Köln | Sie war eine entlaufene Nonne und Ehefrau des Kirchenreformators Martin Luther (keine Liebe auf den ersten Blick!). Ihm hielt sie den Rücken frei, sorgte für sein leibliches und finanzielles Wohl. Im Freien Werkstatt-Theater setzt die Schauspielerin Barbara Kratz jetzt Katharina von Bora ein überfälliges Denkmal.

Im Kellersaal des Theaters stehen zehn weiß gedeckte Tische. Darauf einfache Tonbecher und -schalen, ein Brett mit Brot, Kräuterquark und Geflügelpastete. Wasser, Rot- und Weißwein stehen bereit. Dazu Messer und Löffel – Gabeln waren im 16. Jahrhundert noch ein „Teufelswerkzeug“. 40 Zuschauer haben Platz. Gespannt harren sie der Dinge, die da kommen werden.

Barbara Kratz scheint einem Bild von Lucas Cranach entsprungen

Und es kommt Barbara Kratz, die sich in Frau Luther verwandelt. Im mittelalterlichen weiten schwarzen Rock, auf dem Kopf die Häkelhaube – so kennt man Katharina von Bora von einer Briefmarke der Deutschen Post aus dem Jahr 1999, die wiederum ein Porträt des Malers Lucas Cranach d.Ä. zitiert. So legt die Solistin (Regie und Autorin: Diana Anders) los und erzählt deren Leben. Entdeckt wird eine emanzipierte Persönlichkeit, eine Frau, deren Rollenverständnis erst Jahrhunderte später selbstverständlich wurde.

Kratz beherrscht den fesselnden Plauderton, dem sich keiner entziehen kann. Viel „Action“ gibt es ja nicht, die wird ersetzt durch Mimik, Gestik und Emotionen. Herzhaftes, nicht enden wollendes Lachen, wenn sie sich an die von ihrem Mann erfundenen „Scherzartikel“ erinnert, den Furzsack aus Schweinsblase etwa. Oder hemmungsloses, ergreifendes Weinen, wenn sie sich an ihren 16 Jahre älteren Mann erinnert, den sie um sieben Jahre überlebte.

Nicht alles, was Luther zugeschrieben wird, hat er auch gesagt

Gespickt ist die Erzählung mit Luthers Aufforderungen, ein fröhliches Leben zu führen. Es waren oft deftige Sprüche – „Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket?“ ist im Übrigen nicht von ihm.

Gut und detailreich recherchiert ist das Leben der Frau, die für die damalige Männerwelt geradezu revolutionär emanzipiert war. Sie gebar sechs Kinder (nur drei erreichten das Erwachsenenalter), war die Finanzchefin der Familie Luther, führte einen Gast- und Übernachtungsbetrieb (den teuersten in Wittenberg), züchtete Schweine, bewirtschaftete den einen Hektar großen Garten mit 500 Bäumen und vielen verschiedenen Kräutern. Im Jahr erwirtschaftete sie 200 Gulden – was heute über 70.000 Euro entspricht.

Geholfen hat ihr im weltlichen Leben, dass sie lesen konnte. Eine wohl kaum beabsichtigte Folge der Klostererziehung, zu der sie mit fünf Jahren gezwungen wurde und der sie mit 16 Jahren entfliehen konnte.

Immer wieder werden kleine Spitzen auf das aktuelle Tagesgeschehen eingeblendet. Etwa auf den heute in Luthers Heimat verbreiteten Hass auf Fremde und Flüchtlinge: Wir waren selber Flüchtlinge erinnert Kratz alias von Bora. Auf der Flucht vor Pest, auf der Flucht vor (katholischer) Verfolgung.

Serviert wird „Wittenberger Topf“ – für Vegetarierer auch ohne Fleisch

Ach ja, Frau Luther kochte auch (in Wahrheit wird sie wohl das Kochen für die zahlreichen allabendlichen diskussionsfreudigen Gäste ihres Martin überwacht haben). Und so zieht sie auch im Theater eine liebevoll gestalteten Feldküche zwischen die Tische. Daraus dampft es gewaltig, man hört das Holz knisternd brennen und aus zwei großen Behältern dampft es verlockend.

Der Funkenflug entpuppt sich als rotglitzerndes Konfetti. Zwischendrin greift die Hausfrau mal schnell zum Stecker für die elektrische Kochplatte, schmort Lauch in der Teflonpfanne und auch ein Smartphone kommt kurz zum Einsatz.

Dann wird serviert, Nachschlag inklusive: „Wittenberger Topf gibt es: Bohnen, Zwiebeln, Speck und Suppenfleisch, kräftig gewürzt. Auch für Vegetarierer ist gesorgt, für sie gibt’s einen Gemüseeintopf mit Möhren, Lauch, Sellerie, Nudeln und Grießklößchen. Als Nachtisch orientalisch-süßes Konfekt. Denn exotische Gewürze waren im Hause Luther nicht unbekannt.

Nach einem über anderthalb langen, nie langweiligen Solo-Abend wird das Publikum entlassen. Zum Abschied gibt es neben Konfekt die Ermunterung, durchzuhalten auf dem Weg zur Emanzipation im Glauben und im täglichen Leben: „Ihr schafft das!“.

„Frau Luther kocht!“ – die nächsten Vorstellungen: 9. und 10., 14. und 15. Juni, jeweils 19.30 Uhr. Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln, www.fwt-koeln.de. Da die Zuschauerzahl beschränkt ist, gibt es die Karten nur im Vorverkauf über die Theaterkasse: Tel. 02 21 / 32 78 17, E-Mail: fwt-koeln@t-online.de

Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals / FWT
Foto: Frau Luther (Barbara Katz) schiebt ihre mobile Küche in den Raum und plaudert Interna aus Geschäft und Liebe aus. Foto: MeyerOriginals / FWT