Köln | Drei Menschen treffen zufällig aufeinander. Sie könnten verschiedener nicht sein, doch was sie eint, ist die Suche: Nach Liebe, Sinn, Erfolg. Doch das Ergebnis ist eine neurotische Gesellschaft. Das Stück „American Psychosis“ in der Studiobühne zeichnet nach, wie diese unweigerlich aufs eigene Ende zusteuert.

Das Ende haben die Zuschauer stets vor Augen. Die Worte „THE END“ leuchten während des gesamten Stückes an der Wand. Nur die drei Nachtschwärmer, die sich zufällig begegnen, sehen sie nicht. Dabei ist das Ende das, was sie alle auf ihre eigene Art und Weise beschäftigt. Das Ende des Lebens, das Ende der Gesellschaft, das Ende der Erfolglosigkeit.
Die drei – sie haben keine echten Namen, sind eher Prototypen unserer Gesellschaft – eint mehr, als sie zunächst annehmen. Sie befinden sich in einer Bar, doch die Party ist längst vorbei. Buntes Konfetti liegt herum, genauso bunt wie die Alkoholreste in den über die ganze Bühne verstreuten Gläsern. Bernd Sondergeld hat ein Bühnenbild geschaffen, das zeigt, wie schnell aus einem rauschenden Fest ein traurig-melancholischer Ort wird.

Der Großstadt-Verführer ruft das Ende der Welt aus

Die Figuren, das sind eine am Rande des Suizids stehende Möchtegern-Feministin, ein Großstadt-Verführer und ein zunächst ruhiger, einsamer Beobachter. Sie betrinken sich und frönen ihren Neurosen. Sie (mit starken Momenten: Stefanie Winner), die am imaginären Balkongeländer balanciert und eigentlich nur darauf wartet, doch endlich zu fallen. Der Verführer (lautstark und überzeugend: Marc-Andree Bartelt), der seine Partnerinnen emotional ausnutzt, nur den Weg nach oben kennt und dabei das Ende der Gesellschaft ausruft („Jeder ist sich selber Welt. Das Individuum als perfekte Welt.“). Der Beobachter (den Spagat zwischen Mitgefühl und Mitleid treffend gespielt: Manuel Moser), der irgendwann doch die Fassung verliert, überfordert ist, und die Welt, wie sie war, nicht mehr erkennt und deshalb auf der Suche nach einem Sinn ist („Die Ordnung einer Welt deutet sich im Halbdunkel an.“)

Ein riesiges Konglomerat an Themen

Der Text, der wie das Konzept von Regisseurin Silvia Werner stammt, dreht sich um die Themen unserer Zeit. Empathielose Narzissten, die für jedes bisschen Anerkennung – in Form von Likes oder Dates – immer lauter schreien. Endlose Einsamkeit, die alle Beteiligten mehr oder weniger freiwillig beherrscht. Allgegenwärtige Überforderung, die nach Schutzschilden verlangt, und gleichzeitig doch nur lähmt. Eine Blase der Selbstgefälligkeit, die wächst und wächst und dabei zu platzen droht.
Vielleicht wollte Silvia Werner mit diesem riesigen Konglomerat, zusammengefügt zu Gesellschaftsabbild, -kritik und -realsatire, zu viel. Am Ende bleibt das Gefühl, dass nicht alle Ideen und Ansätze verfolgt werden können. Außerdem neigt sie hier und da zu Phrasen, die schon allzu oft im ähnlichen Kontext gehört wurden und dem Konzept die Aktualität nehmen. Dort jedoch, wo etwa der Drang zur Selbstoptimierung in pointierten Äußerungen überzeugend thematisiert wird, ist die Inszenierung umso ergiebiger – und erschreckender. Denn es ist eine Dystopie, die wohl schon längst real ist.

[infobox]„American Psychosis“ – die nächsten Vorstellungen: 14., 15., 16. November, 4., 5., 6., 7. April 2018, jeweils 20 Uhr. Studiobühne Köln, Universitätsstr. 16a, 50937 Köln.

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Autor: Fabian Schäfer | Foto: Ingo Solms/Studiobühne
Foto: „American psychosis“: Stefanie Winner, Marc-Andree Bartelt und Manuel Moser (v.l.) leben ihre Neurosen aus – stellvertretend für eine ganze Gesellschaft.