Köln | Die Rechtspopulisten der Bürgerbewegung „Pro Köln“ betreiben seit Mai 2017 den Blog „Köln Unzensiert“, nennen sich selbst aber auch gerne einmal „Lokalmedium“. An die politische Organisation erinnert auf den ersten Blick nur eine Zeichnung, der stilisierte Dom. Der vollständige Name „Bürgerbewegung Pro Köln“ fehlt. Nur zwei Rubriken tragen den Namensbestandteil „Pro Köln“ oder „Pro Köln TV“. Der Untertitel diffamiert die lokalen Kölner Medienangebote: „Hier kostenlos lesen, was die Lügenpresse für teures Geld verschweigt“. Dazu versendet man einen gleichnamigen Newsletter „Köln Unzensiert“. Report-K hat den so bezeichneten „regionalen politischen Nachrichtenblog“ unter die Lupe genommen und den Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) Frank Überall um eine Einordnung gebeten. Pro Köln spricht auf Nachfrage von report-K von „völliger Transparenz.“

Nicht als politisches Informationsangebot einer politischen Wählergruppe erkennbar

Wer „Pro Köln“ googelt erhält als ersten Treffer den Blog „Köln Unzensiert“. Das es sich um ein Informationsangebot einer politisch aktiven und sowohl im Kölner Stadtrat vertretenen Wählergruppe handelt, ist nur politisch Interessierten auf den ersten Blick erkenntlich. Auch die bisherige Seite der rechtspopulistischen Wählergruppe unter dem Link www.pro-koeln-online.de die noch bei „Wikipedia“ verlinkt ist, weist auf den Blog. Dies gilt auch für die Webadresse pro-koeln.org). Markus Wiener von Pro Köln bestätigt dies auf Anfrage von report-K: „Unsere schon länger eingeführten Netzadressen werden im Moment auf „Köln Unzensiert“ weiter geleitet. Darüber hinaus verfügt die Bürgerbewegung Pro Köln noch über eine Facebookseite als offizielles Verlautbarungsorgan.“

Mix aus politischer Botschaft und Berichterstattung

Mit dem neuen Blog mixt Pro Köln eigene Meldungen, eigene und fremde Videoproduktionen, Polizeimeldungen, Pressemitteilungen der Stadt Köln, politische Agitation oder Themen, die für ihre Zielgruppe relevant sind und wechselt dabei permanent – auch in einzelnen Artikeln – die Rollen. Einmal schlüpft man in die Rolle des Redakteurs oder Reporters, dann wieder in die des kommunalen Mandatsträgers. Ein Kommunikationsmuster das Rechtspopulisten immer wieder nutzen, um damit die Grenzen zwischen Journalismus und politischer Botschaft zu übertreten.

Zwar schreiben die Macher unter der Rubrik „Über unseren Blog: „Köln Unzensiert ist ein regionaler politischer Nachrichtenblog, der von der Bürgerbewegung Pro Köln herausgegeben wird. Unser Anspruch ist es, unbequeme und heikle Themen aufzugreifen, die ansonsten von den etablierten Kölner Medien verschwiegen würden. Dazu gehört auch die politische Arbeit von Pro Köln, die von der Lügen- bzw. Lückenpresse systematisch ausgeblendet wird.“ Wer aber auf die Startseite kommt, erkennt dies auf den ersten Blick nicht. Markus Wiener spricht auf Anfrage von report-K.de dagegen von „völliger Transparenz“, die man durch die Rubrik „Über unser Blog“ einhalte.

Nachdem im nächsten Absatz die politische Arbeit der Wählergruppe vorgestellt wird, fordert man Bürger, Mitarbeiter von Behörden und sonstige „Whistleblower“ auf, Infos, Fotos oder Texte an eine nicht näher benannte Redaktion zu übermitteln. Also de facto an eine politische Wählergruppe und deren Funktionsträger. Zwar hält man den Schein ein wenig ein, denn nach einer Mobilnummer und einer ersten „Pro Köln“ E-Mail folgt der Kontakt zur Ratsgruppe und ein Spendenaufruf.

Impressum mit Lücken

Verantwortlich für den Inhalt sei die Bürgerbewegung „Pro Köln“ vertreten durch den Vorsitzenden Michael Gabel, so das Impressum. Ist er auch der Chefredakteur? Wer ist die Redaktion des „regionalen politischen Nachrichtenblog“? Zudem verschweigt das Impressum, dass es sich bei Pro Köln um einen eingetragenen Verein handelt. Die Recherchen beim Amtsgericht Köln dieser Internetzeitung haben ergeben, das die rechtspopulistische Wählergruppe dort unter „Bürgerbewegung PRO KÖLN e.V.“ eingetragen ist. Das Impressum von „Köln Unzensiert“ führt aber nicht den Vereinsnamen samt Rechtsform, Registergericht, Registernummer und auch nicht die vollständigen Namen der vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder samt Funktionen. Eigentlich ein Muss.

Überschriften versprechen Inhalte, die sie nicht halten

Unter der Überschrift „Pro Köln TV zu Besuch bei der Gewerkschaft“ findet sich mit Datum 22. Juni, ein Beitrag der „Redaktion“, die aber nicht einmal benannt wird. Es ist ein Videobeitrag. Der Vorsitzende Michael Gabel von „Pro Köln“ – also politischer Funktionsträger – kommentiert im Stil eines Reporters am Hans Böckler Platz die Digitalisierung, die Rolle der Gewerkschaften und die Flüchtlingsfrage. Wer nach dem Titel einen redaktionellen Beitrag erwartet mit Statements der Gewerkschaften, der bekommt dies nicht. Report-K hat beim DGB Köln nachgefragt, ob „Pro Köln TV“ um ein Interview gebeten, oder eines durchgeführt hat? Dies wurde verneint. Es gab noch nicht einmal eine Anfrage, erklärt der DGB Region Köln-Bonn. Bei der Gewerkschaft ist man der Ansicht, dass der Film sich selbst entlarve. Nachgefragt hat „Pro Köln“ übrigens auch nicht bei der Polizei oder Stadt Köln, ob man deren Pressemitteilungen oder Schlagzeilen veröffentlichen kann, sondern hat dies einfach getan. Markus Wiener antwortet dazu auf Anfrage von report-K: „Auf Köln Unzensiert werden neben eigenen Texten auch rechtlich frei verwertbare Mitteilungen oder RSS-Feeds verschiedenster Organisationen und Institutionen berücksichtigt. Um „Erlaubnis“ müssen dafür weder Sie noch wir vorher fragen.“

Wenig bis gar keine Arbeit macht man sich bei „Pro Köln“ mit den Polizeimeldungen, die man auch mit dem Hinweis „Redaktion“ 1:1 veröffentlicht. Es werden aber nur die wenigen Polizeimeldungen, die im Fokus Ausländerkriminalität, als Hintergrund haben ausgewählt. Die ersten Meldungen gingen um den 19. Mai bei „Köln Unzensiert“ online und sind heute dort noch zu finden. Seitdem hat die Kölner Polizei bis 23. Juni über 200 Meldungen über das frei zugängliche Presseportal der dpa veröffentlicht. „Pro Köln“ hat acht daraus gefiltert: 19. Mai, Poll: „Südländer berauben 79-jährige Oma“, 22. Mai, Ostheim: „Schüler und Lehrer mit Messer bedroht“, 7. Juni, Ebertplatz: „Aggressive Schwarzafrikaner zwingen Polizeibeamten zu Warnschuss“, 9. Juni, Mülheim: „Wieder Gewalt gegen Polizeibeamte“, 14. Juni, Bilderstöckchen: „Am helllichten Tag überfallen und beraubt“, 19. Juni, Lindweiler: „Türkisch aussehender Betrüger sucht Senioren heim“, 20. Juni, Poll: „Handtaschenräuber verletzt Seniorin schwer“, 20. Juni, „Stand ein Kaukasier mit großem Paket am Eifeltor…“. Wer nur „Köln Unzensiert“ liest, bekommt somit nur einen Miniausschnitt und den Eindruck vermittelt, es gebe vor allem Kriminalität von Ausländern und gegen Senioren.

Diese Meldungen werden im gleichen Look & Feel und immer mit dem Hinweis „Redaktion“ präsentiert wie die eigenen Meldung von „Pro Köln“. Weder Autoren noch Quellen werden sauber gekennzeichnet, sondern immer nur steht die auf dem gesamten Blog nicht näher beschriebene „Redaktion“ als Autor. So wie auch unter der Headline „Bohrende Fragen zum Thema Sicherheit“. Dort veröffentlicht der im Impressum genannte Vorsitzende von „Pro Köln“ Michael Gabel seine Anfrage an die Bezirksvertretung Nippes. Gabel ist dort Bezirksvertreter für „Pro Köln“. Als Autor wird „Redaktion“ genannt. Für einen nicht politisch versierten Leser ist dies nicht zu unterscheiden.

Keine Fakten

Auch der Artikel „Islamische Demo gegen Terror mit nur 300 Teilnehmern“ bebildert mit dem Moscheebau in Ehrenfeld aus Wikimedia, der sich mit der Friedensdemonstration beschäftigt, hält einem Faktencheck nicht stand. Hier wird einfach bei der Teilnehmerzahl die falsche Zahl angegeben. Auch hier ist die „Redaktion“ für den Text verantwortlich. Hier lohnt sich aber auch der Blick auf die Sprache. So spricht man in dem eigenen verfassten Artikel zur Friedensdemonstration von „protzigen Moschee-Hauptquartier in Ehrenfeld“, „Erdogans verlängertem Arm in Deutschland“ oder „gutmenschlich bewegte Organisationen“ und vermischt die Themen inhaltlich auch noch mit dem Moscheebeirat, der mit dem Friedensmarsch nichts zu tun hatte. Auch die Moschee in Ehrenfeld hat mit dem Friedensmarsch nichts zu tun. Der Betreiber der Moschee, die DITIB, hat sich sogar von dem Friedensmarsch distanziert und wurde dafür öffentlich kritisiert.

Blog oder Lokalmedium?

Und auch in einem weiteren Fall dokumentiert der Faktencheck, dass man mitnichten bei der Wahrheit bleibt und zwischen Werbeseite für die eigene Wählergruppe und redaktioneller Anmutung changiert. „Verwahrlosung Kölns wird zu bundesweitem Thema“ lautet die Headline des „Pro Köln“-Blogs. Hier stilisiert man sich aus dem Blog „Köln Unzensiert“, sogar zum „Lokalmedium“ hoch. Es geht um die Drogenproblematik am Neumarkt, die ausführlich von den Kölner Medien begleitet wurde und dies bevor „Köln Unzensiert“ das Thema aufgriff. Dennoch behauptet man „Nachdem Köln Unzensiert als einer der ersten Lokalmedien über die Eskalation der Lage berichtet hatte, haben heute deutschlandweit Medien und Nachrichtenblogs wie z.B. PI-NEWS nachgezogen.“ „Pi-News“, zur Erklärung ist ein rechtspopulistischer Blog und dennoch vermittelt man den Eindruck, auf und in allen Kanälen laufe das Thema dank der Recherche der Redaktion von „Köln Unzensiert“.

Gleich im nächsten Absatz erklärt die Wählergruppe ihre politische Agenda: „Aus der Kölner Kommunalpolitik und von Oberbürgermeisterin Reker sind derweil keinerlei überzeugende Vorschläge zur Lösung der Probleme zu vernehmen. Nur die Bürgerbewegung Pro Köln hat bereits angekündigt, zum einen die Aufklärungsarbeit über die Verwahrlosung und Kriminalisierung des öffentlichen Raumes auszuweiten und zum anderen einen konkreten politischen Maßnahmenkatalog zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung auf allen Straßen und Plätzen Kölns auszuarbeiten. Natürlich werden wir auch darüber zeitnah berichten!“

Politische Botschaft und redaktionelle Ansprache und Anmutung vermixt

Für den normalen Leser ist bei „Köln Unzensiert“ nicht mehr zu differenzieren, was ist redaktioneller Beitrag und was ist Botschaft, Haltung, Linie einer politisch und im Kommunalparlament vertretenen Wählergruppe. Die zudem in diesem Kontext die freie Presse mit dem Begriff „Lügenpresse“ diffamiert. Wie sind solche Versuche politisch aktiver Rechtspopulisten, die politische Botschaft und redaktionelle Anmutung und Ansprache zu mischen, zu werten? Auch wenn diese behaupten „völlige Transparenz“ herzustellen. Report-K.de sprach mit dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) Frank Überall.

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„Das ist bewusst irreführend“

Report-K: Herr Überall, wenn Sie die Webpräsenz „Köln Unzensiert“ sehen, welchen Eindruck macht diese auf Sie und wie empfinden Sie den Begriff „Lügenpresse“ in diesem Kontext?

Frank Überall: Das ist eine politische Agitationsseite, die mit Journalismus nichts zu tun hat. Dass ich direkt diesen Eindruck habe, liegt aber daran, dass ich mich mit der sogenannten Pro-Bewegung schon seit langem beschäftige und deshalb direkt erkenne, wer der Absender dieser Botschaften ist. Für unbedarfte Leserinnen und Leser kann das Portal schon so aussehen, als ob es sich um ein journalistisch-redaktionelles Produkt handelt. Das ist bewusst irreführend.

Report-K: Missbraucht hier nicht eine politisch aktive Gruppe den Medienbegriff?

Frank Überall: Wäre es nicht so ernst, könnte man es lächelnd als Satire abtun. Aus meiner Sicht besteht aber tatsächlich eine Verwechslungsgefahr. Die Seite ist bewusst als „Nachrichtenblog“ aufgesetzt, so dass man den Eindruck gewinnen soll, hier wären Journalistinnen und Journalisten am Werk. Bei den Texten ist meist „die Redaktion“ als Autor angegeben – das erweckt den Eindruck, als ob hier professionelle Kriterien eingehalten würden. Das aber ist nicht der Fall. Letztlich widerspricht sich „Pro Köln“ in der Selbstdarstellung ihres Blogs sogar selbst: Einerseits wird behauptet, dort sei das zu lesen, was Medien verschweigen. Andererseits werden in einer Rubrik direkte Verlinkungen zu Pressemitteilungen der Stadt Köln verlinkt – die wohl kaum von anderen Redaktionen ignoriert werden.

Report-K: Bei unseren Recherchen hörten wir oft die Argumente, „Pro Köln“ sei bereits in der Bedeutungslosigkeit versunken und wir sollten nicht über deren mediale Aktivitäten berichten. Berichten oder Verschweigen?

Frank Überall: Verschweigen hat noch nie weiter geholfen. Man sollte zwar nicht über jedes provokative Stöckchen springen, das von „Pro Köln“ hingehalten wird. Es muss aber darum gehen, sich analytisch mit der Organisation, ihrer Politik und ihrer Vorgehensweise auseinanderzusetzen. Aufklärung ist wichtig, damit sich jede Bürgerin und Bürger ein Bild von der Realität machen kann. Dafür ist professioneller Journalismus da. Wer etwa bei der Betrachtung des Newsblogs skeptisch wird, will sich die Hintergründe der Seite womöglich nicht selbst zusammen recherchieren, sondern braucht eine unabhängige Berichterstattung und Einordnung dieser Aktivitäten.

Report-K: Viele Menschen engagieren sich gegen Rechtspopulisten und gehen auf die Straße und zeigen Flagge, wenn diese im öffentlichen Raum agitieren. Im Netz scheint dies abgeschwächter der Fall zu sein. Da sieht man die Nutzung und das Teilen eines YouTube Links, die Verwendung von Wikimedia Commons, oder die Nutzung von offiziellen Pressemitteilungen oder Links offener. Brauchen wir hier nicht eine Diskussion darüber, wie zum einen das offene Internet erhalten bleibt, aber ein Teilen von Inhalten auch offiziellen Mitteilungen nicht missbraucht werden kann? Auch wenn die Differenzierung sicherlich schwer fällt.

Frank Überall: Der Aufschrei der Anständigen bleibt im Netz in der Tat allzu häufig aus. Das Gemeinschaftsgefühl scheint bei Demonstrationen auf der Straße größer zu sein. In sozialen Netzwerken mit Kommentaren Hass-Postings zurück zu weisen, ist anstrengend – vielen offenbar zu anstrengend. Das gehört zu einer wehrhaften Demokratie aber auch dazu. Der Umgang mit einem angeblichen Nachrichtenblog ist da aber noch schwieriger – man kann sich auch als Stadtverwaltung schlecht dagegen wehren, dass auf eigene, öffentliche Seiten verlinkt wird.

Report-K: Für den Alltagsleser ist es oft schwierig zu erkennen, ob es sich, wie in diesem Fall um die neue Werbeform des Content Marketing handelt, die ja auch Unternehmen zunehmend nutzen, oder um die Arbeit einer unabhängigen Redaktion handelt. Eigentlich gilt eine Kennzeichnungspflicht, die aber oft nur auf Abmahnung eines Wettbewerbers hin verfolgt wird. Brauchen wir nicht eine klarere Begriffsdefinition, was ist journalistisch aufbereitete Information, was ist Content Marketing?

Frank Überall:Auch wenn der Begriff „Neuland“ in diesem Zusammenhang lächerlich wäre, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass im Bereich des Internets derzeit viel ausprobiert wird. Medien suchen nach Aufmerksamkeit und Erlösmodellen. Dabei droht der „echte“ Journalismus unter die Räder zu kommen. Eine Kennzeichnungspflicht für Werbung war hinreichend, als redaktionelle Publikationen den Markt objektiv beherrschten und die Reklame die Ausnahme war. Das ist in weiten Teilen des Internets eben anders: Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit, wie sie vom professionellen Journalismus geboten werden, drohen ins Hintertreffen zu geraten. Neue Marken treten auf und etablieren sich – und an welche Standards sich die Betreiber halten, wird oft bewusst nebulös gehalten. In dieser Situation müssen wir auch darüber diskutieren, ob wir nach professionellen Kriterien erstellte, redaktionelle Produkte mit einer Art „Gütesiegel“ auszeichnen. Ein solches Siegel hätte das Blogprojekt von „Pro Köln“ dann mit Sicherheit nicht verdient.

Herr Überall wir danken Ihnen für das Gespräch.

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Autor: Andi Goral
Foto: Screenshot mit Ausschnitten aus der Seite „Köln Unzensiert“ von „Pro Köln“.