Köln | „German Angst“ – der Begriff hat es in den internationalen Wortschatz geschafft. Er steht für ein – angeblich – grundlegendes Lebensgefühl der Deutschen, eben die Angst. Doch wovor haben sie tatsächlich Angst – und wie kann man ihr begegnen? Dieser Frage geht das gründlich recherierte und unterhaltsam inszenierte Stück „Geht es euch gut?“ im Freien Werkstatt Theater nach.

Die Bühne ist dunkel, an der Seite ist eine Figur im Trenchcoat zu erkennen, ganz hinten bewegt sich etwas. Dann ein Schrei, ein Glockenschlag. Eine Frau rennt am Publikum vorbei, verschwindet hinter der Bühne. Mit dieser typischen Angstszene – frei aus einem Horrorfilm zitiert – beginnt das Stück.

Experten und Laien zum Thema Angst befragt

Ihm zugrunde liegt eine Fleißarbeit von Judith Kriebel (Autorin und Regie) und Carina Eberle (Ko-Autorin). Sie haben die einschlägige psychologische und soziologische Literatur durchgearbeitet, Statistiken und Ranking-Listen ausgewertet. Und nicht zuletzt befragt sie mit ihren Schauspielern Valentin Stroh, Franziska Schmitz und Kai Hufnagel Kölner Bürger und Bürgerinnen, etwa einen Polizisten, eine Sterbebegleiterin, einen Geisterbahnbetreiber, einen Sozialarbeiter.

Über die Bühne zieht sich eine schmale Folie in den Warnfarben Schwarz-Gelb. Auf diesem „Laufsteg“ kann sich die Angst in Theorie und Praxis präsentieren. Gesäumt wird er rechts und links von Schreibtischlampen – Scheinwerfer für die Akteure, zugleich Symbole für Büros und Labors, in denen Angst untersucht und vermarktet wird.

Gespenster machen Geisterbahn-Besuchern keine Angst mehr

Was also ist Angst? Einst ein wichtiges Warnsignal, gefährliche Situationen zu meiden. Aber heute? In Köln gibt es keine No-go-Areas, versichert die Polizei. Angsträume wie der Ebertplatz seien eher eine subjektive Wahrnehmung. Nicht selten sind es Vorurteile, die Angst erzeugen – etwa die Angst vor dem Neuen oder den Fremden. Da muss sich der Geisterbahnbetreiber anstrengen, um seinen Fahrgästen Angst zumachen: Mit den klassischen Gespenstern geht das heute nicht mehr.

Ein breit gespanntes, vielfältiges Spektrum wird ausgebreitet, denn wovor kann der Deutsche (nur er?) nicht alles Angst haben: vor Krankheiten, Prüfungen, Gift in Nahrungsmitteln, Waffen, Spinnen, Unfähigkeit von Behörden, Jobverlust, Terror. Nicht zu vergessen die Angst des Theaterbesuchers, als Mitspieler auf die Bühne geholt zu werden.

Ein glänzend aufgelegtes Bühnentrio trägt den unterhaltsamen und zum Nachdenken anregenden Theaterabend. Es schöpft aus dem schauspielerischen Vollen, macht Mut, sich mit der eigenen Angst auseinanderzusetzen und sie – so vorhanden – zu überwinden. Selbst die Angst vor dem Sterben. Doch am Ende ist das inhaltlastige Stück mit 100 Minuten ein bisschen zu lang.

„Geht es euch gut?“ – die nächsten Vorstellungen: 26. und 27. April, jeweils 20 Uhr. Freies Werkstatt-Theater, Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln, Tel. 02 21 / 32 78 17, www.fwt-koeln.de

Autor: ehu
Foto: Haben die Angst besiegt – oder doch nur verdrängt? Valentin Stroh, Kai Hufnagel und Franziska Schmitz in „Geht es euch gut?“. Foto: MayerOriginals / FWT