Köln | Der Fußball kreist auf dem alten und ehemaligen Schulhof in Köln-Flittard. So wie man sich einen alten Schulhof vorstellt, mit einem Baum in der Mitte. Und natürlich kickte einer den Ball elegant, wie beim Torwandschießen, durch die geöffneten Fenster in den Trainingsraum des Tanzcorps der Müllemer Junge. Zweieinhalb Stunden später haben sich über 30 junge Menschen bei Sit ups geschunden und mindestens einmal Schäl Sick getanzt.


Fotoreportage: Besuch beim Training des Tanzkorps der Müllemer Junge >

Die Müllemer Junge haben eine feinen, kleinen Trainingsraum mit viel Atmosphäre. Ein alter Holzboden, ein riesiges kölschen Herz an der Wand neben dem ein langes Ofenrohr in die Höhe strebt. Es ist der ehemalige Turnsaal der Schule in Flittard, die die Müllemer seit über 20 Jahren okkupieren und damit fast eine Generation Tänzerinnen und Tänzer Hebungen oder den Gleichklang, tänzerische Harmonie und Perfektion trainiert haben. Das aktuelle Team trainiert zwei Mal die Woche, 22 junge Frauen und 13 Männer. Beim Aufwärmtraining hat man manchmal ein wenig das Gefühl die Tänzerinnen und Tänzer müssen sich in dem kleine Raum fast schon übereinanderstapeln. Aber das schafft auch eine lockere und groovige Atmo bei aktuellen Hits. Auch wenn das Aufwärmen und Krafttraining ganz schön hart ist. Aber Trainerin Iris Roth weiß, dass man in der Session Power braucht.

Das Tanzcorps ist seit zwei Jahren fast konstant zusammen, nur wenige Neuzugänge gab es nach den Castings nach Aschermittwoch, obwohl sich 33 Interessenten meldeten und 23 an den Probetrainings teilnahmen. Das merkt man. Die Truppe ist sehr harmonisch und so ist auch für alle einen Weiterentwicklung möglich. Trainerin Roth merkt an: „Sie fordern mich, ich fordere sie und so können wir neue Dinge ausprobieren und auf spezielle Wünsche eingehen.“ Ganz besonders freut man sich, dass die Gesellschaft, die Müllemer Junge jetzt eine Spiegelwand installieren werden und man dann, auch ein Wunsch der Trainerin, noch intensiver an der Optik und Haltung arbeiten kann.

Das Repertoire umfasst fünf unterschiedliche Tänze. Bei einem normalen Auftritt werden drei, mit Zugabe schon einmal vier Tänze dargeboten. Jedes zweite Jahr wird ein Tanz ausgetauscht, auch um neue Strömungen der kölschen Musik aufzunehmen. Die Original Matrosen tanzen immer zu Instrumentalversionen, die speziell arrangiert werden und Kapellen, die sie begleiten wollen, müssen mindestens acht Musiker auf der Bühne stehen haben. Ein besonderer Auftritt für die jungen Tänzer ist die Sitzung ohne Stühle „jnadenlos jeck“ in der Mülheimer Stadthalle, denn viele Freunde und Bekannte begleiten sie und getanzt wird nicht in Uniform, sondern in phantasievollen Kostümen. Nach dem Auftritt gibt es für alle dann Burger einer nahegelegenen Fast-Foodkette. Neben Training und Auftritten feiert man im Herbst ein Oktoberfest, beteiligt sich an Beachvolleyball oder Fußballturnieren. Drei Tage geht man auch auf Tour, wo der Spaß im Vordergrund steht.

Daniel, 20, ist jetzt in seiner zweiten Session mit an Bord. Nachdem ihn sein Onkel überredetet hatte, der selbst einmal getanzt hatte, traute sich der junge Mann, der noch nicht einmal einen Tanzkurs absolviert hatte, zum Probetraining. Es passte und heute ist er voll integriert und wirbelt seine Tanzpartnerin durch die Luft als wäre sie ein Schneeball. Seine Freunde hätten sich zuerst gewundert, waren aber nachdem sie den ersten Auftritt gesehen hatten, voller Lob und Anerkennung , so Daniel. Er macht eine kaufmännische Ausbildung und kann mit Gleitzeit die stressige Auftrittszeit bewältigen und in der Session, so der sympathische Kölner, bekäme er auch jederzeit Urlaub. Katharina, 29, tanzt seit 18 Jahren im Kölner Karneval und seit vier Jahren bei den Müllemern. Als sich die Neppeser Schifferjungen auflösten hatten sie und ihr Tanzpartner bei den Mülheimern zunächst ausgeholfen und waren dann dabei geblieben. Auch weil man in der Gruppe sehr herzlich empfangen worden sei. Das Tanzen sei ein super Ausgleich zum Beruf, erläutert Katharina ihre Motivation, die auch bei den Neppesern immer noch eine Kindertanzgruppe trainiert.

Die kleine Turnhalle, sei eine prima Übung für die Auftritte später, vor allem weil auch auf vielen Sitzungssälen des Rheinland auch nur so wenig Platz zur Verfügung steht. Die Stimmung innerhalb der Gruppe ist locker und man ist mit Engagement dabei, ohne zu vergessen, dass es vor allen Dingen Spaß macht. Bei den Tänzen merkte man deutlich die Routine und wie gut die Tänzerinnen und Tänzer schon vor dem Sommer aufeinander eingespielt sind. Freunde des karnevalistischen Tanzsportes dürfen sich schon auf die kommende Session freuen, wenn die Müllemer auf der Setlist des Literaten stehen, der das Programm der Sitzung gestaltet.

Autor: ag
Foto: Zu Besuch beim Training bei den Original Matrosen vum Müllemer Böötchen