Köln | Bereits am Mittwoch tagte die Jury für den Heinrich-Böll-Preis 2017, den die Stadt Köln vergibt. Sie entschied sich für den in Bulgarien geborenen Ilija Trojanow. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte den Jury-Vorsitz inne und telefonierte mit dem Schriftsteller nach der Sitzung.

Die Begründung der Jury, wie sie die Stadt Köln veröffentlicht hat, lautet: „Kaum ein anderer hiesiger Schriftsteller setzt das politische Engagement von Heinrich Böll so konsequent und literarisch ambitioniert fort wie Ilija Trojanow: in seinen Büchern, aber wie der Kölner Literaturnobelpreisträger auch mit seinem gesellschaftlichen Wirken. Beide Autoren haben leidvoll erfahren müssen, was Totalitarismus bedeutet: Böll, geboren 1917, während der Zeit des Nationalsozialismus, Trojanow, geboren 1965, als Sohn einer bulgarischen Familie, die 1971 nach Deutschland floh. Konsequenterweise hat sich Trojanow nicht nur als kompromissloser Kritiker des Überwachungsstaats profiliert, sondern auch als rastloser Helfer für verfolgte und exilierte Schriftsteller. In der von ihm herausgegebenen Reihe „Weltlese“ erscheinen Bücher aus der ganzen Welt in Erstübersetzungen, und Trojanow selbst, der in Kenia aufgewachsen ist, hat als Publizist unter anderem in Bombay und Kapstadt gelebt, ehe er 2007 nach Wien zog, wo er bis heute lebt. Seit dem 2006 erschienenen Roman „Der Weltensammler“ zählt er zu den international bekanntesten deutschen Schriftstellern, und 2015 krönte Trojanow sein bishe-riges Prosawerk mit dem Roman „Macht und Widerstand“, eine beeindruckende ‚Ästhetik des Widerstands’, die von zwei ineinander verwobenen Schicksalen im kommunistischen Bulgarien erzählt: dem eines Systemgegners und dem eines Stasioffiziers. Die Summe seines Nachdenkens über das die eigene Biographie prägende Grunderlebnis des Exils hat er gerade erst mit dem aphoristischen Essayband „Nach der Flucht“ gezogen. Im Jahr des 100. Geburtstags von Heinrich Böll bestätigt Ilija Trojanow mit diesem Buch einmal mehr, wie sehr er in der Lage ist, Politik und Ästhetik auf höchst kunstvolle Weise miteinander zu verbinden.“

Der Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln ist mit 30.000 Euro dotiert. Ilija Trojanow erhält den Preis am 24. November im Historischen Rathaus. Der Jury gehörten neben Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Vertretern aus Rat und Verwaltung als Fachjuroren Professor Dr. Christof Hamann, Guy Helminger, Eva Menasse, Ulrich Peltzer und Andreas Platthaus an.

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Die Literaturliste zu Ilija Trojanow

Ilija Trojanow: Meine Olympiade. Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016
ISBN 9783100800077, Gebunden, 336 Seiten

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Ilija Trojanow: Macht und Widerstand. Roman
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015
ISBN 9783100024633, Gebunden, 480 Seiten

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Ilija Trojanow: EisTau. Roman
Carl Hanser Verlag, München 2011
ISBN 9783446237575, Gebunden, 172 Seiten

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Ilija Trojanow / Juli Zeh: Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte
Carl Hanser Verlag, München 2009
ISBN 9783446234185, Paperback, 176 Seiten

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Ilija Trojanow: Der entfesselte Globus. Reportagen
Carl Hanser Verlag, München 2008
ISBN 9783446230309, Gebunden, 196 Seiten

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Ranjit Hoskote / Ilija Trojanow: Kampfabsage. Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen zusammen
Karl Blessing Verlag, München 2007
ISBN 9783896673633, Gebunden, 240 Seiten

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Ilija Trojanow: Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783821847566, Gebunden, 444 Seiten

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Ilija Trojanow: Der Weltensammler. Roman
Carl Hanser Verlag, München 2006
ISBN 9783446206526, Gebunden, 477 Seiten

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Ilija Trojanow: Zu den heiligen Quellen des Islam. Als Pilger nach Mekka und Medina
Malik Verlag, München 2004
ISBN 9783890292878, Gebunden, 174 Seiten

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Ilija Trojanow: An den inneren Ufern Indiens. Eine Reise entlang des Ganges
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446202290, Gebunden, 200 Seiten

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Ilija Trojanow (Hg.): Döner in Walhalla. Texte aus der anderen deutschen Literatur
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2000
ISBN 9783462028942, Gebunden, 224 Seiten

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Autor: ag
Foto: Ilija Trojanow auf der Frankfurter Buchmesse, By Ot – Own work, CC BY-SA 4.0