Köln | Zum 14. Mal hat Stephan Masur internationale Varieté-Künstler eingeladen, die auf der kleinen Bühne im Senftöpfchen Großartiges darbieten. Unter dem Leitmotiv „La Chateau mysterieux“ geht es in diesem Jahr schaurig zu – und ist dennoch große Unterhaltung für jedes Alter.

Es sind nicht Janet und Brad aus der „Rocky Horror Picture Show“, die vor dem Regen fliehen und in einem Schloss Unterschlupf finden, sondern es es sind Daniella und Michal als Duo „HandtoViolin“. Sie treffen nicht auf Dr. Frank N. Furter, sondern auf Dave van der Wal – doch „Sweet Transvestite“ singt er, in Mieder und roten High Heels, mindestens genauso gut.

Nach der Eröffnungsszene von Stephan Masurs Varietespektakel ist klar, dass es sich wieder einmal abseits des Mainstreams bewegt – und dass das eine große Stärke des Programms ist. Neben den Artisten natürlich: Nach der Einstimmung beginnt sofort Malte Strunk, sein Diabolo durch die Luft zu werfen. Es bleibt nicht bei einem – mit bis zu drei Stück macht er seine Kunststücke. Die Augen wissen irgendwann gar nicht mehr, wo sie hinschauen sollen, so faszinierend und schnell sind seine Tricks.

Klirrende Eisenketten, geschluckte Schwerter, jonglierte Bücher

Dann tritt Stephan Masur selbst auf, und sofort hat er das Publikum auf seiner Seite. Seine charmante, authentische Art kommt einfach gut an. Er teilt – um im Leitmotiv zu bleiben – allen Zuschauenden geräuschvolle Rollen zu: Die Mäuse, der knarrende Boden, die quietschende Tür, der Schlosshund.

Wenn nicht gruselig, so doch mystisch ist Lisa Chudalla in ihrem Single Wheel, dem riesigen Reifen. Ihr weißes Kleid, das sie in Unschuld hüllt, und die vielen Tattoos erzeugen einen besonderen Kontrast und verleihen der jungen Akrobatin eine besondere Aura. Die wird umso bestechender, wenn sie sich später an den Eisenketten hoch- und runterzieht, fallen lässt, in schwindelerregender Höhe darauf schaukelt. Jedes Klirren der Ketten tut weh, und später tauscht sie die Ketten gegen Dolche und Schwerter, die sie schluckt. Das macht ihre Darbietung noch beeindruckender.

Beeindruckend sind auch Daniela und Michal, die Unterschlupf im Schloss gefunden haben, und sofort mit ihrer Handstand-Artistik und Stuhlequilibristik beginnen – immer begleitet von Daniela auf der Geige. Überhaupt ist es die Musik, die sorgfältig ausgesucht scheint und zu jeder Nummer einzeln passt, aber auch im gesamte Programm gut harmoniert. So jongliert der nerdige Bibliothekar Christiaan Vandeburgt seine „Bücher“ zu einer Dance-Version von Edvard Griegs „In der Halle des Bergkönigs“ – das Stück wird immer schneller, der junge Akrobat jongliert immer mehr seiner Bücher. Und Dave van der Wal singt Melody Gardots „Your Heart Is As Black As Night”, während Lisa Chudalla die bereits erwähnten Schwerter in sich verschwinden lässt.

Eine willkommene Abwechslung im Kölner Kulturkalender

Unter der Regie des Holländers David Severins kommt allerhand Akrobatik zusammen – so mit Ryunosuke Yamazumis Chinese Pole. Dabei erklimmt der Japaner mit Katzenmaske eine Eisenstange, aber kopfüber, und das war erst der Anfang seiner Show. Später jongliert er große, blinkend-leuchtende Bälle – ein fast magischer visueller Eindruck.

So wie auch Stephan Masurs Seifenblasen, die schon Kultstatus haben müssen. Dennoch fällt ihm immer wieder etwas Neues ein, und in diesem Jahr sind die Seifenblasen besonders groß – so groß, dass sogar eine kleine Zuschauerin hineinpasst. Vom Prinzip so einfach, und doch begeistern Seifenblasen jedes Alter.

Und so ist das Varietespektakel wieder eine mehr als willkommene Abwechslung im Kölner Kulturkalender: Ein auf kleiner Bühne, mit Feinsinn und viel Leidenschaft fürs Varieté zusammengestelltes Programm, dessen Akrobatik mal zum Lachen animiert und mal den Atem stocken lässt, und am Ende mit langem Applaus belohnt wird.

Varietespektakel „Le Chateau mysterieux“ – Senftöpfchen, Große Neugasse 2-4, 50667 Köln. Mi-Sa 20.15 Uhr, So jeweils 17.00 Uhr, noch bis 11. August. Senftöpfchen Theaterkasse (täglich 16-20 Uhr): 0221 – 258 10 58

Autor: Fabian Schäfer