekommen. Haben Sie sich einmal ausgemalt, was passiert wäre, wenn statt des LKWs eine Zuschauermenge im Weg gestanden hätte? Wollen Sie tatsächlich für so einen Fall die Verantwortung tragen?

Der bekannte Pferdetrainer Uli Höschler bezeichnet den Kölner Rosenmon-tagszug mit seinen mittlerweile 1,5 Millionen Zuschauern, einer aggressiven Grundstimmung, der Dauerbeschallung mit lauter Musik (teilweise über 100 Dezibel), dem umherfliegenden Wurfmaterial, der langen Dauer, dem schlechten Bodenbelag, den engen Gassen etc. als „Champions League“. Will man dort Pferde einsetzen, wären diese seiner Meinung nach zuvor mindestens zwei Jahre täglich zu trainieren. Die aktuellen Regeln und Vorschriften sind Lichtjahre davon entfernt und suggerieren eine Scheinsicherheit. Doch das Fluchttier Pferd mit seinen übersensiblen Sinnesorganen, die allesamt auf Flucht ausgerichtet sind, lässt auch mit noch so viel Training nie seine Natur hinter sich. Ihre Vergleiche, Frau Reker, beispielsweise mit einem Pferdeturnier, sind absurd und eine Beleidigung für Menschen mit Sachverstand.

Sie achten penibel auf Sicherheit gegen Gefahren von außen (Terror etc.), leben aber mit einem unkalkulierbaren, lebensbedrohlichen Risiko mit-ten im Rosenmontagszug!

In unserem Schreiben an Sie wollen wir besonders auf den Sicherheitsaspekt eingehen. Nicht unerwähnt lassen möchten wir aber auch, dass der Einsatz von Pferden im Kölner Rosenmontagszug gegen § 3, insbesondere Absatz 6, des Tierschutzgesetzes verstößt.

Der Bevölkerungswille ist in dieser Frage übrigens eindeutig: Wir haben 5.000 Unterschriften für ein Verbot von Pferden im Kölner Rosenmontagszug gesammelt. Umfragen beim Kölner Express und bei change.org haben sogar fast 31.000 (Express, Anteil 59%) bzw. 35.000 (change.org) Verbotsforderungen ergeben.

Abschließend fassen wir nochmals unmissverständlich zusammen:
Alle Pferdeexperten – selbst Mitglieder der Reitercorps (Podiumsdiskussion Studio DuMont 23. März 2018) – sind sich einig, dass keine Ausbildung und keine Zucht den Instinkt eines Pferdes außer Kraft setzen kann, es verbleibt IMMER ein unkalkulierbares Restrisiko mit immens großem Gefährdungspotenzial!

Ihnen, Frau Reker, sind unsere Argumente spätestens seit unserem vierseitigen Antrag vom 11. November 2016 ausführlich bekannt. Sie und jeder weitere Entscheidungsträger, der trotz der durch den Unfall im Kölner Rosenmontagszug am 12. Februar 2018 untermauerten Fakten, die eindeutig gegen den Einsatz von Pferden sprechen, weiterhin daran festhält, handelt grob fahrlässig und trägt die Verantwortung für jeden weiteren Unfall!

Das Netzwerk für Tiere Köln legt jedenfalls mit diesem offenen Brief die Ver-antwortung in Ihre Hände.
Wir hoffen im Interesse von Mensch und Pferd sehr, dass letztlich doch die Vernunft über die Tradition siegen und ein Verbot erlassen wird. Wie ein Reporter des WDR nach dem Unfall zusammenfasste: Es bleibt bei Pferden im Rosenmontagszug ein „ungutes Gefühl“.

Das will niemand beim Spaßevent Karneval.

Tradition darf nicht über der Gesundheit der Menschen stehen.“

Autor: Andi Goral