Köln | Man nehme drei Schauspielerinnen, ein Bällebad, einen Fahrrad-Heimtrainer und ein Trampolin – und erhält die ungewöhnliche, unvorhersehbare Inszenierung „Frei//Sein“ rund um das Thema Freiheit. Miriam Michel und Manuel Moser haben es geschafft, im Orangerie-Theater in Kooperation mit der Performance-Kompagnie dorisdean einen Abend mit Überraschungen zu bieten, indem sie die gewöhnlichen Theater Abläufe durchbrechen und Kontakt zum Publikum suchten.

Auf der Bühne sprechen drei Schauspielerinnen (Kübra Sekin, Charis Nass und Nadja Duesterberg) hinter einem schwarzen Tuch, das wie ein Vorhang von der Decke herunter hängt, synchron einen Monolog über das Thema Freiheit. Die Situation wirkt alles andere als frei, vielmehr bedrohlich und unangenehm. Es geht um eine Frau namens Hydra, die gefangen ist in der Spirale ihrer Gedanken um Freiheit und dem Gefühl des Scheiterns. In ihrem Kopf drehen sich Fragen über den Klimawandel, Waffenexporte und den politisch rechten Rand. Doch wann und wie redet man über diese Themen?

Die Freiheit von Horkheimer, Weizsäcker und Rahner

Von der Frau namens Hydra gelangen die Schauspielerinnen zu Horkheimer, Weizsäcker und Rahner. Was haben diese drei Männer gemeinsam? Sie haben alle einmal etwas über den Freiheitsbegriff gesagt. Ihre Thesen werden abwechselnd auf der Bühne vorgetragen. Anfangs noch steril und höchst wissenschaftlich nüchtern, fallen sie sich zunehmend ins Wort, und man kann keiner der Dreien mehr folgen.

Doch sie nehmen sich die Freiheit – es scheint, als würden sie keinem vorgegebenem Drehbuch mehr folgen und zunehmend spontan handeln. Sie necken einander mit kleinen Kommentaren, frechen Sprüchen, bewerfen einander mit Bällen und nehmen sich die Freiheit, auch Witze über die kurzen Beine der im Rollstuhl sitzenden Kübra Sekin zu machen. Das Publikum lässt sich von dieser Situation anstecken, wird lockerer. In dieser Stimmung bleibt der Inhalt von Sekins traurigem Monolog auf der Strecke. Ihre Figur erzählt von der Flucht aus dem Heimatland und singt ein emotionales türkisches Lied. Währenddessen quatschen die anderen dazwischen oder spielen verträumt im Bällebad.

Die Vorankündigung des Stückes ließ vermuten, dass der Zuschauer involviert werden würde. Dies war auch tatsächlich der Fall, wenn auch sehr wenig und unaufdringlich. In der zweiten Hälfte des Stückes verschwindet die imaginäre Wand zwischen Schauspieler und Publikum; der der Raum wurde beleuchtet, sodass alles zu sehen war.

Mit einem Kasten Bier gegen die Struktur des Theaters

Nadja Duesterberg spricht über die Freiheiten und Einschränkungen im Theater und beendet ihre Ansprache mit dem Hinweis darauf, dass diese Worte ihr von einem Mann vorgegeben wurden. Ob dieser Hinweis fürs Publikum wichtig sei? Sie meint „ja“ und macht damit auf die Strukturen und das System des Theaters aufmerksam, die die Freiheiten einschränken. Danach verlässt sie die Bühne, holt einen Kasten mit Bier und bietet es dem Publikum an.

Das ist wohl der Moment, in dem sich der Zuschauer verwirrt mit einem Lächeln umschaut und fragt, was diese Wendung zu bedeuten habe. Die anderen Schauspielerinnen gehen ebenfalls ins Publikum und fragen nach dem Freiheitsbegriff des Einzelnen. Ob der persönliche Freiheitsbegriff von politische Ideologien, Weltanschauungen oder Katzen Streicheln und Spaghetti Essen abhängt, ist dabei nicht von Bedeutung. An diesem Punkt gelingt dem Theater, die in diesem Rahmen mögliche absolute Freiheit aufzuzeigen, auch wenn es sich als Zuschauerin oder Zuschauer ungewöhnlich anfühlt.

[infobox]„Frei//Sein“ – die nächsten Vorstellungen: 1. und 2. Juni (18 Uhr), 13. bis 16. Juni (18 Uhr), jeweils 20 Uhr. Orangerie-Theater, Volksgartenstraße 25, 50677 Köln. Kartentelefon: 0221 / 952 27 08

[/infobox]

Autor: Von Franziska Venjakob
Foto: Wollen wissen, was Freiheit ist:Charis Nass,Kübra Sekin und Nadja Duesterberg (v.l.) Foto: Ingo Solms