Theater zwischen Freiheit und Sicherheit

Köln | „Die letzte Spielzeit war eine tolle Spielzeit, die uns mit großer Freude und Stolz erfüllt hat. Dann kam ‚Heldenleben‘ unter der Regie von Frank Castorf, das nur drei Aufführungen erlebt hat und danach in der Tonne verschwunden ist. Das tut schon weh“, erinnert sich Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann an den coronabedingten Abbruch des Spielbetriebs. Dass später die Spielzeit komplett abgebrochen worden ist, habe aber geholfen, um wieder entscheidungsfähig zu werden. Jetzt blickt man beim Schauspiel hoffnungsvoll in den Herbst, wenn die neue Spielzeit 2020/21 beginnen soll.

„Das bedeutet Theater zwischen Freiheit und Sicherheit. Hier muss sich die Kunst positionieren.“ Zu den Herausforderungen gehören die Kurzarbeit genauso wie die strengen Hygieneregeln, die für jede Abteilung maßgeschneidert sein müssen. Das macht unsere Arbeit langsamer und beeinträchtigt die Abläufe. Es ist mutig bei den Parametern im Theater zu arbeiten. Wir haben uns trotzdem entschlossen, an der Vielfalt festzuhalten. Es geht auch darum, unsere in Europa einzigartige Theaterkultur zu erhalten, dafür tun wir alles, was möglich ist“, sagt Bachmann. Gerade bei den Proben bringen die Hygiene- und Abstandsregeln „unfassbare künstlerische Einschränkungen“ mit sich. Die Regisseure seien aber trotzdem sehr verständnisvoll und kooperativ.

Eingeschränkt werden müssen die Plätze für das Publikum. In welchem Ausmaß das nötig ist, will man aber erst später entscheiden, um abzuwarten, wie sich die Dinge noch entwickeln. „Wir werden versuchen, so viele Plätze und so viel Sicherheit wie möglich anzubieten. Dazu werde man die Ansagen der kommenden Wochen abwarten.“

In die neue Spielzeit wird man am 4. September mit dem Stück „Warten auf Godot“ unter der Regie von Jan Bosse. Eigentlich war ein anderes Stück geplant, das sich allerdings nicht als coronakompatibel herausgestellt hat. Im Depot 1 wird die Raumsituation umgekehrt. Das Publikum findet Platz auf der Bühne, gespielt wird dagegen auf der Tribüne. Einen Tag später gibt es im Depot 2 die Premiere von Kleist‘ „Die Hermannsschlacht“ unter der Regie von Oliver Frljic. Themen sind dabei die Erstarkung von Nationalismus und Populisten. Das Stück war von den Nazis instrumentalisiert worden. Entsprechend blickt man auf dessen Rezeptionsgeschichte.

Bei „Schwarzwasser“ von Elfriede Jelinek war die deutsche Erstaufführung eigentlich für den April geplant. Jetzt wird diese unter der Regie von Stefan Bachmann am 12. September stattfinden. „Es wird nicht möglich sein, das Stück wie ursprünglich geplant auf die Bühne zu bringen. Es wird fragmentiert und bei einem Parcours auf dem gesamten Gelände präsentiert“, sagt Bachmann. Mit „Wut“ kommt am 25. September ein weiteres Jelinek-Stück als Premiere auf die Bühne im Depot 1. Ausgangspunkt waren die islamischen Terroranschläge von Paris, bei denen eine Zeitungsredaktion und ein jüdischer Supermarkt das Ziel waren. Inspiriert wurde die Autorin auch vom antiken Mythos der Göttin Hera. Regie führt Ersan Mondtag.

Noch keinen Termin gibt es für „Utopolis Köln“ von Rimini-Protokoll, das in der ganzen Stadt stattfinden soll. Auf den 22. Oktober terminiertt ist die Uraufführung der permorfativen Installation zu „Die Walküre“ frei nach Richard Wagner. Sie wird an der Außenspielstätte am Offenbachplatz stattfinden, der für das Stück umgebaut wird. Die Spielstätte selbst steht nur noch bis Ende des Jahres zur Verfügung und wird danach wieder zur Baustelle. Am 23. Oktober folgt im Depot 2 die Premiere von „Jugend ohne Gott“ mit dem Import Export Kollektiv und unter der Regie von Bassam Ghazi.

Von Mitte März wurde die Premiere von „Nora“ von Henrik Ibsen unter der Regie von Robert Borgmann auf den 24. Oktober im Depot 1 verschoben. Ihr folgt die Uraufführung eines Monologs: „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“ ein Stück, bei dem der Protagonist mit einem Reisebus auf die Bühne kommen wird. Ebenfalls ein Monolog ist „Die Blechtrommel“ unter der Regie von Marie Schleef – Premiere ist hier am 29. November.

Mit Jürgen Flimm und seiner Inszenierung von Schillers „Don Karlos“ kommt ein ehemaliger Intendant des Schauspiels Köln ins Depot 1 (Premiere 18. Dezember). Zum Jahresabschluss gibt es am 19. Dezember noch die Premiere von „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck unter der Regie von Rafael Sanchez. Für 2021 sind unter anderem Schillers „Die Jungfrau von Orleans“ unter Regie von Pinar Karabulut im Februar, „Atemschaukel“ von Herta Müller im März unter der Regie von Bastian Kraft und „Reich des Todes“ von Rainald Goetz unter Regie von Stefan Bachmann geplant.

Gestärkt geht die Tanzsparte unter Richard Siegal mit dem „Ballet of Difference“ in die neue Spielzeit. Hier wurde das Ensemble von sechs auf zwölf Tänzer vergrößert und die Förderung bis 2023 sichergestellt. Die erste Premiere gibt es mit „New Ocean Sea Cycle“ am 3. Oktober. Ihr folgt „All for one and one for the money“ am 20. November. Dazu kommen bei Tanz Köln zahlreiche internationale Gastspiele. Eines findet mit „Dark Red“ im Oktober im Kolumba-Museum statt.

Autor: Von Stephan Eppinger