Köln | Seit 38 Jahren gibt es das Ensemble des Altentheaters am Freien Werkstatt-Theater (FWT) in Köln. Es ist damit das älteste dieser Art in Deutschland. Jetzt hatte seine neue Produktion gefeierte Premiere – bei „Lebenslied“ stehen Lieder, die das Leben begleiten, und die Suche nach Heimat im Mittelpunkt.

Eine leere Bühne, links 18 Stühle, rechts 9, links die Frauen, rechts die Männer: Zwischen 64 und 94 sind die Mitglieder des Laien-Ensembles alt. Doch diese starre Ordnung hält nicht lange, in wechselnder Gruppierung treten sie in die Mitte, erzählen von den Wirrungen des Lebens, von den Hoffnungen ihrer Eltern, vom Lieblingsessen, von der Suche nach Heimat. Mal reicht ein Satz, mal wird eine kleine Geschichte gespielt.

„Lebenslied“ ist der dritte Teil einer Trilogie

„Lebenslied“, inszeniert von Ingrid Berzau, ist der dritte Teil einer Trilogie. Die erste Liebe, Beruf, die Kinder, die Kriegserfahrungen und – bei den jüngeren Alten – auch die wilden 1960er Jahre waren Thema der beiden ersten Teile; da hat man aus dem Vollen geschöpft. Doch es gibt ja noch mehr im Leben. Was etwa haben sich die Eltern von ihrem Nachwuchs erhofft – statt des Mädchens doch den Jungen, der den Betrieb übernimmt? Was verbanden sie mit der Namensgebung?

Und wie war das mit der Heimat? Da ist der, der in Rom getauft wurde. Die eine ist auch in den USA zu Hause, die andere landete als DDR-Flüchtling zuerst an der Mosel. Oder der, der von zu Hause ausriss, als Seemann über die Meere schipperte und den zu Weihnachten das Heimweh übermannte. Der andere dagegen ist zwar siebenmal umgezogen, das aber nur in den engen Grenzen des Rechtsrheinischen. Unterm Strich aber sind alle mit dem Erreichten zufrieden. Köln scheint doch eine beruhigende, anziehende Stadt zu sein. Auch für die beiden – einer von ihnen ist Altentheatergründer Dieter Scholz –, die in Schlesien geboren wurden. Nun erzählen sie von der Vertreibung und vom Wiedersehen mit der alten Heimat nach vielen Jahrzehnten.

… und da die Männer

Lieder aus der Kindheit bleiben in der Erinnerung

Was nicht nur sie nicht vergessen haben: die Lieder aus ihrer Kindheit. Die werden jetzt aus der Erinnerungskiste geholt (Musikdramaturgie: Sabine Falter) und mit den Schlagern vermischt, die auch das Publikum kennt (vielleicht leise mitsummt) und die von Liebe und den Wünschen an das Leben erzählen.

Und Heimat kann man auch Schmecken: die Thüringer Rostbratwurst, die süddeutschen Marillenknödel, die Spätzle, der rheinische Sauerbraten, die Schwammerl, der 14 Tage lang gegorene Stinkkäsen. Igitt sagt das Publikum beim Brotaufstrich aus Tomatenmark und Lebertran. Und keine Panik: Lakritzschnecke, saure Gurke und Himbeersirup wurde nicht gleichzeitig gegessen. So zeigt sich auch hier die Vielfalt der Persönlichkeiten und der reiche Erfahrungsschatz.

Merke: Weder Rollator noch Alter hindern am Auftritt auf der Bühne. Schon gar nicht – so ein Vorurteil – am Singen. Und wenn dann wie hier noch komödiantisches Talent, ein bisschen Selbstironie und viel Ehrlichkeit dazukommen auch über das, was nicht wie erträumt verlief, gibt das wunderbare 90 Minuten Theatervergnügen.

[infobox]„Lebenslied“
die nächsten Vorstellungen: 11., 12., 26., 27. Mai, 1. Juni, jeweils 19 Uhr
Freies Werkstatt-Theater
Zugweg 10, 50677 Köln

Da die Zuschauerzahl beschränkt ist, gibt es die Karten nur im Vorverkauf über die Theaterkasse: Tel. 02 21 / 32 78 17, E-Mail: fwt-koeln@t-online.de[/infobox]

Autor: ehu | Fotos: Dieter Oeckel
Foto: Hier die Frauen…