Köln | Kölner Karneval und Marzellen-Verlag gehören untrennbar zusammen. Regelmäßig öffnet der Verlag ein Türchen zu den eher unbekannten Aspekten der Fünften Jahreszeit. Mit dem jetzt erschienenen Buch „Große Kölner Geschichte(n)“ zeigt er, was einer Kölner Karnevalsgesellschaft – eben der „Großen Kölner“ – wichtig ist, um eine Session zu durchstehen.

Eine Kölner Karnevalsgesellschaft, die etwas auf sich hält – und dazu gehört natürlich die traditionsreiche „Große Kölner“ –, gibt zu ihren Sitzungen „Liederhefte“ heraus. Sie sollen die Gäste zum Mitsingen ermuntern. Nun ist es schon lange her, dass Bands und Solisten die Jecken mit „tagesaktuellen“ Krätzjer beglücken, die in der nächsten Session schon veraltet sind. Stattdessen beschränkt sich das Repertoire heute meist auf Dauerbrenner, von denen zumindest die Refrains schon vorher stadtbekannt und daher auch ohne vorliegenden Text mitsingbar sind.

Statt Texten zum Mitsingen mehr Hintergrund über Karneval

So füllt auch die Große Kölner – 1882 gegründet und eine der ältesten hiesigen Karnevalsgesellschaften – eine ihre Liederhefte seit langem mit Artikeln, in denen Kölner Persönlichkeiten, Orte oder Geschichten gewürdigt werden, die – natürlich – mit Karneval zu tun haben. Eine Auswahl aus dem vergangenen Vierteljahrhundert wird jetzt im reich bebilderten Band „Große Kölner Geschichte(n)“ veröffentlicht. So erfährt man ausführlich über die Funktion und Gestaltung von Orden, warum der Prinz eine Kette trägt, welchem Stress die Büttenredner ausgesetzt sind und wie es endlich zu einem eigenen Karnevalsmuseum kam.

Für diese Beiträge konnte mancher Fachmann und manche Fachfrau gewonnen werden, egal ob Vereinsmitglied oder nicht. So schreibt Michael Euler-Schmidt (Vizedirektor des Kölnischen Stadtmuseums) über den Straßenkarneval zur Franzosenzeit und Marcus Trier (Direktor des Römisch-Germanischen Museums) räumt mit dem Irrglauben auf, dass der Kölner Karneval nachweisbar auf die Römer zurückzuführen sei. In die Seele des Hänneschen taucht Wolfgang Oelsner ein, auch sonst renommierter Experte für die kölsche Karnevalsseele. Brauchtumskenner Reinold Louis erinnert an den Williams-Bau, quasi ein früher Vorläufer der Kölnarena, der zehn Jahre lang am Aachener Weiher die Kölner Veranstaltungsstätte war – natürlich auch für den Karneval.

Karneval und die Nazi-Diktatur: Das scheint immer noch ein Tabu-Thema zu sein

Die Journalistin Anja Katzmarzik erinnert an die (Karnevals-)Humoristin Grete Fluss. Auch andere große Karnevalisten wie Karl Berbuer, Albrecht Bodde, Jupp Schmitz oder Willy Schneider werden liebe- und respektvoll porträtiert. Hier hätte man allerdings doch manchmal gerne genauer gewusst, wie sie die dunkle Zeit der Nazi-Diktatur als Karnevalist und Karnevalistin durchgestanden haben. Das scheint immer noch ein Tabu-Thema zu sein. Ebenso wie die Tatsache, dass die Prinzenproklamation eine Erfindung der Nazis war. Da ist es dann auch ärgerlich, wenn über diese Zeit schönfärberisch vom „Druck der Partei“ gesprochen wird, dem der damalige Festausschuss-Präsident Thomas Liessem nachgegeben habe, um den Kölner Karneval aus der Schusslinie der NSDAP zu nehmen. Das sollte man im Jahr 2006 schon besser gewusst haben.

Dagegen ist das Fehlen eines Namensregisters ein kleiner, wenn auch ärgerlicher Schönheitsfehler. Denn die Querverweise sind zahlreich. Trotzdem: Dieses Buch sollte jeder in seiner Bibliothek haben, der etwas mehr über Karneval wissen will.

[infobox]„Große Kölner Geschichte(n) – Kölner Namen, Orte und Karnevalsgeschichte(n)“ – Marzellen-Verlag, Köln 2017, 240 Seiten. 14,95 Euro

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Autor: ehu | Cover: „Große Kölner Geschichte(n) – Kölner Namen, Orte und Karnevalsgeschichte(n)“ – Marzellen-Verlag
Foto: „Große Kölner Geschichte(n)“ bietet eine Auswahl aus den „Liederheften“ der Karnevalsgesellschaft „Große Kölner von 1882“