Köln | Fast 50 Jahre nach ihrer Uraufführung in Köln wird die Oper „Die Soldaten“ des Kölner Komponisten Bernd Alois Zimmermann nun erstmals auch bei den Salzburger Festspielen gezeigt. Die multimediale Oper, die das Musiktheater revolutionierte, ist damit endgültig auf der Bühne der Etablierten angekommen.

Bernd Alois Zimmermann, 1918 bei Köln (Bliesheim) geboren und 1970 mit nur 52 Jahren freiwillig aus dem Leben gegangen, gehört zur ersten Liga der Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Aribert Reimann, Hans Werner Henze, dem auch lange in Köln lebenden gebürtigen Ungarn György Ligeti, dem Briten Benjamin Britten, dem Franzosen Olivier Messiaen oder dem Polen Krzysztof Penderecki. Zimmermann studierte an der Hochschule für Musik in Köln, wo er später seit 1958 einen Lehrauftrag und seit 1962 bis zu seinem Lebensende eine Professur innehatte. Seit einigen Jahren verleiht die Stadt Köln im Andenken an den Avantgarde-Komponisten das Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium für junge Komponisten, das im letzten Jahr der in Köln lebende Japaner Yasutaki Inamori erhielt.

„Die Soldaten“, beruhend auf dem gleichnamigen Theaterstück des Sturm und Drang-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792), entstanden in den Jahren 1958-1960 als Auftragsarbeit der Stadt Köln. In seiner ursprünglichen Form galt die Oper als unspielbar. Zimmermann überarbeitete sie daraufhin während eines Studienaufenthalts in der Villa Massimo in Rom 1963/64. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) sendete 1963 erstmals drei Szenen, die legendäre Uraufführung unter der Leitung des damals erst 37-jährigen Dirigenten Michael Gielen fand am 15. Februar 1965 statt. In Köln wurde damit Musikgeschichte geschrieben: Oft werden „Die Soldaten“ neben Alban Berg’s Opern „Lulu“ und „Wozzeck“ als das bedeutendste Musiktheaterstück der letzten 50 Jahre bezeichnet je nach Lesart ein Stück gegen Krieg und Militär, gegen Klassendenken und Frauenunterdrückung, oder über das, was Menschen Menschen antun können.

Die strenge 12-Ton-Oper stellt an jedes Opernhaus und an jeden Sänger extrem hohe Anforderungen. Es gibt nicht nur 16 Gesangs-, sondern auch 10 Sprechrollen, es braucht über 100 Musiker, die in keinen gewöhnlichen Orchestergraben passen, mit zum Teil ungewöhnlichen Instrumenten wie Röhrenglocken, Vibraphon und Celesta. Zudem verlangt die multimediale Struktur des Stücks nach Parallelbühnen.

Die Salzburger Inszenierung, verantwortet von dem lettischen Regisseur Alvis Hermanis, der mit drastisch-einprägsamen Bildern hier seine erste Operninszenierung abliefert, und den Wiener Symphonikern unter Dirigent Ingo Metzmacher gilt vielen als der eigentliche Höhepunkt der diesjährigen Salzburger Festspiele unter ihrem neuen Chef Alexander Pereira. Eleonore Büning, Deutschlands wichtigste Musikkritikerin, nennt Salzburg ein „einmaliges Ambiente für das multimediale Simultan-Musiktheater, womit Bernd Alois Zimmermann im Jahr 1967 das alte Gesamtkunstwerk Oper abschaffte und neu erfand.“ In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt Büning: „In ihrer Ausdrucksmacht ist diese „Soldaten“-Darbietung atemberaubend“. [ Link zum Artikel ]

Die Presse, Österreichs führende Tageszeitung, jubelt: „In Salzburg wird das Stück auf fabelhafte Weise zum Leben erweckt – mit vollem Risiko, ohne technisches Netz“. [ Link zum Artikel ]

Allein Europas führender Wirtschaftszeitung „Financial Times“ entgeht nicht die bittere soziale Ironie einer Aufführung in Salzburg, dem Society-Festival schlechthin, wo ein Kritiker zuletzt böse fragte, ob man überhaupt noch Karten bekäme, wenn man nicht mit Fahrer vorfahre: „There is something disturbing about the way the manicured, tailored, bejewelled public leaps to its feet at the end to applaud this indictment of social injustice“. [ Link zum Artikel ]

Der Erfolg in Salzburg ruft aber auch schmerzhaft in Erinnerung, was Köln vor 50 Jahren einmal war und heute eben nicht mehr ist: Ein Ort künstlerisch-kreativer Revolutionen, wo Komponisten wie Zimmermann, Ligeti oder Stockhausen die Ausdrucksformen von Musik und Musiktheater revolutionierten, wo aber auch der WDR sich als Förderer der musikalischen Avantgarde begriff.

Ein kleiner Kölner Trost mag sein, dass selbst 50 Jahre später die Salzburger Inszenierung noch ihre Wurzeln in Köln hat. Der Dirigent Ingo Metzmacher nämlich war, wie er im Programmheft berichtet, Assistent und Korrepetitor von Michael Gielen bei der legendären Kölner Uraufführung. Und auch Regisseur Alvis Hermanis ist ja in Köln kein Unbekannter: Am Kölner Schauspiel sind gleich drei seiner Sprechtheater-Inszenierungen zu sehen: „Die Geheimnisse der Kabbala“, „Kölner Affäre“ und „Oblomov“.

Autor: Christoph Mohr | Foto: Babsi W/fotolia
Foto: Salzburg