Köln | Was kann uns Karl Marx heute sagen? Diese Frage stellt sich im 200. Geburtsjahr des Philosophen und Ökonomen auch die Theatergruppe „Subbotnik“ und sucht nach der Antwort. Das unentschlossene Ergebnis hatte jetzt unter dem Titel „Wir sind Affen eines kalten Gottes“ in der Außenspielstätte am Offenbachplatz Premiere.

Es beginnt – wie könnte es anders sein – mit Marx’ Monsterwerk „Das Kapital“: drei Bände mit zusammen fast 3.000 Seiten, wobei der Trierer selber nur den ersten Band vollendet hat. Zur Erklärung ausgesucht haben sich Oleg Zhukov, Kornelius Heidebrecht (Regie) und Martin Kloepfer die Kapitel Waren, Geld und Manufaktur.

Schlaginstrumente sorgen für den lautstarken Drive

Selbstverständlich geht man davon aus, dass das Publikum die „Kritik der politischen Ökonomie“ schon gelesen hat. Was natürlich die Ausnahme sein dürfte. Es bleibt theoretisch, mit reichlich Zitaten gespickt. Da hilft auch eine auf eine Leinwand geworfene Grafik nicht weiter. Aber ein paar Witzchen sind dabei, wenn Johannes Benecke den vom Unternehmer ausgebeuteten Arbeiter spielt und Zhukov erst Marx (mit Kunsthaare auf dem Kopf und unterm Kinn), dann den Unternehmer.

Benecke ist Mitglied des Schauspiels und verstärkt mit seiner Kollegin Ines Marie Westernströer das Ensemble. Hinzu kommen die Musiker Henning Nierstenhöfer und Tsimafei Biroku, die vor allem mit reichlich Schlaginstrumenten für den lautstarken Drive sorgen.

Szenenapplaus für zungenbrecherische Berufs-Litanei

Dann ein grandioses Ende der Theorie: Mit zungenbrecherischer Sprachkunst und atemberaubendem Tempo rattert Benecke alle Berufe herunter, die ein Uhrenfabrikant braucht, damit seine Manufaktur durch Arbeitsteilung Gewinn abwirft. Erleichtert spendet das Publikum Szenenapplaus.

Der Unternehmer darf sein Leid klagen: Ist doch auch er ein Ausgebeuteter, ein Opfer des Kapitals. Da können sich Arbeiter und Unternehmer schon einmal gemeinsam in die Badewanne begeben, die sich unverhofft im Bühnenboden auftut, und dort unter Wasser den Klassenkampf üben: Wer hat den längsten Atem?

Das Klavier „Orla“, der Frachter „Maxim Gorki“ und das Kapital

„Hast Du das verstanden, Karl?“, ist da wieder die große Frage. Und jetzt kommen zwei aktuelle, sehr persönliche Beispiele. Heidebrecht erzählt, wie er in einem Altenheim sein elektrisches Klavier entdeckte, die „Orla“ vom Staub befreite, losspielte und so eine Heimbewohnerin noch einmal zum Tanzen brachte. Hier wurde ein Traum erfüllt.

Ein anderer dagegen platzte. Den erzählt Zhukov: Ein Hamburger Freundeskreis wollte das alte Frachtschiff „Maxim Gorki“ zu einem Museumsschiff umbauen. Vergeblich – es landete auf einer indischen Abwrackwerft. Ob Karl versteht, warum der „Kapitalismus“ einmal so und einmal so agiert? Vielleicht muss man doch das Buch lesen.

Zum Schluss tappst ein Gorilla durch den Birkenwald

Vielleicht gibt es ja auch keine Antwort und nur den Traum von der klassenlosen Gesellschaft, in der – so Marx – der Mensch heute Jäger, morgen Angler, dann Hirte oder Bauer sein kann. Am Offenbachplatz scheint das Paradies zumindest ein bisschen wirklich zu werden: Am Schluss wachsen Birken aus dem Boden und ein mächtiger Gorilla tappst zwischen ihnen umher. Wirft Projektor und Leinwand um – was braucht es eine Analyse? Ach ja: „Wir sind Affen eines kalten Gottes“ ist aus einem Gedicht des ganz jungen Marx. Muss ja mal gesagt werden. Und knapp vorbei ist auch daneben.

Das Publikum hatte Gefallen an den sich über 90 Minuten hinziehenden, durchaus gelungenen Albernheiten. Weshalb es auch viel Premierenbeifall gab. Wer aber auf unterhaltsame Weise mehr über Karl Marx und seine Kritik der politischen Ökonomie erfahren will, dem der bei VSA erschienene Comic „Das Kapital“ von Jari Cuypers empfohlen.

[infobox]„Wir sind Affen eines kalten Gottes“ – die nächsten Vorstellungen: 18. und 29. Mai, 2. und 7. Juni, jeweils 20 Uhr, Schauspiel Köln, Außenspielstätte am Offenbachplatz, Karten: Tel. 0221 / 22 12 84 00, Fax 0221 / 22 12 82 49, E-Mail: tickets@buehnenkoeln.de, dazu alle Vorverkaufsstellen von KölnTicket. Kartenservice mit Vorverkauf und Abo-Büro in der Opernpassage zwischen Glockengasse und Breite Straße. 

[/infobox]

Autor: ehu | Foto: Ana Lukenda / Schauspiel
Foto: Ganz schön komplex, die Marxsche Ökonomie-Analyse. Dadan verzweifeln auch Johannes Benecke und Martin Kloepfer (r.). Foto: Ana Lukenda / Schauspiel