Köln| Barfuß im Regen stehen. Es gibt schöneres als das. Regen verbindet Menschen und ihre Geschichten, wenn sie eng zusammengepfercht unter der Bushaltestelle Unterschlupf suchen. Richard AczelsTheatergruppe des Englischen Seminars der Universität zu Kölnbringt mit „Your Rain, My Rain“ einen wilden Mix aus Performance, Soundinstallation und Sprechtheater auf die Studiobühne.

Lange Stahlrohre hängen von der dunklen Decke. Angebunden an verbogenen Stahlgittern, wie man sie von Baustellen oder vom Einzäunen des heimischen Kaninchenstalles kennt. Sieben junge Menschen verteilen sich über diese Landschaft und bringen sie zum Klingen. Mit kleinen Hölzern, durch leichte Schläge oder zartes Klopfen der bloßen Fingerkuppen hauchen sie dem eisern-kalten Setting Leben ein. Als Zuschauer ist man fast verführt, die Augen dabei zu schließen und sich den Regen wahrhaftig vorzustellen. Wäre da nicht das grandiose Schauspiel.

Sieben Figuren mit einer eigenen Geschichte

Jede der sieben Figuren auf der Bühne hat eine eigene Geschichte. Es geht um den Tod der Mutter, um das Verlassenwerden, um körperliche Anstrengung, um Blut, um Herkunft: „Bin ja keine Russin. Stamme aus Litauen. Echt deutsch!“ Unterbrochen werden die manchmal humoresken, oftmals melancholisch-lyrischen Erzählungen von bizarren Zäsuren. Da springt einer der sieben auf, schreit „Surprise“, ein schriller Klang ertönt und weiter geht der Kampf gegen den Regen. Irgendwie evoziert diese Überraschung ein störendes Moment. Dann wiederrum sorgt sie für Ordnung, spült die Geschichte weg und macht Platz für eine neue. Wie Regen eben.

„Es ist klar, der Regen wäscht auf jeden Fall. Weg was war, und es erscheint mir überall, schenkt er auch neues Leben, ne neue Chance für jeden“, sangen bereits die Fantastischen Vier in ihrem Song „Sommerregen“. Die Fantas werden nicht zitiert, dafür aber Freundeskreis mit ihrem von Kurt Schwitters Merz-Gedicht entlehntem 90er-Jahre-Hit A-N-N-A: „Immer wenn es regnet muss, ich an dich denken. Wie wir uns begegnet sind und kann mich nicht ablenken. Nass bis auf die Haut, so stand sie da A-N-N-A.“ Eine von nur zwei deutschsprachigen Zeilen in 75 Minuten. Die englischsprachige Inszenierung lebt von den Finessen des Englischen, seiner Dynamik und Lyrik, mit denen Richard Aczel immer wieder spielt. Manchmal ein bisschen zu sehr.

Und dann taucht eine achte Person auf

Anna hat ein Gesicht. Sie ist Person Nummer 8, die immer mal wieder die Treppen auf- und abläuft und die anderen im Visier hat. Doch ganz wird ihre Funktion nicht klar. So wortwitzig und klug das Stück des Dozenten, Regisseurs und Autors Richard Aczel daherkommt, so verwirrend und unbefriedigend ist es an manchen Stellen. So entsteht der Eindruck, dass die Individuen an irgendeiner Stelle Berührungspunkte in der Vita haben. Doch das Rätselraten und Stammbaum-Malen – wie bei Game of Thrones – ist vergebens, aber auch gar nicht die Intention des Stückes.

Am Ende bleibt es einfach gutes Theater. Klanglich brillant (Anna Neubert), das Licht (Sven Mause) klar und ausdrucksstark und das Schauspiel der namenslosen Protagonisten grandios. Hier sollen sie einen Namen bekommen, denn der abschließende Applaus gebührte allein ihnen: Johanna Berendes, Elisa Giovannetti, Martin Kraus, Johanna Müssiger, David Quaas, Tara Soltani, Marianna Souza und Leonhard Spies.

[infobox]„Your Rain, My Rain“ – die nächsten Aufführungen: 23.-26. Mai 2019, jeweils 20 Uhr in der Studiobühne Köln, Universitätsstr.16a, 50937 Köln. Karten unter: 0221/4704513 oder online studiobuehnekoeln.de

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Autor: Bettina Freund | Foto: Portinair
Foto: Schauspiel und Soundkulisse fügen sich zu einem für das Publikum erfrischend-schönen Sommerregen. | Foto: Portinair