Preisverleihung am 1. November 2020 im Livestream auf Youtube

Köln | Der Kölner Schriftsteller und Publizist Navid Kermani erhält den diesjährigen Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis wird ihm für sein Gesamtwerk verliehen, das aus literarischen und Sachtexten besteht. Die Preisverleihung in der Schlosskirche der Frankfurter Vorort-Gemeinde am 1. November 2020 wird (ab 11 Uhr) im Livestream auf Youtube zu sehen sein. Die Laudatio hält F.A.Z.-Herausgeber Jürgen Kaube.

Navid Kermani, 1967 als Sohn iranischer Eltern in Siegen geboren und habilitierter Orientalist, lebt seit vielen Jahren als freier Schriftsteller und Publizist in Köln. Hier entstanden viele seiner literarischen Arbeiten und Sachbücher; für die Stadt hat er sich immer wieder in unterschiedlicher Weise engagiert. Zusammen mit Guy Helminger organisiert Navid Kermani seit über zehn Jahren in Köln den „Literarischen Salon“ im Kölner Stadtgarten. Bekannt ist Kermani, der im Eigelstein-Viertel lebt, auch als Fan des 1. FC Köln, dessen Spiele er häufig im Stadion verfolgt. Dem Kölner Dom widmete er in „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“, einem seiner erfolgreichsten Sachbücher, ungewöhnliche Analysen. „Der Dom preist nicht Gott, sondern die Kölner.“

Mit dem deutschen Schriftsteller Friedrich Hölderlin (1770-1843), zu dessen Hauptwerken der Briefroman „Hyperion“, das Fragment gebliebene Drama „Der Tod des Empedokles“, vor allem aber Lyrik und Übersetzungen aus dem Altgriechischen gehören, hat sich Kermani über die Jahre immer wieder beschäftigt. Einige Bekanntheit erlangten etwa Kermanis Frankfurter Poetikvorlesungen im Jahr 2011 (unter dem Titel „Über den Zufall. Jean Paul, Hölderlin und der Roman, den ich schreibe“ 2012 im Carl Hanser Verlag erschienen). Auch der Roman „Dein Name“ (Hanser Verlag 2011) lässt sich als „eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Werk Hölderlins“ lesen, wie das Münchner Lyrik Kabinett schrieb. „Kermani liest Hölderlin als Mystiker, in dessen Dichtung Innen- und Außenwelt konvergieren und die Sehnsucht nach der Geliebten ununterscheidbar wird von der Sehnsucht nach dem Absoluten: Nicht Goethe mit seinem gelehrten Diwan oder Rückert mit seinen kunstfertigen Ghaselen, nein, Hölderlin, der sich für den Orient nicht sonderlich interessierte, ist der Sufi der deutschen Literatur, der Sonderling, der Närrische und Verlachte, bis hin zum Aufschrei, zum Verglühen, zur Auflösung. Die anderen schreiben über Mystik, Hölderlin verkörpert sie: „Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, daß es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt!“ Das ist mystischer O-Ton, 10. Jahrhundert, und klingt zweihundert Jahre nach Hölderlin zugleich wie eine Fanfare des Rock ‚n‘ Roll: It’s better to burn out than to fade away.“

Zuletzt erschien von Kermani unter dem Titel „Bald sind wir aber Gesang“ im C.H. Beck-Verlag eine unkommentierte Hölderlin-Auswahl aus Anlass des 250. Geburtstags des schwäbischen Dichters.

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Friedrich Hölderlin
Bald sind wir aber Gesang. Eine Auswahl von Navid Kermani
C.H. Beck Verlag 2020 20,–€

Navid Kermani
Ungläubiges Staunen. Über das Christentum
C.H. Beck Verlag 2015 24,95€
neu (2020) als Paperback 14,–€

Autor: Von Christoph Mohr